Ludwigshafen Es gibt auch klugen Rap

Natürlich hat die junge Frau, die sich Noname nennt, einen Namen. Sie wird international gefeiert als eine scharfe Beobachterin und Kritikerin der Lebensumstände junger Afroamerikaner in den USA. Sie steht für Conscious Rap – was mit „Bewusstseins-Rap“ nur annähernd übersetzt ist. Sie klingt anders, als andere Rapper – und sie kam mit kompletter Band in die Alte Feuerwache.

Die meisten bekannten Rapper machen einen auf dicke Hose. Wenn sie es in die Schlagzeilen schaffen, dann meistens weil sie sich im Ton so vergriffen haben, dass es selbst für unsere liberale aufgeklärte Öffentlichkeit zu schlimm war. So geschehen, als zwei dieser Helden den Echo bekamen, einen Preis, der nicht nach Qualität, sondern nach Verkaufszahlen vergeben wird. Hinter dem Getöse und der Aufregung verschwindet, dass es auch Rapper gibt, die kluge Sachen sagen. Die erregen aber weniger Aufmerksamkeit. Und während die Skandal-Rapper große Hallen füllen, findet das Noname-Konzert in der abgeteilten halben Feuerwache statt. Noname ist eine junge schwarze Frau aus Chicago. Die Stadt hat eine Mordrate, die selbst für amerikanische Verhältnisse erstaunlich ist. Donald Trump hat die Stadt immer wieder als Beispiel genannt, wo man mal so richtig durchgreifen müsste. Und er hat gern erzählt, dass Chicago restriktive Waffengesetze habe. Allerdings erwähnt er nicht, dass die Todesrate erst so dramatisch angestiegen ist, nachdem man diese Gesetze wieder zurück genommen hatte. Von sozialem Frieden kann man in Chicago nicht sprechen, Armut und Kriminalität machen vor allem der schwarzen Bevölkerung zu schaffen. „Casket pretty“ heißt eines der Stücke, in denen Noname darauf eingeht. „Sargfertig hübsch“ könnte man den Titel übersetzen. Es beschreibt mit bitterem Sarkasmus das Gefühl ständiger Lebensgefahr und gibt den Tipp, am besten so gestylt herumzulaufen, dass man im Sarg gut aussieht. Noname hat erstmals Aufsehen mit Texten für Poetry Slams erregt. Ihr Künstlername war Noname Gypsy, sinngemäß „Zigeunerin ohne Namen“. Dann hat ihr jemand erklärt, dass dies einen rassistischen Beigeschmack habe und so hat sie den zweiten Namensteil fallen lassen. Sie wollte einen Namen, der keine Erwartungen wecke, „Gypsy“ sollte eigentlich auf Unabhängigkeit und Freiheit hindeuten. Ihr bürgerlicher Name ist Fatimah Nyeema Warner und sie ist 28 Jahre alt. Unabhängig ist sie, denn bis jetzt hat sie keinen Vertrag mit einem Major Label. Ihr jüngstes Werk, „Room 25“, ist nicht als Tonträger erschienen, sondern nur als mp3 und Stream zu bekommen. Das gilt auch für ihr Debüt vor drei Jahren „Telefone“, das auf dem Streaming-Dienst Spotify über 50 Millionen Mal abgerufen wurde. Wenn Noname auf der Bühne steht, ist sie eigentlich immer noch die Slam-Poetin, die beim weltgrößten Poetry Slam in Chicago auf den dritten Platz kam. Für einen weißen, älteren Pfälzer wie den Rezensenten, sind die Texte schwer zu verstehen. Zum einen redet die Rapperin sehr schnell und viel, zum andern sind die Texte voller Slang-Begriffe und Codes aus der schwarzen urbanen Subkultur. Zum Glück gibt es die Website Genius.com, auf der Rap-Texte gesammelt sind, von den Autoren autorisiert und von Experten des Genres mit Anmerkungen und Erläuterungen versehen. Ungewöhnlich ist bei Noname auch, dass sie mit einer komplett bestückten Band auftritt. Die Musiker spielen live, die im Rap üblichen Sample-Schnipsel gibt es nur selten und nur als Effekt, die Beats werden von Schlagzeug und Bass gespielt. Die Band klingt nach coolem Neo-Soul und Smooth Jazz. Die Musik hat aber keine andere Funktion, als Hintergrund für die gesprochenen Texte zu sein. Es gibt auch keine klassischen Songformen, sondern meist zwei- oder viertaktige Wendungen, die in Schleifen gespielt werden. Ein Mann und eine Frau singen Background und sind offenbar veritable Soulsänger, die Hooklines singen.

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