Ludwigshafen Mannheim: Poetry-Slammer Jason Bartsch gibt schräges Konzert

Sein Gesang grenzt an Körperverletzung, doch in seiner Witzelsucht blitzt immer wieder großer Humor auf: Jason Bartsch.
Sein Gesang grenzt an Körperverletzung, doch in seiner Witzelsucht blitzt immer wieder großer Humor auf: Jason Bartsch.

Nachdem er sich mit lustigen Liedern bei den beliebten Dichterwettbewerben in Universitätsstädten einen Namen gemacht hatte, fasste sich Jason Bartsch vor zwei Jahren ein Herz und nahm ein Musikalbums in Angriff. Der nächste Schritt für den Wahl-Bochumer ist seine erste Tour in Sälen jenseits des Poetry-Slam-Zirkus. In der Alten Feuerwache in Mannheim kann er zwar musikalisch nicht überzeugen, unterhält das Publikum aber bestens mit seinem rasanten Humor.

In den Achtzigern war die Welt in Bochum noch in Ordnung: Ein paar Zechen waren dank der Unterstützung aus Bonn weiterhin in Betrieb. Der VFL etablierte durch mehrere Auf- und Abstiege zwischen der ersten und Zweiten Bundesliga den Begriff der „Fahrstuhlmannschaft“. Und Herbert Grönemeyer packte das alles in sein unsterbliches Album „4630 Bochum“. Damals war Jason Bartsch noch nicht auf der Welt. Er gehört zur ersten Generation, die nicht auf dem Bolzplatz aufgewachsen ist, sondern in den sozialen Netzwerken. Sein erstes Album trägt den Titel „4478 Bochum“, denn seit Grönemeyers Zeiten hat sich im Ruhrgebiet wirklich alles verändert, nicht einmal die Postleitzahlen sind gleich geblieben.

Talent für Stand-up

Die Konstante ist ein trotziger Lokalpatriotismus, der durch eine Prise Selbstironie gebrochen wird. Jason Bartsch treibt diesen im Ruhrgebiet verbreiteten Humor auf die Spitze. Er kann keine Aussage treffen, ohne sie durch eine Zwischenbemerkung sofort zu revidieren. Das grenzt manchmal an Witzelsucht, ist aber notwendig, um den Abend erträglich zu gestalten. Denn singen kann Jason Bartsch überhaupt nicht, was ihn nicht davon abhält, es mit entwaffnender Inbrunst zu tun. Auch die Lieder seines Albums haben diesen Begriff eigentlich kaum verdient, es handelt sich eher um Sketche mit dilettantischer musikalischer Begleitung. Das ist zwar irgendwie lustig, strapaziert aber auf die Dauer sowohl Ohren als auch Nerven. Grandios ist Jason Bartsch bei den teils unendlich in die Länge gezogenen Anmoderationen zu seinen Titeln. Über verschlungene Umwege nähert er sich dem Thema des nächsten Songs an, führt die Zuhörer in die Irre, wiegt sie in Sicherheit und schlägt dann eiskalt mit seinen Pointen zu. Da schlummert ein großes Talent für Stand-up in diesem jungen Mann.

"Heiterkeit als Recht auf Freiheit"

Als Einleitung zum „Lied über die Liebe“ etwa fragt er ins Publikum, welche Paare schon fünf Jahre zusammen sind. Dann zehn Jahre, dann fünfzehn Jahre. „Jetzt kommen wir langsam in ein Alter, wo sich nur noch einer von beiden meldet“, blödelt Bartsch. Nur eins der zahlreichen Paare im Saal ist länger als 15 Jahre zusammen: Silke und Michael, seit 1994. Ihnen widmet er dann Zeilen wie „Wenn meine Freundin ein Vulkan wäre, dann wäre ich Pompeji.“ Weiter geht’s mit einem Discobeat und der Parole „Heiterkeit als Recht auf Freiheit“. Was ein politisches Sujet verspricht, endet aber in der nächsten studentischen Alltagsbetrachtung: „Du stehst auf Longboardfahren im Park, ich steh’ auf Kant und auf Descartes“ singt Bartsch in ohrenbetäubender Lautstärke und mit einer Intonation, die an Körperverletzung grenzt. Leider geht der Song über zwanghaft gereimte Gegenüberstellungen von coolen und uncoolen Dingen kaum hinaus. Dennoch freut sich der Künstler mit dem Publikum um die Wette; jeder noch so flache Kalauer wird gefeiert wie die Auferstehung von Loriot. Das hat was von einem WG-Abend, bei dem einer bierselig zur großen Form aufläuft und alle anwesenden Lehramtsstudentinnen in einen Trancezustand aus Gelächter und Bewunderung führt. Doch Bartsch wird eines Tages zu erheblich mehr fähig sein, wenn er seine musikalischen Ambitionen ad acta legt. Eine Kostprobe seines Potenzials gibt es, als er die fiktive Radioübertragung eines Golfturniers in fünf Minuten presst. Da kommen phrasendreschende Kommentatoren zu Wort und Tiger Woods verwechselt einen Flamingo mit seinem Schläger. Großer Humor blitzt also kurz auf, in Zukunft bitte mehr davon.

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