Ludwigshafen Ludwigshafen: Spur der Betrüger führt in die Türkei

Die Polizei mahnt die Bürger, am Telefon vorsichtig zu sein.
Die Polizei mahnt die Bürger, am Telefon vorsichtig zu sein.

Fragen & Antworten: Trickbetrüger treiben derzeit in Ludwigshafen und in der Umgebung ihr Unwesen. Sie geben sich am Telefon als Polizisten oder andere Amtsträger aus und versuchen so, ihren Opfern Geld und Schmuck abzuknöpfen. Hinter diesen Telefonbetrügern stecken Strukturen organisierter Kriminalität. Die Spur führt bis in die Türkei. Ein Überblick.

Wie viele Fälle gibt es in Ludwigshafen und Umgebung?

Die jüngste Serie mit Anrufen von falschen Polizisten hat Anfang Februar begonnen. In Ludwigshafen sind bisher rund 39 Anrufe falscher Amtsträger bekanntgeworden. Auch in Mannheim, Frankenthal und im Rhein-Pfalz-Kreis haben sich die Fälle gehäuft. Die Polizei geht von rund 90 Betrugsversuchen in der Vorder- und Südpfalz aus. Am Donnerstagabend sind drei neue Fälle dazu gekommen. Was weiß die Polizei über die Täter und die Strukturen, die dahinter stecken Laut Landeskriminalamt (LKA) handelt es sich um Banden, die gewerbsmäßig solche Anrufe machen. Die Gruppen werden vorwiegend vom Ausland aus gesteuert und verfügen über Helfer in Deutschland. Die Masche mit den falschen Polizeibeamten wird von geschäftsmäßig betriebenen Call-Centern gesteuert, die überwiegend in der Türkei sitzen. Das deutschsprachige Personal für die Call-Center wird über Stellenanzeigen geworben und besteht aus in Deutschland aufgewachsenen Menschen. Ist zu erkennen, dass die Anrufe aus dem Ausland kommen? Nein. Die Täter im Call-Center benutzen Internettelefonie und verfügen über die technischen Mittel, die bei einem Anruf angezeigte Telefonnummer zu verfälschen. Dem Opfer kann dadurch vorgegaukelt werden, dass es sich um einen örtlichen Anschluss handelt. Die Täter benutzen dabei teils echte Polizeinummern. In einem Fall wurde etwa die Faxnummer der Schifferstadter Polizeiinspektion benutzt. In anderen Fällen wird auch die Notrufnummer 110 angezeigt. Haben die Betrüger auch Leute hier vor Ort? Ja. Die Banden gehen arbeitsteilig vor. Der Anrufer wird im Polizeijargon „Keiler“ genannt. Er gibt sich als Polizeibeamter aus und bearbeitet die Opfer am Telefon. Meist wird dem Angerufenen eine Notlage vorgemacht, etwa ein unmittelbar bevorstehender Einbruch oder Ähnliches. Das Opfer wird dann zur Übergabe von Geld oder Wertsachen an einen weiteren falschen Polizisten überredet. Der Anrufer informiert einen „Logistiker“, der wiederum einen „Läufer“ vor Ort anruft. Er soll die Beute bei den Opfern abholen. Was passiert bei einer Übergabe? Der Abholer übergibt die Beute an weitere Mitglieder der Bande, die aus Schmuck oder anderen Wertsachen Geld machen. Jeder Beteiligte verdient einen unterschiedlichen Betrag in dieser „Verwertungsschiene“, wie dies das LKA nennt. Gibt es mehrere kriminelle Organisationen, die sich auf Telefonbetrug spezialisiert haben? Die Ermittler sprechen von einer Vielzahl von Call-Centern in der Türkei, die mit der Masche falsche Amtsperson arbeiten. Neben den falschen Polizeibeamten gibt es auch falsche Staatsanwälte, Richter, Gerichtsvollzieher oder Rechtsanwälte. Bei der jüngsten Serie in Ludwigshafen ging es um Polizisten. Wie groß ist der Schaden? In Rheinland-Pfalz hat es im vergangenen Jahr über 1600 Fälle gegeben. Das LKA schätzt den Gesamtschaden auf knapp 1,5 Millionen Euro. Teils wurde den Opfern die Grundlage für ihre Altersversorgung entzogen. Im Visier der Banden sind Senioren mit einer hohen Rente, die auch über nennenswerte Sparguthaben verfügen. Bei der jüngsten Serie in Ludwigshafen ist den Betrügern ein 84-jähriger Mann auf den Leim gegangen, der dabei einen fünfstelligen Geldbetrag verlor. Gibt es eine hohe Dunkelziffer?  Ja, denn nicht alle Fälle werden bei der Polizei angezeigt. Die Anrufer aus den Call-Centern arbeiten tagtäglich bundesweit ganze Regionen ab. Die Ermittler gehen daher davon aus, dass es ein großes Dunkelfeld gibt. Einerseits werden viele Versuche nicht angezeigt, andererseits schämen sich Opfer und haben auch Schuldgefühle vor ihrer Familie. Wie viele Täter konnten gefasst werden? Das LKA macht aus „kriminaltaktischen Belangen“ dazu keine Angaben. In Mannheim wurde am 20. Februar von der Polizei ein 30-Jähriger aus der Nähe von Offenbach festgenommen. Er wollte das Geld abholen, das ein Opfer zum Schein bereitgestellt hatte. In Wahrheit hatte der Angerufene die Polizei verständigt, die den „Läufer“ dann erwischte, als er die Beute abholen wollte. Die Ermittlungen zu den Hintermännern laufen. Generell vernetzen sich die Ermittler bundesweit und arbeiten mit Justiz und Polizei auch auf internationaler Ebene zusammen. Außerdem wird auf Aufklärung gesetzt. Wie können sich Bürger schützen? Die erste Regel lautet: misstrauisch sein. Wer von falschen Amtspersonen angerufen wird, sollte nie Angaben zu seiner Person oder seinem Vermögen machen. Geld sollte nie an Unbekannte übergeben werden. Man sollte das Gespräch sofort beenden, die Polizei unter 110 verständigen und dabei nicht die Wahlwiederholungsfunktion benutzen.

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