Ludwigshafen Hochkultur trifft Straßenmusik

„Music for Christmas Nights“ hieß ein außergewöhnliches Weihnachtskonzert im BASF-Feierabendhaus in Ludwigshafen. Die Jazzformation Quadro Nuevo hat zusammen mit der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz musiziert.

Es scheint alles wie immer: Die Streicher und Bläser eines Sinfonieorchester nehmen Platz. Scheinwerfer tauchen den Saal in sattes Festtagslicht. Die perfekte Inszenierung für ein gewohnt stimmungsvolles Weihnachtskonzert? Nicht ganz. Denn vor dem eindrucksvollen Klangkörper des Orchesters stellen sich die vier Musiker der Jazz-Formation Quadro Nuevo auf, die seit über zwei Jahrzehnten erfolgreich den Globus mit ihrer Mischung aus Jazz, Swing und Weltmusik bespielen. Eigentlich stehen die Weltenbummler um den Saxophonisten und Klarinettisten Mulo Francel für dynamische, von mediterranen Rhythmen angetriebene Balladen. Doch in Ludwigshafen klingt das zunächst anders und auch nicht richtig weihnachtlich. Behutsam setzt das Orchester ein. Ein verträumter romantischer Satz schafft eine operettenhafte Szenerie, bis Saxophon und Akkordeon jazzige Tonlinien zeichnen. „Maria durch ein Dornwald ging“ ist zu erkennen. Das ist ein anderes Weihnachtskonzert, als das Ohr es gewohnt ist. Besonders das Akkordeon von Andreas Hinterseher und D. D. Lowkas Kontrabass bringen die für ein Vorweihnachtskonzert ungewohnte Tonlage. „Canzone della Strada“ etwa führt auf die Straßen Frankreichs oder Italiens, die Herzen beginnen im Takt zu hüpfen, besonders wenn der sanfte blonde Hüne am Bass sein voluminöses Instrument als Resonanzraum für schlagende Rhythmen strapaziert. Virtuos freilich, genauso wie seine ebenfalls blonde langmähnige Mitmusikerin Evelyn Huber. Zart oder rasant improvisiert sie die Melodien auf den straff gespannten Saiten ihrer goldenen Harfe. Quadro Nuevo ist auf Touren, die Zuschauer staunen ehrfürchtig. Ungewohnt ist auch die Haltung des Dirigenten Markus Huber, der die Konstanzer Südwestphilharmonie führt. Er tänzelt vor seinem Pult, swingt entspannt und vergnügt zu den Balladen des Quartetts und lässt das Orchester harmonische Klanglandschaften jenseits aller klassischen Strenge entfalten. Schräge Akzente in diese heile Welt werden behutsam gesetzt. Den Imperativ in „Macht hoch die Tür“ intonieren die Bläser der Philharmonie minutenlang mit einem an Ravels „Bolero“ anmutenden Ostinato-Rhythmus. Von einer Begegnung zwischen „Hochkultur und Straßenmusik“ spricht Saxophonist Mulo Francel in seinen besinnlichen, oft selbstironischen Moderationen. Quadro Nuevo sind nicht nur Bühnenprofis, sondern auch instrumentale Könner, die durch Südeuropa, den Balkan und Südamerika getourt sind. Davon erzählt ihre „Reise nach Batumi“, ein spannungsgeladenes Panoptikum von Klängen aus der Nordafrika, dem Nahen und Mittleren Osten, letztlich der ganzen Welt. Die zarte Perkussion von D. D. Lowka, ob auf weichen Tamburinen oder der Darburka zwischen den Knien, erzählen vom abenteuerlichen Leben in der Steppe. Orientalische Atmosphäre einer urchristlichen Welt ist vielen „Christmas Songs“ eigen. Dann erinnern Hörner und Tuben wieder an die alpenländische Heimat des Quartetts. Das Südtiroler Weihnachtslied „Es wird schon gleich dunkel hier“ klingt an und erzeugt eine Stimmung von Krippe, Ochs und Esel. Bevor der Abend verklingt, beginnt das Publikum noch zu singen. Orchester, Bass und Harfe zeichnen die Melodielinien von „Stille Nacht“ vor. Mulo Francel und Andreas Hinterseher beschwören dazu flüsternd auf Saxophon und Melodica den ewigen Traum von Frieden. Wenigstens in dieser einen Nacht.

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