Ludwigshafen Meinung am Montag: Andrea Barie zum Umgang mit Stammtischparolen

Frau Barie, was machen Stammtischparolen denn so gefährlich?

Sie sind sehr eingängig, pauschal. Da wird in einer größeren Runde einfach was rausgehauen, und im ersten Moment ist das Gesagte nicht überprüfbar. Stammtischparolen sind zudem sehr emotional und bedienen die Ängste von Menschen. Deshalb wirken sie. Es ist also sehr schwer, kurz und knapp auf solche Parolen zu antworten. Und wer kommt in Ihr Training? In den vergangenen zwei Jahren waren viele Menschen bei uns, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Sie wurden oft in der Familie oder von Freunden nicht mehr verstanden und bekamen dumme Sprüche zu hören. Im engen sozialen Umfeld kann es schwer besonders schwer sein, sich zu wehren und sich damit aus dem Fenster zu lehnen. Denn dann landet man schnell in einer Schublade und wird als Gutmensch oder Weltverbesserer abgetan. Dieser Mut lässt sich trainieren? Man braucht vielleicht weniger Mut als Strategien, die zu einem passen. Man ist in jedem Fall immer ein Vorbild – positiv oder negativ. Meine Motivation ist dann, all jenen eine Stimme zu geben, die in dem Moment selbst keine haben. Wir leben in einer Demokratie und sollten für die Gleichbehandlung aller Menschen eintreten. Wie komme ich in einer solchen Diskussion zum Erfolg? Im Grundsatz gilt ja: Wer etwas hört und nichts dagegen sagt, stimmt zu. Wenn ich aber etwas sage, hat das Signalwirkung. Oft genügt es sogar, wenn man sagt: Ich habe aber einen anderen Standpunkt. In solchen Momenten zählen eben nicht nur Fakten. Es geht also einfach darum, anderen zu zeigen, es gibt auch jemanden mit einer anderen Meinung. Ertappen sich Kursteilnehmer denn selbst und merken: Oh, bisher habe ich zu oft einfach nur zugehört? Ja, die meisten fühlen sich nach dem Training selbstsicherer, weil sie bis dahin nicht wussten, welche Möglichkeiten sie haben, den eigenen Standpunkt zu vertreten. Welche Strategien gibt es da? Da gibt es viele! Eine einfache ist, mal nachzufragen: Woher hast du das denn oder was macht dir denn Angst? Gibt’s für Sie einen Idealfall, wie man reagieren sollte? Nein, solch einen Fall gibt es nicht. Dazu sind die Situationen zu unterschiedlich. Und als Mensch reagiert ja auch jeder unterschiedlich. Es geht mir vor allem darum, dass alle eine Idee davon bekommen, was sie machen oder sagen könnten. Ohne dabei zu eskalieren? Genau. Man sollte nie jemanden bloß stellen, das steigert Aggressionen. Wichtiger ist es, Leute ernst zu nehmen in ihren Befürchtungen. Dabei hilft, wenn man mit Blick auf Flüchtlinge etwa sagt, du hast ja recht, hier sind viele, die Hilfe wollen. Aber denke doch mal an den Fall, dass es deiner Familie schlecht geht und du suchst für euch eine bessere Perspektive. Manchmal ist es auch legitim, ein Gespräch abzubrechen. Nämlich dann, wenn mein Gegenüber tatsächlich nur provozieren will und keinen Wert auf meine Meinung legt. Zur Person Andrea Barie (61) wohnt in Neuhofen und arbeitet als Sekretärin an der Anne-Frank-Realschule plus in Ludwigshafen. 2010 und 2011 hat sie Ausbildungen zur Argumentations- und Zivilcouragetrainerin absolviert. Am 12. Januar bietet sie an der VHS Ludwigshafen ein Zivilcourage-Training an, am 15./16. März ihr Argumentationstraining.

x