Ludwigshafen Ludwigshafen: „Erschreckendes Desinteresse“ an Stichwahl

Die SPD grübelt (von links): Sozialdezernentin Beate Steeg, Dieter Feid (früher Kämmerer, heute TWL-Vorstand), Oberbürgermeister
Die SPD grübelt (von links): Sozialdezernentin Beate Steeg, Dieter Feid (früher Kämmerer, heute TWL-Vorstand), Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck und Fraktions- und Parteichef David Guthier.

Die Kommunalwahl ist überstanden. Ein Thema überschattet alles: die laut Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck „unterirdisch niedrige Wahlbeteiligung“.

Eigentlich war’s ein schöner Stichwahlabend am Sonntag im Rathaus. Die Parteigruppen hatten sich eingefunden, und die rund 150 Gäste kommentierten lautstark die ab 18.07 Uhr eintrudelnden Ergebnisse der Stimmbezirke. Doch beim zweiten Blick auf die Zahlen, der nicht Sieger und Verlierer im Fokus hatte, gab’s einen gewaltigen Stimmungsdämpfer. Denn die Angaben bei der Wahlbeteiligung waren überaus mickrig – und wollten einfach nicht wirklich besser werden. Das trieb vor allem Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD) um. Die 56-Jährige war den Sonntag über in den Wahllokalen unterwegs. Daher war ihr früh klar: „Wir haben eine unterirdisch niedrige Wahlbeteiligung.“ Die OB sprach von einem „erschreckenden Desinteresse“ an der Politik. Denn immerhin gehe es bei den Ortsvorstehern ja um die Vermittler zwischen Stadtteil und Verwaltung.

20.000 von 100.000 haben gewählt

100.397 Ludwigshafener hätten bei den sieben Stichwahlen in ihrem Stadtteil ihre Stimme abgeben können. Tatsächlich haben dies aber nur 20.595 getan. Dies entspricht stadtweit einer Wahlbeteiligung von 20,5 Prozent. Noch dramatischer werden die Zahlen, wenn man’s genauer anschaut: Von den rund 20.600 Wählern haben etwa 12.000 bereits im Vorfeld per Briefwahl abgestimmt – rund 60 Prozent. Und auch hier war die Motivation nicht mehr allzu hoch, da nach Angaben der Stadtverwaltung vom Donnerstag über 16.000 Briefwahlanträge gestellt worden waren – 16.000 davon waren gleich im Vorfeld des ersten Wahlgangs, neu dazu kamen „ein paar Hundert“. Somit gaben noch keine 9000 Bürger am Sonntag im Wahllokal ihre Stimme ab. Und das führte zu Steinrucks Eindruck vom „erschreckenden Desinteresse“. Das treibt sie vor allem als ehemalige Europaabgeordnete um. Sie erinnere sich noch an Wahlbeobachtungen in Ländern, wo Menschen unter Lebensgefahr zur Stimmabgabe gegangen seien. „Daher tut mir die Wahlmüdigkeit hier wahnsinnig weh.“

"Da überlegt man schon, ob der Aufwand noch lohnt"

Hinter allen, die an der Wahl beteiligt waren, „liegt ein Marathon“, würdigt sie das Engagement der Mitarbeiter, an deren Spitze Raimund Kniel und Volker Jordan standen. Diese Woche stehen noch ein paar Nacharbeiten an, dann ist der Marathon endgültig geschafft. Da es in Ludwigshafen kein eigenes Wahlamt gebe und für diese Phasen Mitarbeiter mehrere Tätigkeiten stemmen müssten, seien Wahlen immer enorme Strapazen. Hinzu kommen „das hohe Maß an Ehrenamt und auch die Kosten“, so Steinruck. Umso bitterer sei dann der Blick auf die Wahlbeteiligung: „Da überlegt man schon, ob dieser Aufwand noch lohnt.“ Sie möchte gerne darüber diskutieren, ob man insbesondere bei den Ortsvorstehern das Wahlsystem nicht ändern sollte.

„Ein Stück weit Lotterie“

Doch nicht nur für die Oberbürgermeisterin war die geringe Wähleranzahl ein Thema. Es war auch ein prägendes Element der politischen Analyse. So räumte Geburtstagskind Lorena Schmitt (53, SPD) offen ein: „Ich bin enttäuscht über die Wahlbeteiligung.“ Im Wahlkampf habe sie immer wieder mitbekommen, dass viele Menschen nichts von der Stichwahl wussten. „Ich fänd’ es besser, wenn Leute eine zweite Wahlbenachrichtigung bekommen würden“, so die Unterlegene in Süd. Ähnlich sah es die Oggersheimerin Monika Kanzler (75, CDU): „Ich bin enttäuscht, dass so wenig Leute wählen gehen. Da hätte ich mehr erwartet. Egal für welchen Kandidaten.“ 20,7 Prozent Wahlbeteiligung seien „beschämend für einen so großen Stadtteil“.

CDU zufrieden: "Etwas besser als vor fünf Jahren"

Diese Beobachtung hat auch Heinrich Jöckel (59), stellvertretender CDU-Kreisvorsitzender gemacht: „Es gibt Leute, die nichts mit dem Begriff Stichwahl anfangen können.“ Wegen der niedrigen Beteiligung seien diese dann eben auch „ein Stück weit Lotterie“. Insgesamt sei die CDU zufrieden: „Es ist etwas besser als vor fünf Jahren.“ Damals waren sieben Ortsvorsteher-Posten an die SPD gegangen und drei an die CDU. Den Wechsel in Rheingönheim zu Wilhelm Wißmann (CDU) hat es ja erst später gegeben. Die dadurch entstandene Verteilung von 6:4 (SPD:CDU) ist nun geblieben. Aber es gab zwei spektakuläre Wechsel – hier haben SPD und CDU getauscht. In der Gartenstadt löst Andreas Rennig (55, SPD) nach 20 Jahren den Amtsinhaber Klaus Schneider (75, CDU) ab. „Das tut weh. Schneider tut einem leid, denn er hat viel gemacht. Aber so ist Demokratie“, meinte Jöckel. Ganz anders sah das SPD-Stadtverbandschef David Guthier (29): „Wir haben gegen den Amtsinhaber mit sehr deutlichem Vorsprung gewonnen.“ Guthiers Gesamtbilanz: „Wir sind insgesamt zufrieden.“ Dabei muss er in Ruchheim verdauen, dass dort seine Parteifreundin Heike Scharfenberger (57) nach 15 Jahren das Amt gegen Dennis Schmidt (26, CDU) verloren hat. Zu den Gründen konnte Guthier am Stichwahlabend nichts sagen. Er betonte aber, dass Heike Scharfenberger „15 Jahre lang einen engagierten und sehr guten Job in Ruchheim gemacht hat“. Bei der Wahl habe sicherlich die Verkehrsproblematik in Ruchheim eine Rolle gespielt, „wo viel auf Frankenthaler Gemarkung spielt“, sagt Guthier. Jöckel hingegen war von Ruchheim begeistert: „Eine klare Sensation.“ Das bekräftige der CDU-Fraktionschef im Stadtrat, Peter Uebel: „Ruchheim ist Wahnsinn. Ein richtiger Glücksmoment! Gartenstadt – das tut weh.“

Friesenheim: 34 Stimmen mehr

„Same procedure“ – Günther Henkel (61, SPD) zitierte am Sonntagabend immer wieder den Klassikerspruch aus dem berühmten Silvester-Sketch „Dinner for one“. Also: die gleiche Prozedur – wie vor fünf Jahren. Damals hatte er 75 Stimmen mehr als Rivalin Constanze Kraus (CDU), diesmal beträgt der Vorsprung auf Thorsten Ralle (52, CDU) sogar nur 34 Stimmen. „Schade, in Friesenheim soll es irgendwie nicht sein“, meinte Jöckel. Henkel nahm’s recht gelassen. Besonders herzlich drückte er am Sonntagabend sogar Constanze Kraus. Denn 2014 war es ja zu einem tragischen Übermittlungsfehler bei den Daten gekommen, sodass die CDU-Kandidatin zunächst die Nase vorne hatte und dann doch nur für einen Tag Ortsvorsteherin war. Ein solches Wellenbad der Gefühle blieb den Friesenheimern dieses Mal erspart. Alles gut, hieß es gestern im Wahlausschuss. Zum Glück hat sich die gleiche Prozedur 2019 nicht in allen Facetten wiederholt.

x