Ludwigshafen Europameister setzt auf Rituale

Strukturiert: Tim Weber setzt auf feste Abläufe – mit großem Erfolg.
Strukturiert: Tim Weber setzt auf feste Abläufe – mit großem Erfolg.

«BÖHL-IGGELHEIM.» Same procedure as every day – ja, Rituale spielen in der Karriere des Tim Weber (16) eine entscheidende Rolle. Das Training läuft nahezu jeden Tag gleich ab, die Vorbereitungen auf einen Wettkampf sind immer dieselben. Der Junioren-Europameister auf dem Kunstrad hat also nicht ohne Grund gerade die Junior-Masters in großem Stil gewonnen.

Eines dieser Rituale: Training von 17 bis 19 Uhr in der Peter-Gärtner-Schule. Immer mit Mama Andrea an der Seite, die Tims Trainerin und beste Beraterin ist. Immer nach dem gleichen Strickmuster. Immer klar strukturierter Ablauf. Ein anderes Ritual ist die Vorbereitung auf den Wettkampf. „Jetzt ist Training, jetzt essen, jetzt schlafen. Dann morgens aufstehen, in die Halle gehen, vorbereiten, sammeln, sacken lassen, auf die Fläche gehen, verbeugen. Start“, beschreibt Weber das Ganze. „Wir ziehen diesen festen Ablauf eins zu eins durch, der hat sich bewährt“, sagt er. Der geordnete Ablauf ist Teil dieser ungeheuren Präzision, mit der Tim Weber seine Fünf-Minuten-Kür wie ein Uhrwerk durchzieht. Sie ist neu einstudiert, beginnt spektakulär mit dem Schweizer Handstand aus der Vorhebehalte auf dem Lenker. Eine halbe Runde zum Auftakt, 15 bis 20 Sekunden. Tausendfach geübt, auch daheim auf den sogenannten Handstandklötzen, die aussehen wie ein Lenker. Und: Koordinations- und Krafttraining zählen zum täglichen Muss. „Kleiner Mann ganz groß“ – so titelte die RHEINPFALZ vor elf Monaten, als der Iggelheimer in Prag triumphierte: Gold in der Goldenen Stadt – Europameister der Junioren. Seither ist Tim Weber rund sechs Zentimeter gewachsen, hat mit rund 1,71 Metern die fast ideale Körpergröße eines Kunstradfahrers. Dies alleine aber macht die Kunst auf dem Rad nicht aus. Seine ausgesprochene Beweglichkeit, sein hohes Konzentrationsvermögen, sein Ehrgeiz – all das fügt er spielerisch zu einem großen Ganzen zusammen. Ergebnis: Tim Weber gewann alle sechs Junior-Masters-Durchgänge souverän. Zwischen 174,56 Punkten beim ersten Auftritt und 186,25 Punkten, als er ganz nahe an den Weltrekord herankam, fuhr er bei 188,10 Punkten aus. Eine unglaubliche Serie, die ihm noch keiner vormachte. Es dauerte im Frühjahr ein wenig, bis die Kür saß. Aber das ist normal, ja sogar sehr gut. „Wenn man zu früh auf dem Höhepunkt ist und den dann die ganze Saison halten muss, ist es schwieriger“, erklärt Tim. Er hat sich durch die Wettkampfpraxis erheblich gesteigert. Drei wichtige Wettkämpfe stehen nun an: ein Länderkampf am Sonntag in Darmstadt mit dem gesamten EM-Team, die deutsche Meisterschaft sonntags drauf in Nufringen, die Titelverteidigung am 12. Mai in Bazenheid in der Schweiz. „Mein Ziel ist immer das gleiche, ich will alles geben, ich will alles gewinnen“, sagt er. 2017 klappte es mit dem deutschen Meistertrikot nicht. Diese kleine Scharte will er jetzt auswetzen. Aber tragen kann er in der darauf folgenden Saison eh nur ein Trikot. Da hätte das EM-Trikot mit den gelben Sternen auf blauem Grund wohl Vorrang. „So ein Trikot ist schon die Belohnung für das ganze Training und für das, was man investiert“, sagt er selbstbewusst. Die Europa-Sterne kleben übrigens auf seinen schicken Rad, das ihm die Firma Langenberg vor einem halben Jahr zur Verfügung stellte. Ein Kleinod. Ganz in schwarz – Rahmen, Felgen, Speichen, Naben. Es macht was her und es ist der ganze Stolz des Iggelheimers, der seit elf Jahren diesen Sport betreibt und der in die zehnte Klasse am G8-Gymnasium Hannah Arendt in Haßloch geht. 2020 wird er dort wohl sein Abitur machen. In seinem ersten Jahr in der Eliteklasse. Ein ungewollt perfekter Zeitplan, denn er hätte im Winter Zeit zum Lernen, weil die Elitesaison dann nicht mehr in Frühjahr, sondern im Herbst ihre Schwerpunkte hat. Der amtierende Weltmeister Lukas Kohl hat übrigens schon angekündigt, dass er mit großer Spannung auf die Duelle mit Tim Weber wartet …

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