Ludwigshafen Knallhart und mit Krawallbürste

Ein Künstler mit Humor: Gordon Kampe in Ludwigshafen.
Ein Künstler mit Humor: Gordon Kampe in Ludwigshafen.

Hätte Gordon Kampe nicht seinen Kopf in einen Verteilerkasten gesteckt und einen elektrischen Schlag bekommen, vielleicht wäre er noch heute in seinem erlernten Beruf als Elektriker tätig. Stattdessen ist er einer der großen Komponisten Neuer Musik. Das Porträtkonzert im BASF Gesellschaftshaus stellte den Künstler vor.

Eigentlich ist „ernste Musik“ ein dummer Begriff. Da klingt das ganze steifstaubige Akademikertum mit, das sich von der Popkultur unbedingt abgrenzen will. Gordon Kampe ist das offenbar herzlich egal. „Ich mag Zombie-Filme“, sagt er, als er eine bestimmte Stimmung in einem seiner Stücke erläutern will. Er merkt aber auch, dass Moderator Patrick Hahn und ein großer Teil des Publikums ihn ziemlich verdutzt angucken. Die Musiker des Ensemble LUX:NM dagegen schmunzeln. Hahn hatte gefragt, warum der Komponist so seltsame Anweisungen in seine Partituren schreibt. Da liest man zum Beispiel „zwirblig geschlabbert“, oder „wild, krass, mit tüchtig Schmackes“ oder „knallhart und mit Krawallbürste“. Und irgendwo soll auch mal etwas bedrohlich wummern und sich hinschleppen wie Zombies. Ein Gespräch mit dem Komponisten fand im Rahmen des Konzerts zwar statt, das aber war recht kurz und blieb leider an der Oberfläche. Zu gerne hätte man am Beispiel der Stücke des Abends erfahren, was sich der Künstler beim Schreiben vorgestellt hat, warum seine Musik so und nicht anders klingt. Das wäre bestimmt auch recht unterhaltsam geworden, denn Kampe hat Humor und weiß sich auszudrücken. Er hat eine Kolumne in der Neuen Musikzeitung, in der der promovierte Musikwissenschaftler kurz und knackig Kommentare zur Situation der Neuen Musik gibt. Als er im Radio hörte, man wolle „dem Publikum die Angst vor Neuer Musik nehmen“, antwortete er, das dort gemeinte Publikum habe keine Angst vor Neuer Musik, es finde sie einfach schrecklich. Und wie hört sich Kampes Musik an? Leute, die tagsüber „die besten Hits“ des Dudelfunks hören, werden sich mit ihr nicht wohlfühlen. Popmusik ist das nicht, aber auch keine formal streng durchkalkulierte Atonalität. Vieles erinnert an filmische Erzählungen, anderes an Collagen und Klanglandschaften. „Ich amalgamiere alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist“, sagt Kampe. In einem Porträtfilm, den man auf Youtube findet, sieht man ihn mit einem Aufnahmegerät Umweltgeräusche aufnehmen, die er auf Instrumente und Noten überträgt. In seinen Stücken sind an diesem Abend auch Einspieler von Stimmen zu hören, die er bei Proben eines Kirchenchors aufgenommen hat. Jahrelang hat er einen Laienchor geleitet und sonntags Orgel gespielt. Inspiration findet der 43-Jährige in der Alltagswelt um sich herum und im Kino. „Füchse/Messer“, das an diesem Abend gespielt wurde, ist einer der „Träume“ aus dem gleichnamigen Film Akira Kurosawas. „Knapp“, mit dem der Abend eröffnet wurde, ist ein Zyklus von Miniaturen für Baritonsaxophon, Kontrabassklarinette, Akkordeon und zwei Celli. Und da hält ein Cellist einen metallenen Schneebesen auf den Steg seines Instruments und streicht ihn mit dem Bogen, was seltsame Töne ergibt. Klänge und Texturen in Kampes Musik laden zu Assoziationen ein. Alte Formen klassischer Musik hält er nicht für überholt. „Kennen Sie im `Seewolf`, die Szene, in der Raimund Harmstorf eine rohe Kartoffel zerquetscht? So will ich da rangehen. Ich finde, da steckt noch etwas drin, das man rauspressen kann“, erklärte Kampe im Gespräch. Ein wesentlicher Einfluss für Kampe ist Musik von Franz Schreker (1878-1934), dessen Lieder die Sopranistin Anne Davidson mit dem Ensemble interpretierte.

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