Ludwigshafen Innere Konflikte

„Total rassistisch“: „Willkommen“ erzählt von zwischenmenschlichen Spannungen.
»Total rassistisch«: »Willkommen« erzählt von zwischenmenschlichen Spannungen.

„Frau Müller muss weg“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz war erst ein Theater-, dann ein Filmhit. Das amüsante Stück über einen turbulenten Elternabend ist auch für Aufführungen auf kleinen Bühnen bestens geeignet. Das gilt auch für „Willkommen“. Das Drama über gruppendynamische und zwischenmenschliche Spannungen in einer Wohngemeinschaft folgt dem bewährten Muster des Autorenduos. In einer Inszenierung des Badischen Staatstheaters Karlsruhe war es nun im Theater im Pfalzbau in Ludwigshafen zu sehen.

Es beginnt harmlos. Einmal im Monat treffen sich die fünf Bewohner einer Wohngemeinschaft, um Organisationsfragen zu besprechen. Selbstverständlich wird bei dem Meeting gut gegessen und kräftig dem Alkohol zugesprochen. Mitten in dem Umtrunk eröffnet Benny (André Wagner) plötzlich den anderen, dass er für ein Jahr als Gastdozent nach New York gehen wird, und schlägt vor, sein Zimmer einer Flüchtlingsfamilie zur Verfügung zu stellen. Selbstverständlich werde er, radikaldemokratisch wie die WG nun einmal ist, von diesem Plan sofort wieder abrücken, sollte auch nur ein einziger dagegen sein. Es dauert zwar ein Weilchen, doch die Gegenstimme meldet sich. Die burschikose Doro (Lisa Schlegel) will ihr Nein erst nicht begründen, aber dann bricht ihre Abneigung in einem Redeschwall aus ihr heraus: „Weil ich arabische Männer nicht ausstehen kann“. Öffentlich würde sie ihre Meinung zwar nicht äußern, aber „diese eiskalten verächtlichen Blicke“ arabischer Männer auf der Straße seien ihr zuwider, und sie wolle weiterhin in der Wohnung nach dem Duschen nackt über den Flur laufen können. Kurz: „Da draußen kann sich ändern, was will, damit werde ich fertig. Aber hier in dieser Wohnung bleiben alle Errungenschaften des Grundgesetzes, des Feminismus, der Popkultur und des legendären entspannten badischen Naturells in Kraft.“ Nicht nur Sophie (Ute Baggeröhr), die Hauptmieterin, findet Doros Haltung „total rassistisch“. Benny, als er widerspricht, bekommt von Doro einen kräftigen Unterleibsschlag, indem sie ihm seine Homosexualität unter die Nase reibt. Die Araber würden ja noch nicht mal merken, dass er schwul sei, denn: „Die sitzen doch bei denen alle im Knast oder werden gesteinigt.“ Die aufgebrachten Gemüter beruhigen sich erst, als auch Anna (Swana Rode) mit einer Neuigkeit aufwartet. Sie sei schwanger, wisse das seit einer Woche, wisse aber nicht, ob sie das Kind und den Vater überhaupt wolle. Während sie so in einem hysterischen Anfall ihre inneren Konflikte vor den anderen ausbreitet, bricht sie in Tränen aus. Doch was liegt näher, als den Vater in Bennys Zimmer einziehen zu lassen? Der angehende Vater heißt Achmed (Heisam Abbas) und stellt sich als ein gut aussehender, äußerst sympathischer Türke aus Duisburg heraus. Nur brechen jetzt alte Wunden wieder auf, denn bevor Benny sein Coming-out hatte, war er mit Sophie zusammen, und Jonas (Jonathan Bruckmeier), dessen Musik allen auf die Nerven geht, hatte einst ein Techtelmechtel mit der jetzt schwangeren Anna. Am Ende, oder jedenfalls kurz vor dem überraschenden Ende, setzt Hauptmieterin Sophie alle vor die Tür und will syrische Flüchtlinge bei sich aufnehmen. Regisseur Nicolai Sykosch inszeniert das Stück, das der demokratischen, ach so toleranten und menschenfreundlichen deutschen Gesellschaft einen bösen Spiegel vorhält, als flotte Komödie voller witziger Einfälle und flotter Dialoge. Das zuhöchst amüsierte Publikum bedankte sich mit einem langen, heftigen Applaus.

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