Ludwigshafen Geschichten auf dem Klinikflur

Es ist tatsächlich so ähnlich, wie Dorothe Wenskus es gerade erst beschrieben hat: Auf dem Weg von der Pforte des Klinikums in der Bremserstraße bis zur Augenstation hat die 56-Jährige berichtet, dass ihr manche Patienten beim Spaziergang über die Krankenhausflure ihr ganzes Leben erzählen. Ihr ganzes Leben breitet die Autorin dieses Textes zwar nicht sofort aus, aber ein bisschen Familiengeschichte schon. Denn nachdem die Grüne Dame mit dem netten Lächeln und der ruhigen Stimme erzählt hat, dass sie aus derselben Bergarbeitersiedlung in einer Kleinstadt im Ruhrgebiet stammt, sprudelt aus der Schreiberin viel Persönliches heraus. Dorothe Wenskus ist zweifellos ein Mensch, dem andere sich spontan anvertrauen. Den Weg zur Augenstation, ihrer Station, kennt die Limburgerhoferin, die sich immer schon ehrenamtlich engagiert hat, fast blind. An jedem Dienstagvormittag ist sie hier als Stationsdame im Einsatz. Donnerstags übernimmt Dorothe Wenskus außerdem noch den Lotsendienst. „Wir laufen viel“, erklärt sie auf der Treppe. Denn zu den Hauptaufgaben der Grünen Damen zählen kleine Botengänge für die Patienten, die noch nicht auf den Beinen sind. Die Helferinnen bringen ihnen die Zeitung ans Bett, laden die Telefon- und TV-Karten auf und sind auch mal Ersatzseelsorger, wenn der ersehnte Besuch ausbleibt und die Krankenhaustage lang werden. Auf der Augenstation ist viel los an diesem Morgen. Auf den Stühlen und Sesseln im Flur sitzen etliche Patienten, die meisten mit Augenklappen, und warten: auf den Arzt, die Operation oder auch einfach nur aufs Mittagessen, das um kurz vor elf Uhr in nicht allzu weiter Ferne liegt. Dorothe Wenskus ist auf dem Weg zu Harald Schaa. Der 71-Jährige aus der Nähe von Heidelberg hat seine Augen-OP hinter sich. Zwei bis drei Tage müsse er im Klinikum bleiben. „Ich fühle mich hier gut aufgehoben, auch dank der Grünen Damen“, sagt Schaa. Den Besuchsdienst kennt er. Auch weil er selbst ehrenamtlich engagiert ist. Aber er habe es schon öfter erlebt, dass Zimmernachbarn überrascht waren über diesen Service. Das Schlimmste sei für viele die Wartezeit vor einer Operation oder Behandlung, weiß Dorothe Wenskus. Sie freut sich, wenn sie den Patienten Zerstreuung bereiten und die Angst nehmen könne, sagt die Grüne Dame. „Das eigene Leben wird dabei relativ.“ Patienten, die sich mit dicken Schmökern oder spannenden Krimis die Zeit im Klinikum vertreiben möchten, sind bei den Grünen Damen auch richtig. Und zwar dienstags bei Bärbel Zidany, die am Schreibtisch im Eingangszimmer einer kleinen Bücherei gegenüber der Cafeteria sitzt. Nach ihrem Berufsleben in der Personalabteilung einer Versicherung wollte die 75-Jährige noch was Nützliches machen und kam über die Ehrenamtsbörse Vehra zu den Grünen Damen. Bärbel Zidany hat schon einiges ausprobiert. Nach Einsätzen auf verschiedenen Stationen und als Lotsin trägt sie nun in der Bibliothek ein, welche Bücher ausgeliehen werden. „Hier fühle ich mich wohl“, sagt die Frau mit dem grauen Pagenkopf. Die kleine Bibliothek sei gut sortiert, berichtet die Grüne Dame. Es gebe Kinder- und Jugendbücher, Sachbücher über Politik und Geschichte, Romane, Krimis und Thriller. „Da ist für jeden etwas dabei.“ Knapp 2000 Titel stehen zur Auswahl. Und weil Bärbel Zidany selbst gern liest, gibt sie auch gerne Tipps. Sie findet: „Es ist schade um jedes Buch, das weggeworfen wird. Ein Buch ist etwas Besonderes.“ Jutta Bohn ist seit sechs Jahren Vorsitzende des Vereins, in dem die Grünen Damen organisiert sind. Gemeinsam mit einem fünfköpfigen Leitungsteam koordiniert die 60-Jährige die Gruppen und Dienste. Außerdem lädt sie ihre Grünen Damen alle paar Wochen zu größeren Treffen mit namhaften Referenten ein und steht mit der Krankenhausleitung in engem Kontakt. Was muss man mitbringen, wenn man eine Grüne Dame werden möchte? „Man sollte Empathie haben und ein freundlicher Mensch sein“, sagt die Oppauerin. Das trifft auch auf Maria Schmidt zu, die an diesem Dienstagvormittag Lotsin im Eingangsbereich des Klinikums ist. „Ich mache das sehr gerne“, erzählt die 70-Jährige. Sie sei hier Mädchen für alles und für viele die erste Ansprechpartnerin, die verunsichert ins Krankenhaus kommen. „Ich lotse die Leute dann durch das Haus.“ Maria Schmidt bringt die Patienten zur Anmeldung, sie sucht nach verloren gegangenen Sachen. „Und manchmal auch nach verloren gegangenen Ehemännern“, schildert sie lächelnd. Manchmal müsse sie auch ein Detektiv sein und erst herausbekommen, wo die Patienten eigentlich hingehören. „Hier habe ich einfach das Gefühl, dass ich gebraucht werde“, sagt die Beindersheimerin.

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