Rhein-Pfalz Kreis Mit dem pinken Wohnwagen iwwer die Brick

Die Camper lassen es sich schmecken: Markus Schwehla und Wolfgang Schmidt grillen ein Spanferkel im Campinggebiet „Auf der Au“.
Die Camper lassen es sich schmecken: Markus Schwehla und Wolfgang Schmidt grillen ein Spanferkel im Campinggebiet »Auf der Au«.
Ein Wohnwagen namens Fritz

Erst seit Kurzem ist Yvonne Thomas „Auf der Au“ und möchte ihren Platz dort nicht mehr missen. „Ich weiß nicht, warum ich als waschechter Ossi so lange gebraucht habe, um wieder zu erkennen, wie schön Camping ist“, schreibt die junge Frau, die regelmäßig mit ihrer mittlerweile zweieinhalb Jahre alten Tochter Alondra und ihrem Hund Claire in dem Campinggebiet ist. „Nachdem ich hier in der Mannheimer und Ludwigshafener Gegend viele Jahre erfolglos ein bezahlbares Haus auf dem Land gesucht habe, bin ich nun seit Mai 2018 Dauercamper ,Auf der Au’“, erzählt die Mannheimerin. „Für mich ist es im Vergleich zum damaligen DDR-Camping purer Luxus: Strom durch Solarenergie, Brunnenwasser auf dem Campinggrundstück, ein Gaskühlschrank, eine Heizung im Vorzelt und das Beste: ein Wohnwagen.“ Und weiter: „Unseren Wohnwagen haben wir Fritz – nach meinem 87-jährigen Opa – genannt. Auch wenn es nicht das neueste Modell ist und er schon ein paar Macken hat, so habe ich noch nie etwas Gemütlicheres gesehen. Meine kleine Tochter freut sich jedes Mal, wenn ich den Namen Fritz erwähne. Sie weiß, dass dann die circa 20 Kilometer lange Tour von Mannheim aus losgeht und wir ein super schönes Wochenende verbringen können. Am 13. Mai waren wir zum ersten Mal auf dem Platz und haben dort den zweiten Geburtstag meiner Tochter gefeiert. Seitdem sind wir sehr glücklich da. Am schönsten ist es, morgens aufzuwachen, aus dem Fenster zu schauen und die Natur zu sehen. Das Frühstück und der selbst gebrühte Kaffee schmecken herrlich da draußen. Ich wollte meiner Tochter dort eine glückliche und unbeschwerte Kindheit bieten – eine Kindheit, wie ich sie auf den Campingplätzen an der Ostsee verbringen durfte.“ An diese Urlaube hat Yvonne Thomas noch lebhafte Erinnerungen: „In der ehemaligen DDR sind wir – das heißt meine Eltern und ich – mit unserem Trabi jedes Jahr die fast 600 Kilometer Richtung Ostsee gefahren, samt Anhänger und eigenem Federbett. Unser Kühlschrank war damals ein einfacher Plastikeimer mit Deckel, den wir im Erdboden vergraben haben, sodass es um einige Grad kühler war.“ Wenn es tatsächlich zum Aus für das Campinggebiet „Auf der Au“ kommen würde, wäre Yvonne Thomas „wahnsinnig enttäuscht“. Aus Fremden werden Freunde „Aus Fremden wurden Freunde“, schreibt Ursula Schmidt und denkt dabei an die vergangenen paar Jahre auf dem Campingplatz. Als 2015 das Gebiet verkleinert worden sei, hätten manche Familien ganz mit Camping „Auf der Au“ aufgehört. Andere zogen um. „Wir und fünf weitere Familien suchten neue Plätze, möglichst nah beieinander.“ Eine neue Heimat fanden Ursula und Wolfgang Schmidt im Januar 2016 am Weg 17. „Die neuen Nachbarn waren freundlich, aber es gab wenig Kontakt“, erinnert sich Schmidt. Es entstand die Idee eines Kennenlernfests. „Wir brieten ein Spanferkel und frühstückten am nächsten Tag gemeinsam. So wurde die Nachbarschaft enger“, erzählt sie. Im Dezember gab es noch ein Wintergrillen. Dann die schlechte Nachricht: Das Campinggebiet wird noch mal verkleinert. „Wieder beschlossen wir mit fünf weiteren Familien einen Umzug“, blickt Ursula Schmidt zurück. „Im Januar 2017 war es dann so weit. Alle halfen sich gegenseitig. Aus Nachbarschaft wurden Freundschaften. Wir konnten nicht alle in einen Weg, aber auch das verband uns.“ Die Schmidts haben durch die Umzüge die Familie Schwehla kennengelernt. Beim gemeinsamen Grillen entstand auch die Idee, eine Interessengemeinschaft zu gründen, um sich gegen das drohende Aus für das Campinggebiet zu wehren. „So entstand aus Willkür neue Hoffnung“, findet Schmidt. Mit dem Gebiet verbindet sie noch andere schöne Erinnerungen: „Mein Mann, der schon 42 Jahre hier ist, und ich haben auf dem Campingplatz geheiratet“, berichtet sie. „Die Feier ging über vier Tage mit vielen Campern und Freunden. Es war Juli und sehr heiß. Alle waren so begeistert, dass sie hier übernachten wollten. So waren alle Betten in zwei Wohnwägen und Liegeplätze in den Vorzelten schnell vergeben. Unsere Hochzeitsnacht haben wir deshalb in einem kleinen, mit Toilettenpapier umwickelten Zweimannzelt verbracht.“ Joy singt ihre Lieder An einen prominenten Gast „Auf der Au“ erinnert sich Annemarie Franke: „Es gab eine Zeit, da war auf unserem Campingplatz Joy Fleming über Jahre zu Hause, um auszuspannen. Ihr pinkfarbener Wohnwagen war schon von Weitem zu erkennen. Sie war eine von uns.“ Auch Ursula Schmidt ist die Mannheimer Sängerin noch gut in Erinnerung: „Ja, Joy Fleming war früher im 6er-Gebiet am Weiher mit einem total pinken Wohnwagen. Da war sie aber noch nicht so bekannt.“ Dort habe sie ihre Lieder gesungen und so manches Fest gefeiert. „Nach so einem Fest – es war kalt – hat sie den Holzkohlegrill ins Vorzelt gestellt zum Wärmen. Das war`s dann mit Camping, es ist alles abgebrannt“, weiß Schmidt noch. Und Annemarie Franke schreibt: „Joy war eine lustige, sehr freundliche und sehr tolerante Frau. Wir hatten sehr viel Spaß mit ihr, wenn wir zusammen waren.“ Überhaupt seien auf dem Campingplatz viele Freundschaften geschlossen worden, die bis heute Bestand hätten. Mit dem Vater in der „8th Avenue“ Schöne Erinnerungen an seinen verstorbenen Vater verbindet Max Weinbrecht aus Mannheim mit dem Campinggebiet: „Es begann alles im Sommer 2001, mein erster Sommer auf dem Campingplatz ,Auf der Au’. Seinerzeit war ich gerade ein halbes Jahr alt“, schreibt er. „Die ersten konkreten Erinnerungen sind aus dem Sommer 2004, in welchem ich die Zeit auf dem Platz sehr genoss, speziell die mit meinem Vater. Er war schon seit der Geburt meiner Schwester 1988 immer wieder draußen und hat unseren Platz errichtet. Es fing mit einer Sandgrube an, und über die Jahre entwickelte sich ein Platz, auf dem man gerne war. Meine Familie genoss die Zeit miteinander, mit den Nachbarn und den Freunden. Es war alles gut bis zum Jahr 2007. In diesem Jahr verstarb mein Vater. Es war ein schwerer Schlag für die ganze Familie, sodass man eine ganze Zeit lang wegen der vielen Erinnerungen nicht rausfahren wollte und konnte, da der Schmerz noch zu tief saß.“ Eine der letzten Erinnerungen, die Max Weinbrecht an seinen Vater hat, stammen aus dem Jahr 2006 und sind fest mit dem Campingplatz verbunden. „Während der Fußball-Weltmeisterschaft hörten wir im Radio, wie Frankreich gegen Brasilien spielte. Es war die letzte Saison für meinen Vater und bis auf Weiteres auch für mich.“ Es habe bis zum Sommer 2013 gedauert, bis er erstmals wieder kurze Zeit in dem Campinggebiet gewesen sei. „Erst im Sommer 2016, als meine Tante und mein Onkel einen eigenen Platz übernahmen, war ich draußen wieder angekommen, und ich lernte viele neue Leute kennen, die immer hilfsbereit waren und ihre Erfahrung mit Freude teilten. Im Sommer 2017 beschloss ich, ein Schild, welches im Hauptweg 1, Nebenweg 8, von meinem Vater angebracht worden war, mit nach Hause zu nehmen, es zu reparieren und bei mir aufzuhängen. Auf diesem Schild steht ,8th. Avenue’. Auch wenn ich als Kind nie bemerkt habe, dass dort ein Schild hing, ist es für mich wie ein alter Begleiter, der mich an meinen Vater und die Zeit draußen erinnert.“ Deshalb wolle er, dass der Campingplatz gerettet wird, schreibt Weinbrecht. „Damit nicht auch die letzten Erinnerungen sterben, auch wenn der erste Hauptweg und seine Nebenwege leer, verwaist und zerstört sind, erkenne ich immer wieder mal kleine Dinge, die Erinnerungen aufwecken oder wachhalten.“ Liebelei beginnt am Zaun „Ich verbinde viel mit dem Campingplatz“, sagt auch Tanja Schulz. Sie hat seit 2000 einen Platz „Auf der Au“. Eine Freundin habe damals eine Parzelle im Campinggebiet gehabt. Tanja Schulz hat es bei einem Besuch so gut gefallen, dass sie sich selbst einen Wohnwagen gekauft und auf den Platz gestellt hat. „Meine beiden Kinder sind dort aufgewachsen. Und ich habe meinen jetzigen Mann dort kennengelernt. Er war Campingnachbar. Uns hat nur ein Baum und ein Zaun getrennt. So hat die Liebelei angefangen“, erzählt die 53-Jährige, die in Carlsberg im Kreis Bad Dürkheim wohnt. Sowohl die Hochzeit ihrer jüngsten Tochter als auch ihre eigene seien auf dem Campingplatz gefeiert worden. „Wir sind an der ,Mirabelle‘ mit Gehupe reingefahren“, erinnert sich Tanja Schulz. Mittlerweile kommen drei Generationen ihrer Familie ins Campinggebiet: „Die Enkelkinder sind vom Krankenhaus quasi direkt auf den Campingplatz gekommen“, berichtet sie. Ein schwerer Schicksalsschlag hat die Familie in diesem Jahr ereilt. Im März starb eine der beiden Töchter von Tanja Schulz. „Vorher wollte sie noch einmal raus auf den Campingplatz“, erzählt sie. Im Frühjahr und im Sommer verbringt Tanja Schulz schon seit Jahren jeweils drei Wochen in Waldsee, den Rest des Jahres ist sie jedes zweite Wochenende dort. „Es hängt viel Herzblut dran“, sagt sie. Heiligabend „Auf der Au“ Aufwändig dekoriert präsentiert sich der Wohnwagen von Sabine Keitel-Beck jedes Jahr an Heiligabend und an Halloween. Seit 1999 hat die Wormserin zusammen mit ihrem Mann einen Platz „Auf der Au“ und schmückt diesen bis zum ersten Advent vorweihnachtlich. „Es ist immer ein bisschen mehr geworden“, berichtet Keitel-Beck. Auch Heiligabend verbringt das Ehepaar auf dem Campingplatz – und es ist dabei nicht allein. „Wir haben Freunde, die fest hier wohnen, mit denen wir Weihnachten feiern“, erzählt sie. Am ersten Feiertag gebe es traditionell Pute. Frieren muss das Ehepaar übrigens nicht: „Im Wohnwagen gibt es eine Heizung. Und im Vorzelt haben wir einen Katalytofen. Das ist genauso warm wie zu Hause in der Wohnung“, sagt Keitel-Beck. Im heimischen Worms lebt das Paar in einem Wohnblock ohne Garten und Balkon. Die beiden genießen deshalb die Natur und die frische Luft „Auf der Au“. „Es gibt nichts Schöneres. Nur ganz selten sind wir mal nicht am Wochenende draußen“, sagt sie Seit zwei Jahren dekoriert Sabine Keitel-Beck ihren Platz nicht nur an Weihnachten, sondern auch an Halloween – vor allem für die Kinder, die auf dem Campingplatz sind. Kleine Grabsteine oder eine Schubkarre mit einem Skelett sorgen für wohligen Grusel. „Es ist toll, wenn die Kinder kommen und staunen“, sagt Keitel-Beck, die sich zu diesem Anlass als Hexe verkleidet. Das mögliche Aus für das Campinggebiet macht der Wormserin große Sorgen, zumal das Ehepaar erst vor Kurzem 20.000 Euro in einen neuen Wohnwagen und eine Überdachung investiert hat. „Warum muss man den Platz kaputt machen?“, fragt Sabine Keitel-Beck. „Wir kämpfen dafür, dass er bleibt.“

Alondra, die Tochter von Camperin Yvonne Thomas, an ihrem zweiten Geburtstag „Auf der Au“.
Alondra, die Tochter von Camperin Yvonne Thomas, an ihrem zweiten Geburtstag »Auf der Au«.
Sabine Keitel-Beck dekoriert ihren Wohnwagen und das Vorzelt gerne. An Weihnachten wird alles passend geschmückt.
Sabine Keitel-Beck dekoriert ihren Wohnwagen und das Vorzelt gerne. An Weihnachten wird alles passend geschmückt.
Gruselig wird’s auch mal „Auf der Au“: Dekorations-Fan Sabine Keitel-Beck schmückt ihren Bereich auf dem Campingplatz zu Hallowe
Gruselig wird’s auch mal »Auf der Au«: Dekorations-Fan Sabine Keitel-Beck schmückt ihren Bereich auf dem Campingplatz zu Halloween und verkleidet sich passend dazu als Hexe.
Am See gefällt es der kleinen Alondra auch gut.
Am See gefällt es der kleinen Alondra auch gut.
Sängerin Joy Fleming war regelmäßiger Gast auf dem Altriper Campingplatz.
Sängerin Joy Fleming war regelmäßiger Gast auf dem Altriper Campingplatz.
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