Rhein-Pfalz Kreis Mit Kanonendonner unterwegs

Mit Stulpen und Kanone: Mitglieder der Bürgerwehr mit dem Vorsitzenden Ralph Steinbacher (dritter von links) beim Gruppenfoto.
Mit Stulpen und Kanone: Mitglieder der Bürgerwehr mit dem Vorsitzenden Ralph Steinbacher (dritter von links) beim Gruppenfoto.

«Böhl-Iggelheim.» Am ersten Juni-Wochenende wird die Böhler Bürgerwehr als einzige Gruppe aus dem Rhein-Pfalz-Kreis beim Umzug zum Rheinland-Pfalz-Tag in Worms dabei sein. Dass sie mit ihrer Bewerbung erfolgreich war, freut die kleine Mannschaft mit ihrem Vorsitzenden Ralph Steinbacher natürlich. Zumal nach dem aufwendigen Anmeldeverfahren. „Das hat uns zwei Wochen Arbeit gekostet“, sagt der 53-jährige Böhler mit einem Lachen. Mit Umzügen haben die Aktiven der Bürgerwehr, die seit zwei Jahren ein eingetragener Verein mit derzeit 18 Mitgliedern ist, viel Erfahrung. Kerwe, alljährlich beim Brezelfest, Fasnacht oder Ortsjubiläen – regelmäßig ziehen die Böhler ihre fünf Zentner schwere selbstgebaute Kanone durch die Straßen und machen mit Salutschüssen auf sich aufmerksam. Am 11. November, 11.11 Uhr, schießen sie stets die Fasnacht an in Böhl – mit elf Salutschüssen. Und schon einmal waren sie beim Landesfest dabei, 2006 in Speyer. Ein Ortsjubiläum – die 1200-Jahr-Feier von Böhl im Jahr 1980 – war schuld am Entstehen der Bürgerwehr. Denn bei der munteren Runde, die sich regelmäßig im damaligen Gasthaus „Zum Schwanen“ zum Stammtisch traf, keimte die Idee, beim geplanten historischen Umzug mitzumachen. Als Motiv wählte die Gruppe die Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648). Eine katastrophale Epoche auch für die Pfalz, mit Zerstörung, Leid und ständiger Bedrohung, gegen die sich die letzten Bewohner im entvölkerten Land zur Wehr setzen mussten – eben als Bürgerwehr. „Drei bis vier Familien waren damals in Böhl nur noch übrig“, erzählt Steinbacher, der sich mit dieser Zeit befasst. Der Chemielaborant ist 1994 zur Bürgerwehr gestoßen – auch durch den Stammtisch im „Schwanen“. Für den Böhler Jubiläums-Umzug bauten die Gründer des heutigen Vereins vor 38 Jahren jedenfalls mit viel Liebe zum Detail eine Original-Kanone dieser Zeit nach. Steinbacher und Zeugwart Eric Rosenkranz (45) präsentieren sie stolz. Das Rohr stammt von einem alten Laternenpfahl, Räder und Achse von einem Leiterwagen aus dem 19. Jahrhundert, Beschläge und Kettenglieder wurden handgeschmiedet. „Die sind da mit Herzblut herangegangen“, lobt der heutige Vorsitzende die Gründer, von denen fünf immer noch bei der Bürgerwehr dabei sind. Ein Starenschreck steckt im Rohr, der mit Gas gezündet wird. Deswegen dürfen die Böhler auch ihre Kanone überall abschießen – mit Schwarzpulver und Treibladung ginge das nicht. „Und die Schüsse sind nicht ganz so laut“, sagt Rosenkranz. Der Auftritt der Bürgerwehr beim Böhler Jubiläumsumzug kam jedenfalls so gut an, dass die Stammtischbrüder und -schwestern beschlossen, weiterzumachen. Eine eigene Uniform musste her, nachdem die ersten „Verkleidungen“ aus einem Theaterfundus und dann vom Musikverein Musketiere Böhl stammten. Als Vorlage diente die Kleidung der Truppen des böhmischen Feldherren Wallenstein, an der Brust geziert vom alten Böhler Wappen. „1500 bis 2000 Euro muss man schon rechnen für alles zusammen“, sagt Steinbacher. Jedoch gibt es auch eine einfachere und günstigere Uniform, und manche tragen historische Bauernkleidung. Schließlich wehrten sich die einfachen Bauern mit Mistgabeln und Rechen gegen die marodierenden Soldaten. Zwischen 24 und 89 Jahre alt sind die Mitglieder der Böhler Bürgerwehr derzeit. „Es wäre schön, wenn wir zwei, drei junge Familien dazubekommen würden“, sagt Steinbacher. Dass ihr Name schon mal falsch verstanden und mit selbst ernannten, eher dubiosen Bürgerwehren, verwechselt wird, hat der Vorsitzende selbst schon erlebt: „Ich bin auch schon angesprochen worden, als ich das Hemd mit unserem Vereinsnamen getragen habe, ob wir so eine rechte Truppe sind.“ Dabei sei Bürgerwehr ein historischer Begriff und Traditionsname. „Das lassen wir uns nicht kaputt machen.“ Termin Rheinland-Pfalz-Tag in Worms, Freitag bis Sonntag, 1. bis 3. Juni. Festumzug mit Teilnahme der Böhler Bürgerwehr am Sonntag ab 12.30 Uhr. Laut Kreisverwaltung sind zwei weitere Vertreter aus dem Rhein-Pfalz-Kreis mit Ständen vor Ort: die Wildvogelfangstation Nonnenhof aus Bobenheim-Roxheim und Bernhard Ziegle mit Goldschmiedearbeiten aus Römerberg.

Die Bürgerwehr ist fester Bestandteil des Kerweumzugs in Böhl, wie hier vor zwei Jahren.
Die Bürgerwehr ist fester Bestandteil des Kerweumzugs in Böhl, wie hier vor zwei Jahren.
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