Ludwigshafen Ludwigshafen: Gekämpft, geklagt, geheiratet

91-118239721.JPG
Andreas Herr (links) und Werner Hügelschäfer mit ihrer Urkunde am Tag der Eheschließung, dem 16. Oktober 2017, vorm Ludwigshafener Standesamt. Sie sind seit 21 Jahren ein Paar.

Seit einem guten Jahr ist die „Ehe für alle“ möglich. Zuvor konnten gleichgeschlechtliche Paare nur eine eingetragene Lebenspartnerschaft schließen. Sie ist mit weniger Rechten ausgestattet als eine Zivilehe. 100 gleichgeschlechtliche Ehepaare gibt’s in Ludwigshafen, darunter Andreas Herr und Werner Hügelschäfer. Sie erzählen ihre Geschichte.

Andreas Herr und Werner Hügelschäfer sind in den 21 Jahren ihrer Beziehung einen langen Weg gegangen, bis sie sich am 16. Oktober 2017 auf dem Ludwigshafener Standesamt das Jawort gaben. Eigentlich schon zum zweiten Mal. Denn bereits am 21. September 2002 haben die Männer ihre „Lebenspartnerschaft“ eintragen lassen. Um dem damaligen Eintrag einen feierlicheren Rahmen zu geben, hatte ein Standesbeamter den Trausaal im Rathaus geöffnet – aus persönlichem Entgegenkommen, wie die beiden rückblickend erzählen. Während seiner Rede habe der Standesbeamte öfter gestockt und immer wieder Pausen gemacht. Später darauf angesprochen, habe er erklärt, ihm sei untersagt worden, in der Rede Vokabeln wie „Ehe“, „Hochzeit“, „heiraten“, „Gatte“ oder „Ehepartner“ zu verwenden.

Folgen hat das Paar gespürt

In der „Lebenspartnerschaft“ wurden 2002 die gegenseitige Versorgung und der Unterhalt gesetzlich als Pflichten für eingetragene Paare verankert. „Das ging damals ohne Bundesrat“, erinnert sich Werner Hügelschäfer an den Beschluss der damaligen rot-grünen Mehrheit im Bundestag. Rechte hingegen, etwa im Steuer- oder Erbschaftsrecht, seien eingetragenen Lebenspartnern „aufgrund mangelnder Mitwirkungsbereitschaft des damals CDU-dominierten Bundesrats“ verwehrt geblieben, erinnert sich der 63-Jährige, der ein Taxiunternehmen im Rhein-Pfalz-Kreis betreibt. Die Folgen hat das Männer-Paar gespürt: „Wir waren bis 2013 in der höchsten Lohnsteuerklasse. Ein Familienzuschlag für uns wurde abgelehnt“, berichtet Andreas Herr. Deswegen reichte der 49-Jährige, der als Oberstudienrat an einer Mannheimer Berufsschule tätig ist, 2008 auch Klage gegen seinen Dienstherrn, das Land Baden-Württemberg, ein. Der Fall landete beim Verwaltungsgericht Stuttgart. Erst im November 2012 wurde Herr der Familienzuschlag in zweiter Instanz vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim zugesprochen. Im Juni 2013 folgte die bundesweite Gleichstellung im Steuerrecht gegenüber heterosexuellen Eheleuten.

"Das hatte noch nie mit Kindern zu tun"

Aber impliziert der Begriff „Familienzuschlag“ nicht schon den Aspekt des Kinderbekommens beim Thema Ehe? „Heterosexuellen Eheleuten wird der Familienzuschlag ganz automatisch und unabhängig davon gewährt, ob sie Kinder haben“, vergleicht Andreas Herr. Und er verdeutlicht: „Selbst wenn zwei über 60-jährige Heterosexuelle heiraten, genießen sie alle Privilegien des Eherechts; das hatte rechtlich noch nie mit Kindern zu tun.“ Das Land Baden-Württemberg ließ seine homosexuellen Beamten nach Herrs Erfahrungen auch an anderer Stelle spüren, dass sie keine „richtige“ Ehe führten. Gleichgeschlechtlichen Paaren wurden laut dem Lehrer immer wieder Steine in den Weg gelegt. Ein weiterer Streitpunkt war für Herr mehrfach der von seinem Dienstherrn zunächst als „ledig“ erfasste Familienstand – obwohl Herr und Hügelschäfer eine eingetragene Lebenspartnerschaft hatten. Aufgrund der PC-Software sei das Land nicht in der Lage gewesen, die damals offizielle Bezeichnung „verpartnert“ aufzunehmen, sei ihm gesagt worden, berichtet der Oberstudienrat. Nachdem Herr mit einer Klage gedroht hatte, sei es anderntags plötzlich dann doch gegangen. Aber auch mit der Familienstandsbezeichnung „verpartnert“ war das Männer-Paar eigentlich nicht zufrieden. „Das bedeutete gegenüber dem Arbeitgeber ein homosexuelles Zwangsouting“, stellt Herr den klassischen „verheiratet“-Begriff gegenüber.

Paar sieht keinen Verdienst der Politik

Erst seit Oktober 2017 gelten auch homosexuelle Ehepaare offiziell als „verheiratet“. Das Paar aus der Gartenstadt hat natürlich gleich die Gelegenheit genutzt, um aus der „eingetragenen Lebenspartnerschaft“ eine Ehe zu machen Die Gleichbehandlung von Homosexuellen sehen Hügelschäfer und Herr nicht als Verdienst der Politik an. „Im Gegenteil, es waren immer wieder Gerichtsurteile, die zwingend auf diskriminierende Vorgänge aufmerksam machten“, sieht Hügelschäfer vor allem das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof als Vorkämpfer für gleiche Rechte. „Dabei sollte doch der Staat zwei Menschen unterstützen, die füreinander da sein wollen“, findet er.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x