Rheinpfalz Im Dabbscheedel-Feld

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„Ebbes geht immer“ – diese simple Wahrheit begeistert die Pfalz vermutlich seit Jahrhunderten. Für Spiel-Enthusiasten hat sie jetzt noch eine weitere Bedeutung. „Ebbes“ heißt ein Kartenspiel, entwickelt von Klaus Geis aus Limburgerhof. Die RHEINPFALZ am SONNTAG hat sich auf ein Duell eingelassen.

Wer nach drei Spielrunden einen flüchtigen Blick aufs Brett wirft und nur die Info hat, dass hier zwei „Ebbes“-Amateure gegen den „Ebbes“-Erfinder antreten, der weiß gleich, wer welche Farbe hat: Ein Spielstein – der von Klaus Geis – zieht einsam seine Kreise, durchwandert auf dem Spielplan, der die Pfalz darstellt, schon das Nordpfälzer Bergland, während die Steinchen der beiden Herausforderer schon gar nicht mehr in der Pfalz sind. Sie sind gen Elsass oder Lothringen abgerutscht und bewegen sich bedrohlich nahe auf das „Dabbscheedel“-Feld zu. Das liegt im Saarland. Aber noch ist nicht aller Tage Abend. „Ebbes“ geht noch! Der Spieleabend mit dem „Ebbes“-Erfinder beginnt am Abend vorher mit einer Herausforderung: der Auswahl der Schnäkereien, die dem Gast und Spieleerfinder während der Partie gereicht werden dürfen. Irgendwas, das keine fettigen Hände macht. „Das mag ich nicht, wenn die Karten und das Spielmaterial so fettig sind hinterher“, sagt Geis. Die Wahl fällt auf in Papier eingewickelte Schokobonbons und die bunte Mischung eines bekannten Gummibärchenher-stellers. Mit dieser Wahl ist der Limburgerhofer Klaus Geis sehr zufrieden, er lacht und wickelt schon das erste Schokobonbon aus. Aber natürlich ist er nicht hauptsächlich zum Naschen gekommen. Der Autor hat die zweite Auflage von „Ebbes“ dabei – noch verpackt. Seit Kurzem ist das Pfälzer Kartenspiel wieder verfügbar. Von 3000 Spielen, die die zweite Auflage umfasst, sind schon wieder 400 weg. Die erste Auflage – immerhin 2500 Stück – war ruck, zuck ausverkauft. Auf der Spielemesse in der Essener Grugahalle im Herbst 2013 war „Ebbes“ der Durchbruch gelungen. Das Spiel wurde in einer Rezension bei „Spiegel online“ – „von einer Saarländerin“, wie Geis amüsiert berichtet – als eines der besten Reise-Kartenspiele des Jahres gefeiert und verkaufte sich hinterher im Weihnachtsgeschäft wie Schwartenmagen im Kümmelweck: Geis konnte sich vor Bestellungen nicht mehr retten, die komplette erste Auflage war im Dezember vergriffen, gleichzeitig trudelten 300 Vorbestellungen für die Zweitauflage bei ihm ein. Die ist nun seit März zu haben. Nur Kleinigkeiten habe er im Vergleich zum Urspiel verändert, erzählt Geis. Hier und da optisch etwas nachgebessert – größere Zahlen auf den Karten, die Farben leicht angepasst. Mehr war auch gar nicht nötig. Seit der Essener Spielemesse kennt man „Ebbes“ weltweit. „In amerikanischen Foren unterhalten sich die Leute über das „Dabbscheedel“-Feld. Das ist Wahnsinn“, ist der 54-Jährige begeistert. In Südkorea kennt man „Ebbes“. Auch eine Anleitung auf Koreanisch hat Geis schon gesehen. „Die einzigen Wörter, die nicht übersetzt wurden sind Ebbes, Schatzebobbes und Dabbscheedel“, erzählt er begeistert. Obwohl der Auftritt in der Essener Grugahalle ein halbes Jahr her ist, sind die Eindrücke bei Klaus Geis noch so frisch, als hätte er erst vor wenigen Stunden seinen Stand abgebaut. Ob die RHEINPFALZ am SONNTAG eine Chance gegen den Autor hat? In Regelfragen gibt es jedenfalls keine Konflikte. Schließlich sitzt der Verfasser des Reglements mit am Tisch. Und natürlich verliere er auch mal bei „Ebbes“, sagt Geis bescheiden und gibt sogar Tipps: „Auch mal was riskieren, offensiv spielen.“ Gesagt, getan. Ende vom Lied: Fünf Pluskarten eingesammelt, dafür aber auch alle neun Minuskarten, die im Spiel sind, „gefressen“. Nun denn. Wenigstens wurden viele Stiche heimgebracht. So richtig voran geht es für die Herausforderer aber doch nicht auf dem Spielplan. Sondern immer weiter in Richtung „Dabbscheedel“-Feld. Neues Spiel. Wie oft er schon die Karten für „Ebbes“ gemischt hat, kann Geis gar nicht mehr sagen. Und langweilig wird’s ihm nicht? „Gar nicht. Ich spiele es immer wieder gerne“, versichert er glaubhaft. „Ebbes“ sei sein Baby, erzählt Geis, die zahlreichen Freunde, die ihm bei der Entwicklung geholfen haben, bezeichnet er liebevoll als Geburtshelfer. Diese gaben ihm Tipps und Anregungen, und vor allem: Sie spielten „Ebbes“ mit ihm. Immer und immer wieder. Fast wie Besessene? Geis grinst. Und erzählt eine Anekdote. Am Silvesterabend werden im Hause Geis traditionell die Tarot-Karten befragt. Geis zog Silvester 2012 den Teufel und dachte sich wenig dabei. Im Nachgang erscheint es ihm aber logisch. „Der Teufel steht für Von-etwas-besessen-Sein“, erzählt er. Und 2013 war Geis von „Ebbes“ besessen. Und weil er so sehr an dem Spiel hängt, es so ins Herz geschlossen hat, wird er die Rechte an „Ebbes“ auch nicht aus der Hand geben. Ja, es habe schon Anfragen von größeren Verlagen gegeben. Doch trennen mag Geis sich nicht von seinem Spiel. Er wird es weiter in seinem eigenen Verlag Palatia Spiele herausgeben. Und auch weiter mit seinen Geburtshelfern spielen und Anregungen seiner Spieler würdigen. „Ich habe eine komplett ausgearbeitet Version für ein Zweier-Spiel zugeschickt bekommen“, erzählt er. Wurmt es ihn nicht, wenn andere mit „seinem Baby“ experimentieren? Geis winkt ab. „Ich bin ein Team-Spieler.“ Ein zentrales Element des Spiels, jenes kleine „Ebbes“ im Spiel, war knifflig. Die Wertigkeit genau zu dosieren, das war schwierig, erzählt Geis. Der entscheidende Hinweis kam – wie sollte es anders sein – von einem Mitspieler bei einem Spielwochenende. Für gute Hinweise wären auch die beiden Amateure der RHEINPFALZ am SONNTAG dankbar. Ob man gute oder schlechte Karten auf der Hand hat, weiß man bei „Ebbes“ nicht sofort. Das kann sich alles im Laufe des Spiels entwickeln. Es zeigt sich aber schnell, dass Klaus Geis’ Vorteil – eine ungezählte Anzahl von Partien und Siegen – die Waagschale zu seinen Gunsten kippen lassen wird. Seine Strategie „bestimmen, wer anfängt“ ist absolut zur Nachahmung zu empfehlen. Wo will Geis noch hin mit seinem Spiel? „Spiel des Jahres“ vielleicht? Der Erfinder schüttelt den Kopf. Das Spiel in den fernen Osten verkaufen? Hat er ja schon. Sein Traum lautet: „Ich hätte gerne, dass „Ebbes“ das Spiel der Pfalz wird. Das Spiel, das überall in der Pfalz gespielt wird.“ Nach dem Spieleabend mit der RHEINPFALZ am SONNTAG – paritätisch mit einem Westpfälzer und einem Vorderpfälzer besetzt – steht fest, dass Geis’ Traum lebt. „Ebbes“ geht halt immer. Und wer will schon gerne ein „Dabbscheedel“ sein? EBBES UN NOCH EBBES Das Spiel „Ebbes“ ist ein Trumpfkartenspiel. Heißt: Wer schon Abende mit Skat, 66 oder Schafkopf zugebracht hat, hat einen Vorteil gegenüber Neueinsteigern. Doch anders als etwa beim Skat werden die Farben, die Trumpf, Plus- oder Minuspunkte bedeuten, nicht schon vor dem ersten Stich festgelegt. Das wird mit den entsprechenden Karten während der Runde entschieden und kann auch durchaus bis zum letzten Stich dauern. Da sind taktisches Geschick und auch eine gewisse Zockermentalität gefragt. Die Parallelen zu Skat: Es herrscht Farbzwang, man muss also bekennen. Hat man eine Farbe nicht auf der Hand, kann man den Stich abtrumpfen. Für die Karten der entsprechenden Farben gibt es am Ende Plus- und Minuspunkte. Diese werden nach den einzelnen Runden auf Spielfiguren übertragen, die auf einem Spielbrett eine Reise durch die Pfalz absolvieren. Wer zuerst die komplette Schleife absolviert hat oder wer nach den vereinbarten Runden vorne liegt, hat gewonnen. Wer nur Minuspunkte kassiert, rutscht ins Elsass ab und wandert unweigerlich in Richtung Saarland – und wird im schlimmsten Fall zum „Dabbscheedel“. Bei der Abrechnung behält man dank der Wertungskarten garantiert den Überblick. Die „Farben“ heißen übrigens: Burge, Grumbeere, Trauwe, Elwetritsche und Pälzerwald. DER ERFINDER Klaus Geis (54) wurde in Ludwigshafen geboren und ist dort im Stadtteil Gartenstadt aufgewachsen. Derzeit lebt er mit seiner Frau, fünf Kindern und Hund in Limburgerhof (Rhein-Pfalz-Kreis). „Ich bin fest verwurzelt in der Vorderpfalz“, sagt er über sich. Nach Mittlerer Reife, Lehre als Bankkaufmann, Fachabitur und Wehrdienst studierte er BWL. „Kurz vor dem Examen habe ich aber abgebrochen“, erinnert er sich. Er habe gemerkt, dass das nicht das Richtige für ihn war, und sattelte um. Geis studierte Sozialpädagogik und arbeitet heute in der Verwaltung des Ludwigshafener Zentrums für individuelle Erziehungshilfen. Zuständig ist er dort für die Finanzen und die Ausbildung. (tc)

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