Ludwigshafen Hundert rote Luftballons: Die Höchste Eisenbahn in der Alten Feuerwache in Mannheim

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Foto: Joachim Gern

„Hallo. Wie geht es dir? Ich wünsche dir Frieden, Gesundheit und Glück“, klingt es auf kantonesisch aus den Lautsprechern. Bevor das Publikum darüber nachdenken kann, wird es vom ersten Song mitgerissen – und bis zum Ende nicht mehr losgelassen.

Die Scheinwerfer wechseln die Farbe, alles erstrahlt in leuchtendem Rot. Die ersten drei Töne des Songs ertönen und ein einzelner roter Luftballon schwebt über die jubelnde Menge. Dann folgt der Nächste. Und noch einer. Plötzlich ist die alte Feuerwache erfüllt von roten Ballons und rotem Licht. Die höchste Eisenbahn auf der Bühne und ihre Fans davor singen gemeinsam „für alle, die nicht fragen was am Ende kommt: rote Luftballons, 100 rote Luftballons“. „So viele gab’s noch nie“, ruft Sänger Moritz Krämer, der außerdem Texte schreibt, und Gitarre und Klavier spielt. Francesco Wilking (Gesang, Texte, Gitarre, Klavier) sagt: „Das ist mal was Neues. Man schreibt eine Sache in ein Lied, und alle bringen das dann mit“. Wilking sieht dabei aus, als wäre er per Zeitreise aus den 80ern nach Mannheim gekommen. Er trägt eine rote, ausgeblichene Schildmütze, Vollbart und eine runde, silberne Brille zum etwas zu großen Hemd. In Österreich werde er mit Niki Lauda verglichen, erzählt er. „Da verehren den alle. Das ist ein Kompliment.“ Passend dazu kündigt er den nächsten Song an. Er heißt „So siehst du nicht aus“. Die beiden Frontmänner haben Die höchste Eisenbahn vor acht Jahren in Berlin gegründet – erst als Liveprojekt, unterstützt von Gästen wie Judith Holofernes und Gisbert zu Knyphausen. Seit 2012 touren sie gemeinsam mit Felix Weigt (Bass, Keyboard) und Max Schröder (Schlagzeug).

Leicht wie Luftballons

Leicht und beschwingt, so wie die Luftballons über der Menge, trägt die Musik durch den Abend. Es ist Pop, wie man ihn kennt: Eingängige Melodien, zwischendurch ein Keyboardsolo und die E-Gitarren fehlen auch nicht. Höchst poetisch singen die vier Männer von Liebe und Vaterschaft, von Wolken, Kaugummis und Blumen. Wie eine Welle reißen die lockeren Rhythmen die nicht ganz volle Halle mit. Zwischendurch wird es dann wieder ernst und vielleicht sogar ein bisschen tiefgründig. „Keiner hat uns gewarnt, dass ich dich hier so schnell hasse. Dieses Haus ist nichts als Pappe“, singen die Berliner in „Raus aufs Land“. Dann stellen sie die großen Fragen des Lebens: Was machst du, wenn eins und zwei nicht mehr drei ergibt? Und wenn deine Liebe dich verlässt und in die Freiheit flieht? – nachdenklich, aber mit leichten Melodien und hellem Kindergesang im Hintergrund. Das ist die Art und Weise, wie Die höchste Eisenbahn die Welt verarbeitet: Traurige Texte und fröhliche Musik – das passt erstaunlich gut zusammen.

„Melancholisch, beschwingt und leicht besoffen“, so beschreibt auch das Label Tapete Records die im Sommer 2018 erschienene Platte „Ich glaub dir alles“, die direkt auf Platz 17 der deutschen Album-Charts landete. Das Besondere: Im Gegensatz zu „Schau in den Lauf Hase“ von 2013 und „Wer bringt mich jetzt zu den anderen?“ (2016), hat die Band einen Produzenten mit ins Boot geholt: Moses Schneider, der bereits Alben mit Annenmaykantereit, Tocotronic und Dendemann machte.

Von Liebe und Missverständnissen

Nach all den leichten, schnellen Rhythmen katapultiert Francesco Wilking die Zuhörer mit der Zugabe zurück in die Realität. „Isi“ kommt wie eine Ballade daher und handelt von Beziehungen und Missverständnissen, von Liebe und von Schmerz. Und ganz zum Schluss spielen sie endlich der Song auf den alle gewartet haben: Lisbeth, der Ohrwurm, mit dem die Fans am nächsten Morgen aufwachen werden.

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