Ludwigshafen Krieg der Väter und Söhne

Probe für die neue Verdi-Produktion: Irakli Kakhidze (sitzend) und der Opernchor.
Probe für die neue Verdi-Produktion: Irakli Kakhidze (sitzend) und der Opernchor.

Ein spannendes Stück Musiktheater verspricht die nächste Neuproduktion des Nationaltheaters. „Ernani“ gilt als der große künstlerische Wurf aus Verdis frühester Schaffensphase. Dirigent ist Benjamin Reiners, die Inszenierung besorgt Yona Kim. Die koreanische Regisseurin hat in Mannheim in der vergangenen Spielzeit Schumanns „Genoveva“ erfolgreich in Szene gesetzt. Premiere ist heute im Opernhaus.

Die in Wien und in Heidelberg lebende Yona Kim zählt zu den aktuell vielgefragten Opernregisseuren. Sie wirkt auch als Librettistin und ist unter anderem Textautorin von Adriana Hölszkys Ende Mai 2014 in Mannheim uraufgeführter Dostojewskij-Vertonung „Böse Geister“. Aus dem Leservotum der Fachzeitschrift „Opernwelt“ ist Kim als Regisseurin des Jahres 2017 hervorgegangen. Literarische Vorlage für Verdis 1844 in Venedig uraufgeführte Oper war Victor Hugos Drama „Hernani“, dessen Premiere 1830 in Paris zu den wüstesten Skandalen der Theatergeschichte gehört. Hugo zielte auf eine neue Theaterästhetik der Befreiung von den Fesseln der klassizistischen Tradition. In seinem Theater sollte „die Wirklichkeit in ihrer ganzen Tiefe“ erscheinen, sollten das Erhabene und das Niederträchtige, das Schöne und das Hässliche, Verwegene und Groteske unvermittelt nebeneinander stehen. Es handelte sich um die Geburt des romantischen Dramas – und auch um einen in aller Heftigkeit ausgetragenen Generationenkonflikt zwischen den jungen Romantikern und den Klassikern. Themen des „Hernani“ sind die „kastilische Ehre“ (so der Untertitel) mit ihrem starren Sittenkodex, bedingungslose Liebe, rasende Eifersucht und grausame Rache. Im Zentrum steht die Liebe einer spanischen Edeldame und eines Räuberhauptmanns allerdings ebenfalls adliger Herkunft. Neben dem noblen Briganten werben um Dona Sol – in der Oper Elvira – auch König Carlos I., der schließlich großzügig verzichtet, und ihr betagter Vormund, Herzog Silva, der am Ende blutige Rache übt. In seiner Hochzeitsnacht mit Elvira muss Ernani, um einen Schwur einzuhalten, sich selbst töten auf Geheiß des unerbittlichen Silva, der ihn einmal vor seinen Verfolgern versteckt hat. Verdis Vertonung bereichert Hugos Schauspiel durch eine weitere Dimension. Sie zieht den Zuhörer unwiderstehlich in ihren Bann durch ihren musikalischen Erfindungsreichtum, den betörenden lyrisch-dramatischen Impetus ihrer strömenden Melodien und die Urgewalt der aufpeitschenden Rhythmen. In „Ernani“ klingt schon deutlich der neun Jahre spätere „Trovatore“ an, während Silvas verhängnisvolles Hornsignal, das Ernani in den Tod schickt und in der Oper wie ein finsteres Motto mehrfach ertönt, Monterones Fluch aus „Rigoletto“ vorwegnimmt. Mit „Ernani“ stellt Yona Kim ihre vierte Verdi-Inszenierung vor. Zum Musiktheater des Komponisten, bekennt die Regisseurin, habe sie eine sehr enge persönliche Beziehung. Bei „Ernani“ geht es ihr hauptsächlich um die Ausgestoßenen der Gesellschaft, denen sie die Titelgestalt zuzählt: den Spross einer adligen Familie, der sich als Anführer einer Räubertruppe außerhalb des Gesetzes stellt, um seinen auf Befehl des Königs hingerichteten Vater zu rächen. Ebenfalls ein zentrales Thema bildet nach Ansicht der Regisseurin eine Gesellschaft, die Außenseitern keine Chance lässt. Ihre Aufgabe sieht Kim nicht im Nachbuchstabieren von Francesco Maria Piaves Libretto. Ihr Anliegen sei vielmehr, aus Musik und Text eine Erzählung zu gewinnen. Auch solle man sich von der Schönheit der Musik nicht verführen lassen, ihrem Zauber nicht erliegen. „Hinter der wunderschönen Fassade“, sagt Kim, „steht eine erschreckend grausame Geschichte. Der Widerspruch zwischen den beiden Sphären ist extrem spannend. Darauf muss ich als Regisseurin eingehen.“ Wichtig erscheint Yona Kim bei „Ernani“ auch die fragmentarische Dramaturgie dieser Oper, die sie bei ihrer Inszenierung ebenfalls berücksichtigen wolle. Für diese sei von entscheidender Bedeutung der Generationenkonflikt, Kim spricht von einem „Generationenkrieg“, zwischen dem jungen, heißblütigen Ernani auf der einen Seite sowie dem machtbewussten König und dem verknöcherten alten Silva auf der anderen. Zwischen den dreien stehe Elvira als Objekt ihrer Begierde. Als Modell für diese Aspekte, sagt die Regisseurin, komme weder das Spanien der Handlungszeit 1519 noch Hugos französisches, Verdis italienisches 19. Jahrhundert oder unsere Gegenwart in Frage. Herbert Murauers Ausstattung setze nicht auf konkrete Abbildungen irgendwelcher Epochen. Stattdessen solle sie Zeichen setzen für Assoziationen. Termine Premiere heute um 19 Uhr im Opernhaus des Mannheimer Nationaltheaters; weitere Vorstellungen am 4., 9. und 29. März; am 6. und 11. April; am 16. und 19. Juni sowie am 1. Juli.

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