Ludwigshafen Liebesbotschaft in Grau

In dem Gesang der britischen Sängerin Julia Biel ist etwas Fragiles, eine angeraute Schönheit, die jederzeit zu zerbrechen droht
In dem Gesang der britischen Sängerin Julia Biel ist etwas Fragiles, eine angeraute Schönheit, die jederzeit zu zerbrechen droht.

Früh wurde sie mit Billie Holiday verglichen, was Julia Biel auch Einladungen zu Jazzfestivals einbrachte. Aber eigentlich ist die aus London stammende Sängerin eher eine Singer/Songwriterin, allerdings eine mit einer ganz außergewöhnlichen Stimme. In Ludwigshafen war sie mit ihrer Band zu Gast – ihr Gitarrenkoffer kam allerdings zu spät an.

Mit dem Brexit hatte dies definitiv nichts zu tun. Dessen Auswirkungen bekommen wir erst ab April zu spüren. Schuld war British Airways: Die Fluggesellschaft hatte Julia Biels Gitarrenkoffer nicht mitgenommen und mit einem späteren Flieger nachgeliefert. Er traf zwar kurz vor Konzertbeginn in Ludwigshafen ein, aber für einen Soundcheck war es zu spät. So konnte sich die Sängerin in der ersten Konzerthälfte nur am Piano begleiten. Es war auch kein Steinway, der da auf der Bühne des Dome stand, des Konzertclubs im Haus, sondern ein klanglich bescheideneres Klavier, das es nun mit einem ausgewachsenen Drumset und einem E-Bass aufnehmen musste. Das verlieh dem Auftritt lange Zeit eine gewisse Unwucht. Das rockbetonte Schlagzeugspiel von Ayo Salawu überlagerte oft die Klavierbegleitung, der Bass von Kevin Toublant grummelte eher filigran, und dazwischen suchte die Stimme von Julia Biel nach Orientierung. Im zweiten Set, als endlich die Gitarre zum Einsatz kam, war dies deutlich besser. Auf die Stimme kommt es hier nämlich an. Die ist so besonders, dass sie der britischen Sängerin mit deutscher Mutter und südafrikanischem Vater früh Anerkennung einbrachte. Nicht nur mit Jazzikone Billie Holiday wurde sie verglichen, sondern auch mit Nina Simone, Norah Jones, Joan Armatrading, Amy Winehouse oder Tracey Thorn. Dass hier stilistisch ganz unterschiedliche Vokalistinnen zusammenkommen, liegt vermutlich daran, dass Julia Biel irgendwie in keine Schublade passt. Zu Beginn ihrer Karriere wurde sie unter dem Jazzlabel geführt. Sie war an der Uni in Oxford Mitglied einer Jazzband, und in ihrem Gesang war schon immer etwas Fragiles, Brüchiges, eine angeraute Schönheit, die jederzeit zu zerbrechen droht. Wie ein improvisierender Jazzsaxophonist moduliert sie jeden Ton, verändert den Ausdruck, wechselt die Tonlagen und verlagert das melodische Geschehen in die Kopfstimme. Ihre Songs gehören trotz ihrer jazzigen Freiheiten eher ins Feld von Folk, Pop und Soul. Mainstreampop zum Reinkuscheln ist es jedenfalls nicht, immer kann etwas Überraschendes passieren. Vor allem wenn die 42-Jährige zur E-Gitarre greift, wirkt sie wie eine schräge Singer/Songwriterin, die ihre Themen auf der melancholischen Seite des Lebens findet, immer vom Schatten des Todes gestreift. Die Krebserkrankung der Schwester hat sie die wunderbar anrührende „Hymn to the Unknown“ schreiben lassen, ein sanfter Song, erfüllt von tiefem Schmerz. Wenn sie von Liebe erzählt, schwingt immer die Angst vor dem Verlust mit. „Loveletters and Other Missiles“ hat sie ihr vorletztes Album betitelt. Zwei Songs aus diesem Album von 2015 hat sie in Ludwigshafen im Programm, das eine bunte Mischung aus älteren Stücken und Brandneuem bietet. Mit Nina Simones „Feeling Good“ gibt’s zum Abschluss einen geradezu ausgelassenen Song. Aber solch groovebetonte Munterkeit ist bei ihr die Ausnahme. „You Can Turn a Rainbow Grey“ hat sie kurz davor gesungen, da geht es um einen nicht so lebenslustigen Typen, und das passt besser zur Stimmung auf der brexitbedrohten Insel. Die ist ja auch eher grau als regenbogenbunt.

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