Ludwigshafen „Ich hasse Talk-Shows“

Am Lutherturm: Manfred Schwarz, eingerahmt von Polit-Promis.
Am Lutherturm: Manfred Schwarz, eingerahmt von Polit-Promis.

90 Minuten. So lange wie ein Fußballspiel dauert das Gespräch mit dem 73-Jährigen. Eigentlich ist das viel zu kurz. Denn Manfred Schwarz, zwei Tage nach Ende des Zweiten Weltkriegs in einem Dorf bei Heilbronn geboren, bietet Stoff für eine dritte oder vierte Halbzeit. Und selbst wenn er sich in aller Bescheidenheit als „Mann der zweiten Reihe“ begreift, hat er doch viele getroffen, die ganz vorne stehen. Franz-Josef Strauß beispielsweise, den legendären CSU-Granden. Dessen Auftritt 1960 in der Oppauer Turnhalle war die erste politische Rede, die Schwarz live mitverfolgt hat. Da war er gerade mal 15. Helmut Kohl hat ihn beeindruckt, weil er auch als Kanzler bestens über das lokale Geschehen informiert gewesen sei. „Er hat lieber mit normalen Menschen als mit Managern gesprochen.“ Kohl habe immer Kontakt zu den Klassenkameraden gehalten, regelmäßig seinen Saunaclub besucht und seine Heimatstadt nie verleugnet. „Echte Bürgernähe“ nennt Schwarz das. Im lange SPD-dominierten Rathaus habe der Oggersheimer von der Pike auf gelernt, wie Opposition funktioniert. Die unter Zeitdruck geführte Debatte zu Kohls posthumer Würdigung vor der Oberbürgermeisterwahl 2017 sowie die politische Instrumentalisierung des Themas, verärgern Schwarz bis heute. „Jede Stadt der Welt würde sich freuen, so einen Politiker zu ehren“, sagt er. Wolfgang Schäuble, drei Jahre älter als Schwarz und inzwischen Präsident des Bundestags, ist auch so ein Typ, der ihn „fasziniert“. Weil er belesen und gebildet sei, wisse, wovon er spreche, und über den eigenen Horizont hinausblicke. Eigenschaften, die bei Parlamentariern so langsam aussterben, wie Schwarz beobachtet hat. Andere politische Schwergewichte wie Ex-Umweltminister Klaus Töpfer hat Schwarz als Referenten geködert. Als Obmann des katholischen Dekanats hat der langjährige Ortsvorsitzende der Oppauer Union um die 30 Großveranstaltungen organisiert. Nicht so prominent, aber dennoch prägend für Schwarz war Horst Schork (SPD). Als Schwarz 1959 einen Jungen vorm Ertrinken im Stricklerweiher rettete, hat ihm der frühere Oppauer Ortsvorsteher als Belohnung eine Armbanduhr geschenkt. „Das war meine erste“, erinnert sich Schwarz, der vier Geschwister hat und aus einem christlich geprägten Elternhaus stammt. Über die katholische Jugendarbeit stieß er auch zur CDU, in die er 1963 eintrat. „Das war eine tolle Zeit“, erinnert er sich und betont: „Der Glaube spielt für mich eine entscheidende Rolle.“ Später übernahm Schwarz zahlreiche Aufgaben für die Partei, etwa als Fraktionschef im Stadtrat. Im Kreisvorstand sitzt er seit 1987, im Bezirkstag, dem er seit 20 Jahren angehört, ist er stellvertretender Vorsitzender. Für die neue Legislaturperiode nach der Kommunalwahl Ende Mai hat ihn der CDU-Verband auf Platz 6 gelistet. Früh in Berührung kam Schwarz mit der BASF, dem Chemieriesen direkt vor der Haustür, für den der Diplom-Ingenieur bis 2005 als Werkstoffprüfer sowie in der Schadensanalyse tätig war. 1989 untersuchte Schwarz auch die Umweltbelastung der Miró-Wand des Wilhelm-Hack-Museums. „Vielleicht habe ich den Beruf auch als Selbstschutz ergriffen“, sagt er. Als Dreijähriger erlebte er 1948 die BASF-Katastrophe. Ein Kesselwagen explodierte, 207 Menschen starben. Sein Vater war Gutsverwalter, der Sohn daher schon in jungen Jahren als Erntehelfer im Einsatz. „Wir sind damals mit dem Pferdegespann durchs BASF-Werk gefahren. Heute wäre das undenkbar.“ Natürlich verfolgt er aktuell auch den Prozess zum BASF-Unglück vom Oktober 2016. Das Risiko für derlei Unfälle zu minimieren, war jahrelang sein Job. „Analysieren bis ins Detail“ – die Herangehensweise ist für Schwarz auch eine Grundlage für die politische Arbeit. „Jeder Stadtrat hat sich erst mal für das Interesse der Stadt einzusetzen. Das ist zunächst einmal keine parteipolitische Sache“, sagt er. „Und dann geht es darum, einen Konsens zu suchen, der von einer möglichst breiten Mehrheit getragen wird.“ Das „nassforsche Vorpreschen“ einiger „schlagzeilenfixierter“ Mandatsträger ist ihm zuwider. „Verbale Angriffe kommen oft von denen, die nicht wissen, wovon sie sprechen – Schaufenster, mehr ist das nicht“, beklagt Schwarz. Ein Phänomen, das er auch auf Bundesebene erkannt hat. Politik werde heute leider vor allem übers Fernsehen transportiert. „Ich hasse Talk-Shows“, sagt Schwarz. Für Ausführungen, die in die Tiefe gehen, bleibe keine Zeit. Im Mittelpunkt stünden häufig die Moderatoren. Auch viele Kommunalpolitiker scheuten inzwischen die Kleinarbeit, sich in komplexe Materien wie Verkehr oder Umwelt einzuarbeiten. Zwei Themen, die Schwarz seit Jahren im Raumordnungsverband sowie im Verband Region Rhein-Neckar federführend begleitet. Mit Blick auf die Hochstraßensanierungen drängt er darauf, dass die Schwesterstädte Ludwigshafen und Mannheim enger zusammenarbeiten. Dass OB Jutta Steinruck (SPD) beim Neujahrsempfang kein Wort zur Metropolregion verloren hat, wurmt ihn. Sie bringe sich da zu wenig ein, kritisiert Schwarz. Die ganze Stickoxid-Diskussion um ein paar Mikrogramm mehr oder weniger findet Schwartz „pervers“. Die große Koalition im Rathaus hält er für alternativlos, um auch künftig eine stabile Mehrheit für wichtige Weichenstellungen zu garantieren. Ein Fehler der Vergangenheit sei es gewesen, die Fußgängerzone auf zwei Pole – Nord und Süd – auszudehnen. „Damit ist sie ja größer als die Kö in Düsseldorf.“ Apropos Größenwahnsinn: Wohin es führe, wenn Politik mit Spekulationen und Falschmeldungen über soziale Netzwerke gestaltet werde, zeige das Beispiel USA und Donald Trump: „Wie soll da ein Lehrer den Kindern heutzutage noch beibringen, dass Lügen etwas Schlechtes sind?“ Die Serie Gleich mehrere gestandene Politiker verlassen nach der Kommunalwahl am 26. Mai aus unterschiedlichen Gründen den Stadtrat. Einige von ihnen stellen wir in den nächsten Wochen immer dienstags vor.

Franz-Josef Strauß
Franz-Josef Strauß
Helmut Kohl
Helmut Kohl
Wolfgang Schäuble
Wolfgang Schäuble
Klaus Töpfer
Klaus Töpfer
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