Ludwigshafen Irgendwie irritierend

Rund 160 große und kleine Zuschauer haben am Samstag im BASF-Gesellschaftshaus in Ludwigshafen die Uraufführung des Musiktheaterstücks „Sechse kommen durch die ganze Welt“ erlebt. Ob mit der auf dem Märchen der Gebrüder Grimm basierenden Inszenierung die Zielgruppe von fünf- bis achtjährigen Kindern erreicht worden ist? Das ist ziemlich fraglich.

Aus Berlin stammen sowohl das Kammerensemble Lux:NM als auch das Libretto. Das schrieb die stellvertretende Chefdramaturgin der Deutschen Oper, Dorothea Hartmann, für zwei Schauspieler. Im Gesellschaftshaus waren dies der in Berlin und Hamburg zugleich verortete Christian Senger und der in München lebende Österreicher Christoph Theussl. Nicht nur im steten Wechsel zwischen den mehr als sechs Rollen während der knapp 45-minütigen Darbietung waren die beiden dauerbeschäftigt. Auch sorgten sie mit Erzählpassagen und Ausflügen von der ebenerdig im Halbkreis arrangierten Bühne ins Publikum für die Erfüllung der Ansprüche des Epischen Theaters. Passend dazu die musikalische Begleitung: Das Kammerensemble Lux:NM trägt die „Neue Musik“ schon als Abkürzung im Namen. So verschreibt sich die im Gesellschaftshaus sechs- und insgesamt neunköpfige undirigierte Gruppe von Akkordeon und Percussion über Violoncello bis hin zu Posaune und Klavier dem etwa 1910 einsetzenden Ausbruch aus den konventionellen Formen der Musik. Zusammenfassen lässt sich die Neue Musik vielleicht so: Dissonanzen statt Harmonien, Auflösung der Dur-/ Moll- Dichotomie, weg von grundtonfixierten, hierarchischen Acht-Ton-Leitern hin zu zwölf Tönen. Die vermeintlichen Anarchisten der Neuen Musik schreiben aber auch neue Zwänge vor: So herrscht das allgemeine Diktat, dass alle zwölf Töne gleichberechtigt in Kompositionen aufzutreten haben, um im Ohr des Zuhörers bestmöglich mit angestaubten Konventionen zu brechen und somit: zu irritieren. Naheliegend ist es da, neben erklärten Freunden des Genres kleine Kinder mit Tonführungen zu konfrontieren, die mit Melodik – bis auf einige, refrainartige Wiederholungen – nichts mehr gemeinsam haben. Dem Durchschnittserwachsenen bleiben diese Tonfolgen nicht im Ohr, eben weil sie nicht seinem auf Harmonik getrimmten Musik-Kontext entsprechen. Kindern wird aufgrund ihrer fehlenden Lebenserfahrung von Künstlern gerne unterstellt, unvoreingenommen auf Dinge zuzugehen. So ließen es die Akteure auf der Bühne ordentlich krachen: Die Schauspieler agierten wie Clowns und markierten vor allem mit unterschiedlichen Kopfbedeckungen ihre Rollenwechsel. Wenn der „Frostmann“ sein Hütchen gerade setzte, mussten sogar die Musiker vor Kälte schlottern und dicke Wintermützen aufziehen. Bei all der geballten musiktheoretischen und -pädagogischen Professionalität lässt sich schwer beurteilen, ob das vom Komponisten Gordon Kampe im Auftrag der BASF vergangenes Jahr fürs Kammerensemble umgeschriebene ursprüngliche Orchesterwerk eigentlich beim Publikum ankam: Sehr laut, dissonant beziehungsweise atonal war es von Anfang an. Es trieb bereits nach 25 Minuten die erste Familie mit zwei Kindern, den eilig schreitenden Vater voran, zum Ausgang. Andere Mädchen und Jungen saßen mit offenen Augen und Mündern auf den Schößen ihrer Eltern oder Großeltern.

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