Ludwigshafen „Früher habe ich mich das nur in der Badewanne getraut“

Karaoke und Rudelsingen locken Menschen allen Alters in Scharen in die Säle. Singen ist wieder im Trend. Aber manche scheuen offenbar den verbindlichen Rahmen eines Kirchenchors oder Vereins. Ganz ohne Leistungsdruck darf man im Kneipenchor die Stimme erheben, der sich jetzt in Mannheim etabliert hat.

Seit diesem Frühjahr treffen sich rund 50 Interessierte im Mannheimer Eichbaum Brauhaus. Angelockt hat sie die 24-jährige Katharina, Musikstudentin in Mannheim und Sängerin aus Leidenschaft, die ihren vollen Namen nicht veröffentlichen möchte. Oft hat sie in Gesprächen mit Freunden erfahren, dass sehr viele singen möchten, sich aber einfach nicht trauen. „Keine gute Stimme“, „kann keine Noten“, „bin nicht musikalisch“, lauten die immer gleichen Argumente. „Oft sind es aber auch die Strukturen oder musikalischen Ausrichtungen, die nicht gefallen. Viele schreckt auch der Vereinsrahmen ab“, sagt die junge Frau. Vor ein paar Monaten hat sich Katharina entschlossen, auch in Mannheim – wie in vielen anderen Städten schon üblich – einen Kneipenchor mit einem Programm aus unkomplizierten Songs aus Rock und Pop zu gründen. Einfach eine Facebook-Seite eingerichtet, Infozettel großflächig an Veranstaltungsorten und in Gaststätten verteilt, die regionale Presse informiert. „Ich hatte den Eindruck, dass das Singen bei uns untergegangen ist, vielen einfach nicht mehr cool genug erscheint.“ Die Zutaten für den Kneipenchor sind denkbar einfach: Im Nebenraum der Brauhaus-Gaststätte baut die junge Chorleiterin ihr Keyboard auf, ein Kellner mit Lederschürze und zünftigem Outfit nimmt lautstark die Bestellungen an: Bier, Weinschorle, Limonade oder Kaffee. Die Singstunde hat keinen puritanischen Ansatz, Notenkenntnisse sind nicht nötig, Leistungsdruck entfällt, es geht hier offensichtlich um einen lockeren Abend mit Gleichgesinnten. Die rund 50 Sängerinnen und Sänger stellen sich im Kreis auf. „Shamana yekile“. Katharina gibt eine eingängige Melodiefolge aus der afrikanischen Folklore vor, die Höhe der Folgetöne deutet sie mit horizontal gestellten Handflächen sichtbar an. Alle singen mehr oder weniger kräftig mit, einige zieren sich noch, doch bald lockert sich die anfängliche Zurückhaltung. Zwischen die einzelnen Verse mischt die Leiterin noch kurze Schrittfolgen, dazu ein Finger-Schnipsen, zweimaliges Händeklatschen dort. Wie von selbst entsteht ein Rhythmus, den alle verstehen. „Jetzt sind wir alle wach und können mit meinem Herzensprojekt beginnen“, signalisiert die Kneipenchor-Leiterin das Ende des Einsingens. In den folgenden 60 Minuten gibt es noch weitere Rock- und Pop-Songs zum Nachsingen und Einüben, gegen Ende versucht Katharina bei „Eye of the Tiger“ aus der Filmlegende „Rocky“ einem Teil des Chores sogar eine zweite Stimme beizubringen. Das gelingt sogar fast, ohne aufwendiges Üben. „In der letzten Version gebt ihr beim Refrain alle Vollgas!“ Niemand im Saal der ihr nicht folgt, alle offenkundig beseelt von der Substanz der eigenen Stimmbänder. Katharina hat von Kind an erfahren, wie elementar Singen für die Lebensqualität sein kann. „Der Körper ist das Instrument“, sagt Katharina. Die eigene Stimme zu benutzen, sei einzigartig und eine wunderbare Möglichkeit, sich zu spüren. Der breite Zuspruch zu ihrer Initiative hat sie belohnt. Bettina (59), die bei diversen Singprojekten Erfahrung gesammelt hat, ist bisher bei allen vier Treffen des Kneipenchors dabei gewesen. „Mir gefällt, dass ich mich hier nicht festlegen muss.“ Alexander (43) repräsentiert die klassische Nichtsänger-Fraktion. „Früher habe ich mich nur in der Badewanne getraut.“ Jetzt singt er ohne Scheu mit den anderen zusammen. Carmen (31), Monika (36) und Manuela (41) sind sangeslustige Freundinnen und haben sich entschlossen, den Kneipenchor einfach mal auszuprobieren. Gerade das Singen mit Tanzbewegungen und rhythmischem Klatschen gefällt ihnen, sagt Manuel. „Wir kommen bestimmt wieder.“ Termine Der Kneipenchor trifft sich einmal im Monat. Die nächsten Termine sind am Montag, 24. Juni, und 10. Juli, um 18 Uhr im Mannheimer Eichbaum-Brauhaus in der Käfertaler Str. 168. Infos unter kneipenchor-mannheim@web.de. Es gibt keine Vereinsverpflichtungen oder Konzerte.

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