Ludwigshafen „Ich probiere gern alles aus“

Auf den Opernbühnen dieser Welt zu Hause: Michael Volle.
Auf den Opernbühnen dieser Welt zu Hause: Michael Volle.
Herr Volle, mit welchen Gefühlen kehren Sie zurück zu Ihren künstlerischen Anfängen am Mannheimer Nationaltheater, der ersten Station Ihrer glorreichen Laufbahn, die Sie an die großen Opernbühnen der Welt geführt hat?

Mit großer Freude. Ich erinnere mich sehr gerne an die vier Jahre am Nationaltheater, die gute Zusammenarbeit mit den Kollegen, darunter dem inzwischen leider verstorbenen Direktor des Künstlerischen Betriebs Klaus Wendt. Seinem Sohn Marwin jetzt als Operndirektor zu begegnen, wird mich auf jeden Fall sehr freuen. Was bedeuteten die vier Mannheimer Jahre für Ihren Werdegang? Es war der optimale Einstieg in die Bühnenlaufbahn. In der ersten Spielzeit stand ich in 130 Aufführungen auf der Bühne. In den folgenden Saisons sind die Auftritte etwas weniger geworden, waren aber immer noch viele. Ich habe mir dabei ein sehr weit gefächertes Repertoire erarbeitet, vom „Fidelio“ bis zu „My Fair Lady“. Im „Don Giovanni“ spielten und sangen Sie damals den Masetto und mussten sich vom Titelhelden mehrfach harsch abbügeln lassen. Jetzt verkörpern Sie den verwegenen Verführer. In jüngster Zeit erfolgte wieder ein Rollentausch, diesmal in Bayreuth. Dort avancierten Sie in Barry Koskyes Inszenierung der „Meistersinger von Nürnberg“ zu Hans Sachs. Sachs ist eine Traumpartie. Ihre Schönheit ist unglaublich, ihre vokalen Anforderungen sind exorbitant: die größte Baritonrolle der Opernliteratur. Haben Sie keine Schwierigkeiten mit der Rezeptionsgeschichte der „Meistersinger“, ihrer Verstrickung im Kultur- und Propagandabetrieb des Dritten Reichs und mit einigen Textstellen, die schon stramm nationalistisch klingen mögen? Diese Passagen verstehe ich eher als feuriges Plädoyer des Künstlers Sachs, der mit Nachdruck für seine Kunst wirbt, und stehe damit nicht allein. Selbstverständlich sollen aber die problematischen Aspekte in Wagners Schriften und seiner Biografie keineswegs verschwiegen bleiben. Wie leben Sie mit dem modernen Regietheater und seiner sehr weit reichenden interpretatorischen Freiheit? Ich probiere gern alles aus. Als Opernsänger hat man es heute allerdings schwer. Es fällt nicht leicht, eine Konzeption mitzutragen, von der man überhaupt nicht überzeugt ist. Andererseits gibt es nicht nur den einen richtigen Weg. Die Vorlagen aber aus Prinzip unbedingt gegen den Strich zu bürsten: Davon halte ich nichts. Ich habe das zwar noch nicht getan, kann aber verstehen, wenn jemand aussteigt aus einer Produktion, deren Werksicht ihm nicht einleuchtet. Andererseits werden zurzeit sehr häufig dieselben Muster strapaziert ... Zugegeben. Für mich dagegen gilt die Möglichkeit, immer Neues auszuprobieren, als das größte Geschenk. Beim Konzertgesang geht es auch um wundervolle Musik. Bach halte ich für den größten Komponisten aller Zeiten. | Interview: Gabor Halasz

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