Rhein-Pfalz Kreis Interview: "Elterntaxis sind eine der größten Gefahren"

Wenn Kinder auf dem Schulweg zwischen parkenden Autos hindurchhuschen, um über die Straße zu gehen, kann es schnell gefährlich w
Wenn Kinder auf dem Schulweg zwischen parkenden Autos hindurchhuschen, um über die Straße zu gehen, kann es schnell gefährlich werden. Aber auch an Zebrastreifen werde es häufig brenzlig, sagt Polizistin Martina Hammer. Sie berichtet von Situationen, bei denen Autofahrer einfach nicht angehalten hätten. »Das erleben wir leider immer wieder«, sagt sie.

Interview: Auch wenn es viele Kinder nicht hören möchten – die Sommerferien sind schon zur Hälfte vorbei. In drei Wochen geht die Schule wieder los. Dann machen sich auch viele Erstklässler auf den Schulweg. Dort lauern Gefahren. Deshalb sollten Eltern die Strecke mit ihren Kindern vorher trainieren, sagen Martina Hammer und Marc Klenk von der Polizeiinspektion Schifferstadt. Es hilft vor allem: üben, üben, üben.

Frau Hammer, darf man den Kindern heutzutage die Freiheit lassen, auf dem Schulweg mal zu trödeln – oder sollten sie das nicht mehr dürfen?Martina Hammer:

Ich denke, das ist eine Sache, die die Eltern entscheiden müssen. Trödeln ist schon erlaubt, aber nur in einem gewissen Rahmen. Ihre Beobachtungen: Wie hat sich das Verhalten der Kinder auf dem Schulweg im Laufe der Jahre verändert? Hammer: Heute ist es eher der Trend, dass die Kinder von den Eltern gefahren werden und nicht selbstständig zur Schule gehen. Da wird es schwierig, das heutige Verhalten der Kinder auf dem Schulweg zu beurteilen. Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, ist eigentlich niemand mit dem Auto zur Schule gekommen, wir sind alle gelaufen oder mit dem Fahrrad gefahren. Marc Klenk: Was man jedoch beobachten kann, ist, dass die Verkehrsschulungen erfreulicherweise Früchte tragen. Die Kinder nehmen heute eher einen Umweg in Kauf, um sicher über die Straße zu kommen, anstatt den kürzeren Weg zu wählen. Im Moment sind noch Sommerferien, aber bald kommen wieder viele Abc-Schützen in die Schule. Wie können Eltern mit ihren Kindern den Schulweg trainieren? Hammer: Man sollte möglichst einen Schulweg festlegen und dabei bedenken, dass der kürzeste Weg nicht immer der sicherste ist. Es ist auch wichtig, einzelne Situationen auf dem Schulweg zu trainieren, wie Ampeln überqueren oder einen Zebrasteifen passieren. Den Weg gemeinsam abzulaufen, hilft schon viel. Eine Idee ist auch ein Rollentausch. So sieht man, ob das Kind alles verstanden hat. Dabei soll das Kind die Eltern zur Schule und wieder zurück führen. Außerdem sollte man dem Kind natürlich verständlich machen, dass es nicht mit Fremden mitgehen darf. Das ist ein unheimlich wichtiges Thema. Das sage ich auch als Mutter von drei Kindern. Für Kinder ist das sicher eine große Herausforderung: So viel Neues, die Schule, die Aufregung und Nervosität. Wie kann man ihnen diese Angst nehmen? Hammer: Der Schulweg beginnt ja eigentlich schon am Abend davor. Der Ranzen sollte schon gepackt sein. Am Morgen sollten die Kinder dann rechtzeitig aufstehen, damit sie in Ruhe frühstücken, sich anziehen und rechtzeitig losgehen können. Denn wenn man es auf dem Schulweg eilig hat, ist man nicht vorsichtig genug. Klenk: Die Eltern können anfangs auch den Schulweg mitlaufen. Irgendwann sollte der Schulweg dann nichts Neues mehr sein. Gerade wenn man die Kinder gut vorbereitet hat, brauchen sie keine große Angst zu haben. Auf was müssen die Kinder im öffentlichen Verkehr besonders achten, wo lauern die meisten Gefahren? Hammer: Das ist sehr unterschiedlich und abhängig vom Wohngebiet, in dem man lebt. Häufig stellen tatsächlich Zebrastreifen eine große Gefahr dar. Als wir zum Beispiel mal mit einer Kindergartengruppe den Weg über den Zebrastreifen geübt haben, haben ein paar Autofahrer einfach nicht angehalten. Das erleben wir leider immer wieder. Ansonsten sind viel befahrene, zugeparkte und somit unübersichtliche Straßen gefährlich. Klenk: Bei Straßenübergängen und -überquerungen generell sollte immer Vorsicht geboten sein. Durch parkende Autos oder Ähnliches werden Kinder schnell verdeckt und man kann sie so nicht rechtzeitig sehen. Was sollten Kinder für den Schulweg anziehen, auch jetzt im Sommer? Klenk: Optimal sind Warnwesten, helle Kleidung, Reflektoren am Schulranzen, an Armen und Beinen, damit man sie besser sehen kann. Ab wann ist es ratsam, mit dem gemeinsamen Ablaufen des Schulweges zu beginnen, und wie oft sollte man das zusammen üben? Hammer: So früh wie möglich. Ideal ist es, wenn man das Kind schon über einen längeren Zeitraum an den Straßenverkehr im Alltag gewöhnt, sodass es sich sicher fühlt und nicht ängstlich ist. Grundsätzlich soll man eine geraume Zeit vor dem ersten Schultag mit dem Üben anfangen. Da ja gerade Ferien sind, ist es schwierig, den Schulweg unter Realbedingungen zu üben. Wie kann man das am besten machen? Klenk: Trotz der Ferien kann man morgens zur Berufsverkehrszeit um etwa 8 Uhr den Schulweg trainieren, da ist ja trotzdem viel los auf den Straßen. Dadurch sind die Bedingungen so realitätsnah wie möglich. Und wenn sich die Kleinen auf dem Nachhauseweg doch mal verzetteln? Wie geduldig müssen Eltern sein, bevor sie sich Sorgen machen? Hammer: Das ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Die Eltern kennen ihre Kinder selbst am besten und können einschätzen, ab welchem Zeitpunkt es eher untypisch für ihr Kind ist, dass es noch nicht zu Hause ist. Ich selbst verlasse mich auf mein Bauchgefühl. Wenn mein Kind nach einer halben Stunde Verspätung immer noch nicht zu Hause ist, würde ich den Schulweg selbst ablaufen und auch auf Alternativwegen Ausschau halten. Klenk: Zusätzlich kann man auch noch die Eltern der Freunde des Kindes anrufen und dort nachfragen, ob das Kind vielleicht bei ihnen aufgetaucht ist. Wie schätzen Sie die Problematik mit den sogenannten Elterntaxis ein und was kann man dagegen tun? Hammer: Die Elterntaxis sind mit einer der größten Gefahren für den Schulverkehr. Durch ständiges Wenden oder Parken mitten auf dem Bürgersteig blockieren sie die Wege und die Situation wird damit noch unübersichtlicher, als sie schon ist. Das ist wirklich ein ganz großes Problem. Klenk: Die Menge der Elterntaxis macht es aus. Als Vorwand sagen viele Eltern, dass sie doch nur ganz kurz halten möchten. Wenn das aber alle tun, entsteht pures Chaos. Die Bequemlichkeit steht hier zum Teil im Vordergrund – aber das gefährdet andere Schulkinder. Hammer: Man kann ja auch einen Kompromiss finden und zum Beispiel vereinbaren, dass man das Kind bis zu einem ruhigeren Platz fährt und es von dort aus die restlichen 300 Meter zu Fuß zur Schule geht. Das sollte dem Kind nicht schaden. Klenk: Wir wollen auch gar nicht kritisieren, dass die Kinder mit dem Auto zur Schule kommen, da es oft nicht anders geht. Es geht nur um das Halten mitten auf der Straße, was wirklich sehr gefährlich ist. Dagegen tun kann man leider nicht viel, außer jemand verstößt in einer Situation gegen die Straßenverkehrsordnung. Hier arbeiten wir eng mit den Ordnungsbehörden vor Ort zusammen. Hammer: Wir können nur immer wieder an die Eltern appellieren. Man sollte einfach immer wieder bedenken, dass sein eigenes Kind auch zur Schule geht und sich vor der Schule aufhält. Unfälle entstehen oft wegen mangelnder Konzentration der Kinder. Umgekehrt: Wie konzentriert sind die Autofahrer? Wissen sie, dass sie nicht allein auf den Straßen sind? Klenk: In den vergangenen Jahren haben wir im Dienstgebiet der Polizeiinspektion Schifferstadt glücklicherweise sehr wenige Verkehrsunfälle mit Kindern auf ihrem Schulweg verzeichnet. Von 2013 bis 2017 waren es insgesamt sieben, in diesem Jahr ist bis jetzt noch gar kein Unfall auf dem Schulweg passiert. Wir sind froh, dass wir damit unter dem Durchschnitt liegen und würden uns freuen, wenn unsere Arbeit dazu beigetragen hat. Es ist bekannt, dass Sie kurz nach Schulanfang an gewissen Verkehrsübergängen kontrollieren. Finden diese Kontrollen aber auch nach mehreren Wochen oder Monaten statt? Klenk: Genau, wir führen die intensiven Kontrollen verschärft in den ersten beiden Wochen des neuen Schuljahrs durch. Während des Schuljahrs kontrollieren wir aber auch regelmäßig an uns bekannten Brennpunkten. Hammer: Wir versuchen im Rahmen unserer Möglichkeiten immer wieder zu kontrollieren. Das gestaltet sich nicht immer leicht. Halten Sie den Verkehrsunterricht in den Schulen für ausreichend? Klenk: Wenn man die Unfallzahlen betrachtet, scheint der Verkehrsunterricht nicht zu wenig zu sein. Dieser beginnt im Kindergarten und hält bis zur dritten, vierten Klasse an. Da geht es dann mit dem Fahrradführerschein weiter. In der Regel sind die Kinder schon gut auf den Straßenverkehr vorbereitet. Hammer: Letztlich ist auch unsere Devise: Viel hilft viel. (lacht)

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