Ludwigshafen „Jeder Tag kann der letzte sein“

Die Gespräche zwischen Morrie (Rolf Schüler-Brandenburger) und Mitch (Timo Effler) verändern beide.
Die Gespräche zwischen Morrie (Rolf Schüler-Brandenburger) und Mitch (Timo Effler) verändern beide.

Interview: Der Tod ist immer noch tabu. Am internationalen Tag des Hospizes soll das einmal nicht so sein. Der Ambulante Hospiz- und Palliativdienst in Schifferstadt würdigt diesen mit dem Stück „Dienstags bei Morrie“, aufgeführt vom Speyerer Zimmer Theater. Dessen Leiter Timo Effler und Angela Greschner vom Hospizdienst erzählen im Gespräch, warum das Stück dem Tod das Grauenhafte nimmt.

Frau Greschner, in dem Stück besucht Mitch Albom seinen ehemaligen Professor Morrie, der dem Tod geweiht ist. Bei den Begegnungen führen sie mitunter tiefgreifende Gespräche. Sollte so eine Sterbebegleitung aussehen?Greschner:

So kann eine Bilderbuch-Sterbebegleitung aussehen, denn es geht um die grundlegenden Fragen des Lebens. Zwischen den beiden findet ein Austausch auf Augenhöhe statt. Und darum geht es auch bei der Sterbebegleitung. Die Ehrenamtlichen sind ganz normale Menschen, sie bringen ein Stück Normalität in den Alltag. Das ist etwas sehr Wichtiges bei der Begleitung. Und es geht oft auch lustig zu wie bei Mitch und Morrie. Der Tod ist oft bei den Begleitungen nicht so präsent. Ist die Rolle des Sterbebegleiters so eine Art Katalysator, um sich mit solchen essenziellen Fragen auseinanderzusetzen? Greschner: Nun, es braucht viel Fingerspitzengefühl, Dinge beim Namen zu nennen und zu wissen, was der Situation angemessen ist. Darum kann man das nicht pauschal beantworten. Jeder Fall ist einzigartig. Haben Sie persönlich mal so etwas Ähnliches erlebt, was zwischen Mitch und Morrie geschieht? Greschner: Ja, mit meinem Vater, aber auf nonverbale Weise. Wir sind im Frieden auseinander gegangen, das war nicht immer so. Das war sehr bereichernd. Gibt es typische Verhaltensweisen bei Sterbenden? Greschner: Es gibt in der Hospizarbeit eigentlich alles. Es gibt Menschen, die bis zum Schluss nicht wahrhaben wollen, dass sie sterben. Oder Menschen, die sich gar nicht mir dem Thema Tod auseinandersetzen, andere resümieren und gehen gefasst. Das ist ganz unterschiedlich. Kann man sich überhaupt schon zu Lebzeiten mit dem Tod arrangieren? Greschner: Genau darum geht es bei dem internationalen Tag des Hospizes: den Tod wieder mehr in die gesellschaftliche Debatte zu bringen. Der Tod wird in unserer Gesellschaft verdrängt. Erst wenn man davon betroffen ist, setzen sich die meisten damit auseinander. Ist es dann zu spät? Greschner: Meine Meinung ist, jeder sollte sich frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzen. Ich glaube, dass dadurch die Lebensqualität eine andere wird. Man lebt intensiver und bewusster, wenn man vor Augen hat, dass der Tod kommt. Ist das auch Ihre Erfahrung? Greschner: Ich habe mich schon sehr früh mit dem Tod auseinandergesetzt. Meine Initialzündung war, als die Freundin meines Sohnes mit drei Jahren an Leukämie erkrankte und mit acht Jahren gestorben ist. Unsere Familie hat das hautnah miterlebt und das hat uns geprägt. Ich habe nun auch zwei nahe Angehörige verloren. Es vergeht eigentlich kein Tag, an dem mir nicht bewusst ist, dass das mein letzter Tag sein könnte. Besonders in sehr stressigen Zeiten. Das erdet einen, man sieht die Dinge gelassen. Das ist eine wertvolle Erkenntnis. Herr Effler, Sie sind jung, haben einen kleinen Sohn. Das Thema Tod ist wahrscheinlich ganz weit weg. Wann haben Sie sich das erste Mal damit auseinandergesetzt? Effler: Tatsächlich erst bei den Vorbereitung auf die Rolle des Mitch Albom. Persönlich musste ich mich zum Glück noch nicht damit auseinandersetzen. Aber hier ging es ja darum, was geschieht, wenn man sich immer wieder mit jemandem trifft, von dem man weiß, er wird sterben. Da war es gar nicht so einfach, das auf der Bühne darzustellen. Ich musste mich mit dem Sterben und der Endlichkeit auseinandersetzen. Das Buch beschreibt die 14 Treffen der beiden. Gab es besondere Herausforderungen bei der Inszenierung? Effler: Eigentlich ist das dramaturgisch kaum möglich, das Buch umzusetzen, aber es gab bereits eine gut umgesetzte Theaterversion, in der die Geschichte stark verdichtet wurde. Wir hatten ein Regie-Team um Nicole Kaufmann und Mate Irrniss, Die haben das Buch sensibel bearbeitet. Ein Aspekt war dabei, den Text zu „entamerikanisieren“. An gewissen Stellen trieft dieser nur so vor Kitsch. Auch war es wichtig, nicht so einen pädagogischen Anspruch zu vertreten. Das macht der Morrie auch nicht. Wenn man mit erhobenem Zeigefinger auf der Bühne steht, erreicht man nur das Gegenteil. Und das macht das Theaterstück nicht, es hat so eine Leichtigkeit, es wird viel gelacht, der Tod ist gar nicht so sehr das Thema. Es ist ein Stück, was immer wieder berührt. Warum? Effler: Ein Grund ist sicherlich, dass Mitch sich charakterlich entwickelt. Er ist von seiner inneren Haltung am Ende dort, wo er am Anfang vor dem Studium bei Morrie war. Oberflächlich ist er ja mit seinem Job als Sportreporter, der ihm Spaß macht, sehr erfolgreich. Aber er erkennt mehr und mehr, dass er getrieben ist. Nach den Gesprächen hat er die Musik, die er einst so liebte, wieder für sich entdeckt. Im wahren Leben – das Buch beruht auf einer wahren Geschichte – spielt Mitch Albom nun in einer Rockband und ist Autor. Das passiert wohl in vielen Lebensverläufen: Man hat als junger Mensch viele Träume, dann zieht es einem in eine Bahn und man schaut nicht mehr nach rechts und links. Effler: Genau. Seinen Fokus auf etwas zu richten, ist ja ein Lebenskonzept, dass grundsätzlich nicht zu verteufeln ist. Es ist nur schlecht, wenn man es nicht bewusst macht. Und dann, wie Mitch, bemerkt, dass einem etwas fehlt, etwas auf der Strecke bleibt. Fatal wäre es vor allem, wenn diese Erkenntnis einem erst auf dem Totenbett kommt. Gibt es Dinge, die Sie unbedingt noch machen möchten? Greschner: Ich habe auf dem Filmfestival den Film „Weit“ gesehen. Zwei Menschen sind zu zweit zu Fuß um die Welt gereist, wollten nur fünf Euro ausgeben und nicht fliegen. Das hat mich sehr beeindruckt. Das würde ich gern machen, sobald es möglich ist. Im Moment geht es noch nicht. Effler: Ich habe im vergangenen Jahr die künstlerische Leitung des Zimmer Theaters in Speyer übernommen. Ich bin kreativ und das liegt mir, so gesehen habe ich ein Stück Erfüllung gefunden. Ich habe mir vorgenommen, in solchen Entscheidungen auch künftig konsequent zu sein. Eine letzte Frage: Mit welcher Erkenntnis sollten die Zuschauer im Idealfall aus dem Stück gehen? Greschner: Dass der Tod nichts Grauenhaftes ist, wenn man schmerzfrei sterben darf. Dass er zum Leben dazugehört und seinen Schrecken verliert. Ich wünsche mir, dass sich die Menschen von dem Stück berühren lassen. Dass sie sich danach fragen: „Ist mein Leben so, wie es ist, gut für mich?“ Effler: Es gibt ein gutes Zitat im Stück, das Morrie zu Mitch sagt, und dass es ganz gut zusammenfasst: Zu Sterben ist eine Sache, über die man traurig sein kann. Unglücklich zu leben, ist eine ganz andere. Das ist das Thema. Jeder Tag kann der letzte sein. Und dann ist es verdammt ärgerlich, wenn man feststellt, dass man nur unnötiges Zeug gemacht hat. Man sollte bewusst und wertschätzend mit sich und mit anderen umgehen. Auch Morrie hadert, bereut Dinge, die er getan hat. Aber er kann da einen Strich darunter machen. Es wäre schön, wenn auch die Besucher ihre Lebenskonstanten reflektieren. Sich fragen: „Ist es das, was mich glücklich macht?“

Termin

Am Donnerstag, 4. Oktober, 20 Uhr, wird das Stück „Dienstags bei Morrie “ im protestantischen Gemeindezentrum Gustav-Adolf-Kirche, Lillengasse 99, aufgeführt. Einlass: 19 Uhr. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.

A. Greschner
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T. Effler
T. Effler
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