Ludwigshafen Ludwigshafen: Interview zur Eskalation bei den Grünen

Will grüne Politik „knackiger und transparenter“ machen und den Kuschelkurs der vergangenen zehn Jahre stoppen: Raik Dreher. Sei
Will grüne Politik »knackiger und transparenter« machen und den Kuschelkurs der vergangenen zehn Jahre stoppen: Raik Dreher. Seit 2017 ist er einer der beiden Vorstandssprecher. Mit Nesrin Akpinar führt er künftig die Fraktion »Grüne Ludwigshafen und Piraten«.

Trotz des Wahlerfolgs ist der interne Streit bei den Grünen eskaliert. Die Partei ist gespalten. Am Montag ziehen zwei Fraktionen in den Stadtrat ein: „Die Grünen im Rat“ und „Grüne Ludwigshafen und Piraten“. Der scheidende Vorstandssprecher Raik Dreher erklärt, warum die Stimmung vergiftet ist.

Herr Dreher, 16,6 Prozent der Wähler haben am 26. Mai für die Grünen gestimmt – für eine Partei, die sich nun im Rathaus in zwei Fraktionen spaltet: ein Sextett mit der Doppelspitze Monika Kleinschnitger/Hans-Uwe Daumann. Und ein Quintett inklusive dem Piraten Heinz Zell, das Sie und Nesrin Akpinar anführen. Viele Grünen-Wähler fühlen sich verschaukelt. Was sagen Sie denen?

Wir können die Wählerinnen und Wähler gut verstehen, weil die natürlich alle grün gewählt haben. Die Partei ist mit zehn Sitzen in den Stadtrat eingezogen und schwächt sich nun selbst. Aber Nesrin Akpinar und mir ist am 11. Juni bei der konstituierenden Fraktionssitzung von Frau Kleinschnitger und Herrn Daumann unmissverständlich der Stuhl vor die Tür gesetzt worden, weil sie sich eine vertrauensvolle Arbeit mit uns nicht vorstellen können. Das heißt, Ihnen blieb nichts anderes übrig, als mit Ihren Mitstreitern eine neue Fraktion zu gründen? Natürlich wäre es uns lieber gewesen, mit einer Zehner-Faktion im Stadtrat zusammenzuarbeiten. Wir reden auch mit jedem Kritiker und bitten um Verständnis. Noch vor der Wahl haben Vertreter beider Lager den Konflikt heruntergespielt und betont, eine Spaltung sei ausgeschlossen. Nun ist es genau so gekommen. Glaubwürdig ist anders. Glauben Sie mir: Ich wusste bis zu diesem Dienstagabend, 19.35 Uhr, nichts von einem Misstrauensantrag gegenüber uns. Ich hatte wenige Tage zuvor mit Frau Kleinschnitger telefoniert, um die Sitzung vorzubereiten. Da deutete überhaupt nichts darauf hin, dass sie mit dieser persönlichen Erklärung um die Ecke kommt. Letztlich bedeutet das, dass die bisherige Fraktion so weitermacht wie bisher, und dass eine neue Fraktion grüne Politik knackiger, transparenter und offener machen wird. Ich hoffe, dass wir damit ähnlich viel Erfolg haben werden wie in der Südlichen Innenstadt. Da ich mit Nesrin Akpinar und Kathrin Lamm im Vorstand lange gut zusammen gearbeitet habe, bin ich da guten Mutes. Die Spitze von den „Grünen im Rat“ wirft Ihnen und Frau Akpinar vor, Mitgliederbeschlüsse ignoriert zu haben. Stimmt das? Ich denke, nein – auch wenn das kompliziert zu erklären ist. Ich bin gespannt. Ursprünglich wollten wir im Wahlkampf aus Kostengründen auf Kopfplakate verzichten. Dann gab es aber später einen gegenteiligen Beschluss, dass jeder, der 500 Euro in die Hand nimmt, Werbemittel seiner Wahl für sich drucken lassen kann. Das hat Frau Akpinar wörtlich genommen und Plakate mit ihrem Konterfei fertigen lassen. Man kann sicher darüber diskutieren, ob das sinnvoll und in der ohnehin aufgeheizten Situation ratsam war. Aber? Die Plakate hingen nun mal und waren ihr Eigentum. Selbst wenn einem das nicht passt, kann man da nicht einfach hingehen und die wieder abhängen. Wenn Sie falsch parken, kann ja Ihr Nachbar auch nicht einfach Ihren Wagen wegschieben. Und Ihrer Ansicht nach haben Mitglieder der bisherigen Fraktion die Akpinar-Plakate entfernt? Ich war nicht dabei. Es gilt im deutschen Recht immer noch die Unschuldsvermutung. Die Ermittlungen sind meiner Kenntnis nach auch nicht abgeschlossen. Aber meine Rechtsauffassung, dass man diese Plakate nicht einfach entfernen darf, teilt offensichtlich auch die Staatsanwaltschaft in Frankenthal. Da bin ich als Jurist nicht ganz alleine mit meiner Meinung. Die hätten nicht abgehängt werden dürfen, es wurde aber gemacht. Dass sowas die Lage in der Partei nicht beflügelt, ist klar. Für welche Inhalte steht Ihre Fraktion – und wie unterscheidet sie sich von der anderen? Wir haben einen anderen Politikansatz. Welchen denn? Wir benennen politisch Verantwortliche und fahren keinen Kuschelkurs, wie das in den letzten zehn Jahren der Fall war. Bevor wir uns für irgendwelche Positionen entscheiden, reden wir erst mal mit den Betroffenen. Beispiel: Die Kritik an der Autotunershow „Drehmoment“ in der Innenstadt. Da hätte ich es für richtig gehalten, erst mal mit den Beteiligten zu sprechen, bevor die Fraktion ein Urteil fällt. Oder nehmen Sie die umstrittenen „Metropol“-Hochhauspläne auf dem Berliner Platz. Da wollte man mit dem Unternehmer Peter Görtz über dessen Vorschläge partout nicht sprechen. Wir haben eine ganzheitliche Sicht der Dinge und wägen dann ab, wo der grüne Weg hingeht. Außerdem wollen wir unsere Mitglieder mehr einbinden und deren Ideen im Stadtrat einbringen. Wir wollen zudem die Arbeit von Ausschüssen und Aufsichtsräten transparenter machen. Da ist nach unserer Meinung nach noch viel Luft nach oben. Und wir Grüne aus Süd sind ideologiefreier als die bisherige Fraktion. Dementsprechend wird das eine muntere Truppe sein. Die spannende Frage bei der Mitgliederversammlung am 25. Juni ist nun, welcher Fraktion die insgesamt 126 Mitglieder das Mandat erteilen, grüne Interessen im Rathaus zu vertreten. Wie ist Ihre Einschätzung? Ich hoffe natürlich der Fraktion, die politisch den Finger klar in die Wunde legt, aber auch konkrete Lösungen anbietet. Ich werde deshalb für unsere Fraktion werben. Wir haben einiges zu bieten und mit dem Piraten Heinz Zell einen Mann, der schon fünf Jahre in der bisherigen Fraktion mitgearbeitet und sich dort eingebracht hat. Dass er, der ja beide Seiten kennt, sich jetzt bei uns einreiht, ist für uns ein deutliches Statement. Lassen Sie mich aber klar sagen: Ich bin auch unter bestimmten Voraussetzungen bereit, mit der anderen grünen Fraktion zusammenzuarbeiten oder auszuloten, wie man wieder zusammenkommt. Unter welchen Voraussetzungen? Ich erwarte von den Fraktionsmitgliedern, die sich gegen Frau Akpinar und mich ausgesprochen haben, eine bedingungslose, vorbehaltlose und öffentliche Entschuldigung. Das Vorgehen der Doppelspitze der alten Fraktion war ein beispielloser Vorgang der öffentlichen Erniedrigung und Herabwürdigung. Wie kommentiert eigentlich der Landesverband das Grünen-Theater in Ludwigshafen? Josef Winkler wird als einer der beiden Landesvorsitzenden die unparteiische Leitung der Versammlung am 25. Juni übernehmen. Er möchte sich aus der internen Angelegenheit heraushalten. Wie sieht’s am Montag bei der ersten Sitzung des Stadtrats mit Blick auf die Zusammensetzung von Ausschüssen und Aufsichtsräten aus? Mit SPD und CDU, FWG, FDP und den Linken haben wir schon gesprochen oder Termine vereinbart. Bei den Gesprächen loten wir aus, wo wir uns politisch treffen, denn wir wollen für die wichtigen Projekte der Stadt breite Mehrheiten, etwa die Hochstraßen Nord und Süd, „Metropol“, Rathaus oder Verkehrswende. Wir reden aber auch über die Besetzung der Ausschüsse. Als Folge der Grünen-Spaltung steigt die AfD mit acht Sitzen zur drittstärksten Fraktion auf. Das ist grotesk. Das kann kein Grüner wollen. Da haben Sie vollkommen recht. Das schmerzt mich sehr. Aber Herr Dreher, Sie halten daran doch auch eine Aktie. Nicht ich bin gegangen. Die anderen haben mich rausgeschmissen. Was hätten Sie denn in meiner Situation getan? Vielleicht auch mal mich selbst hinterfragt. Aus Kreisen Ihrer Gegner hört man, dass Sie und Frau Akpinar den Rauswurf provoziert haben. Das sehe ich ganz anders. Sie werden von uns nirgendwo eine negative Nachricht über Herrn Daumann oder Frau Kleinschnitger finden – weder gedruckt noch als E-Mail. Und wenn Frau Akpinar nach 40 bis 50 abgehängten Plakaten Anzeige gegen Unbekannt erstattet, ist das ihr gutes Recht. Und das letztlich gescheiterte Mediationsverfahren? Das habe ich zusammen mit dem grünen Fraktionschef im Mannheimer Gemeinderat eingeleitet. Da ging es um die Frage der Listenaufstellung und wer welchen Platz einnehmen möchte. Die Frage, ob man über die ersten Plätze reden könne, wurde mehrfach mit Nein beantwortet. Zu einem dritten Gespräch sind wir dann nicht mehr erschienen, weil es sinnlos war. Halten Sie es – Stand heute – für möglich, dass die Grünen im Stadtrat wieder zusammenfinden? Wie gesagt: Ohne eine bedingungslose Entschuldigung wird das nicht gehen. Grundsätzlich halte ich es aber schon für möglich, dass wir uns wieder zusammenraufen. Aber manchmal muss man auch auseinandergehen, damit man später wieder zusammenkommen kann.

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