Ludwigshafen Handyfotos und ohrenbetäubende Schreie

„Sie singen deutsch – das ist ganz wichtig“: Die Lochis, das sind Roman und Heiko Lochmann, bei ihrem Auftritt in Mannheim.
»Sie singen deutsch – das ist ganz wichtig«: Die Lochis, das sind Roman und Heiko Lochmann, bei ihrem Auftritt in Mannheim.

Die Lochis, das sind die mittlerweile 19 Jahre alten Zwillinge Heiko und Roman Lochmann, haben im Capitol ein umjubeltes Konzert gegeben. Die beiden sind ein Massenphänomen. Das Capitol war denn auch restlos ausverkauft und bis zum letzten Stehplatz besetzt.

Die Zwei-Mann-Boygroup ist ein Youtube-Produkt. 2011, also mit zwölf Jahren, haben die Zwillinge angefangen, im Kinderzimmer Videoclips zu produzieren. Darauf sangen sie auf Deutsch Parodien auf internationale Hits und alberten herum. Das kam bei Kindern und Teenies so gut an, dass sie 2014 eine Million Abonnenten hatten. Mittlerweile sind es mehr als zweieinhalb Millionen. Ihre Fans sind, so eine Mutter aus Grünstadt, die ihre 14-jährige Tochter Emma zum Konzert begleitet, „so zwischen acht und zwölf Jahre alt. Meine Tochter ist mit ihren 14 Jahren schon fast zu alt.“ Kein Lochi-Fan ist so alt, dass er einen Führerschein hätte oder überhaupt abends alleine ausgehen dürfte. So stehen im hinteren Teil des Parketts und auf den Rängen Mütter und Väter, amüsieren sich, lächeln milde, behalten, soweit möglich, ihre Sprösslinge im Auge, oder switchen geistig abwesend auf ihren Smartphones herum. Vorne wuseln die Kinder, schreien ohrenbetäubend voller Begeisterung, formen mit erhobenen Händen Herzen, hüpfen und tanzen auf der Stelle mit einer Ausdauer, wie sie wohl nur ein Kind haben kann. Manche kennen ganze Songs auswendig, viele die Refrains, die sie mitsingen. Und die Eltern machen Fotos mit dem Smartphone oder nehmen gar Teile des Konzerts auf. Schon vor Konzertbeginn ist ein ganzer Wald leuchtender erhobener Smartphones zu sehen. Eine Vertreterin des Veranstalters verkündet von der Bühne die Regeln: „Keine Bild- oder Tonaufnahmen! Handys ’runter! Ihr wollt doch den Moment genießen.“ Einige halten sich dran. Doch schon bald leuchtet es wieder, vor allem da, wo die Eltern stehen. Für sehr viele liegt der Spaß eben daran, zu zeigen, dass man dabei gewesen ist. Und die Lochis? Das sind zwei nette Jungs, die sich, wie es bei Zwillingen eben so ist, sehr ähneln, der eine in blauen, der andere in roten Jogginghosen. Sie singen Hip Hop-Artiges, Mainstreamiges mit keineswegs herausragenden Stimmen, tanzen dazu ein bisschen und kommunizieren viel mit ihren Fans. Letzteres scheint das Erfolgsgeheimnis. Oskar, acht Jahre, und Tim, zehn Jahre: „Sie sind cool, sehen gut aus, singen deutsch – das ist ganz wichtig, machen Hip Hop.“ Fabienne, 14 Jahre: „Mir gefällt alles, einfach alles. Sie machen immer, was sie wollen, ziehen ihr eigenes Ding durch und hören nicht auf andere.“ Auf der Bühne erzählen Roman und Heiko vom größten „Failure“ (Aber singen tun sie deutsch!) des Tages: Der eine war morgens schon fertig zum Gehen, der andere lag noch im Bett. „Oh, und warum sind wir dann wegen dir“ (sic!) „zu spät gekommen?“ Sie erzählen von den Mühen, die es gekostet hat, ihr neues Album „#whatislife“ (Aber sie singen deutsch!) in sechs Wochen aufzunehmen: „Das könnt ihr euch nicht vorstellen, was da abging! Was für Tiefpunkte, was für Stress!“ Zweimal kommen sie von der Bühne und singen mitten im Publikum auf kleinen Podesten. Bullige Leibwächter heben sie hinauf und hinunter und schirmen sie ab. Die Kinder direkt um sie herum werden ganz andächtig und stumm. Ein 14-jähriges Mädchen darf auf einen goldenen Thron auf der Bühne und wird angesungen. Mit knallroten Wangen sitzt sie da und weiß gar nicht, wohin sie schauen soll. Vorher hat sie beide Lochis lange umarmen dürfen. Ein großer Moment! Im Foyer gibt es Fan-T-Shirts und Fan-Rucksäcke, fast alle Kinder sind damit ausgestattet. Ein billiger Spaß ist das nicht, zusammen mit mindestens zweimal Eintritt, denn jedes Kind hat ja Vater oder Mutter dabei. Und es riecht beklemmend verbrannt. Das liegt wohl an dem reichlichen Einsatz von Nebelkanonen.

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