Ludwigshafen „Es geht zeitlich nicht“

Gespräch im Wahlkreisbüro: Torbjörn Kartes vor einem großen Bild, das Altkanzler Helmut Kohl mit vielen Bürgern zeigt.
Gespräch im Wahlkreisbüro: Torbjörn Kartes vor einem großen Bild, das Altkanzler Helmut Kohl mit vielen Bürgern zeigt.

Es arbeitet in Torbjörn Kartes. Denn er wird ein Ehrenamt aufgeben, das ihn stark geprägt hat und ihm Spaß macht. Schließlich gehört der 39-Jährige schon zehn Jahre dem Stadtrat an und war davor fünf Jahre lang der Geschäftsführer der Fraktion. „Ich bin in der kommunalpolitischen Familie groß geworden“, sagt das CDU-Mitglied. Dennoch hat sich Kartes entschieden, am 26. Mai nicht wieder für den Stadtrat zu kandidieren. Leicht gefallen ist ihm dieser Entschluss offenbar nicht. Letztlich hat wohl die Vernunft den Ausschlag gegeben, lässt der Jurist durchklingen. Denn in seinen ersten rund 15 Monaten als Bundestagsabgeordneter in Berlin hat er gemerkt: „Es geht zeitlich und logistisch nicht.“ Zu häufig finden die Sitzungen an denselben Tagen statt. Und da Kartes „stolz auf mein Bundestagsmandat“ ist, soll dieser Wählerauftrag im Vordergrund stehen. Zugleich ist für den 39-Jährigen auch klar: Er möchte nicht einfach nur im Stadtrat anwesend sein, aber kaum noch Zeit für die kommunalpolitische Arbeit haben. Das wäre nicht redlich, meint er. „Denn wir haben andere Leute, die den Job auch gut können.“ Es war ein stetiger und schleichender Prozess im Vorjahr. Kartes hat sich zunächst vom Fraktionsvorsitz verabschiedet und sich dann aus den Ausschüssen zurückgezogen. Jetzt folgt auch noch der Abschied aus dem Stadtrat. Er selbst nennt es eine Zäsur. Dass er im April zum letzten Mal als Mitglied den Stadtratssaal betreten wird, sei eine merkwürdige Vorstellung. „Das wird jetzt so langsam konkreter.“ Richtig gespürt habe er das zum ersten Mal rund um den Jahreswechsel: Als er da Termine notiert hat, „war es schon komisch, den Stadtrat nur bis zur Jahresmitte festzuhalten“. Später nimmt Kartes beim Blick auf den April noch einmal das Wort Zäsur in den Mund – aber eher lachend: Dann wird er nämlich 40. Was ihm definitiv fehlen wird, sei die direkte politische Rückkoppelung von Berliner Entscheidungen und wie diese dann vor Ort wirken. „Diese Erdung ist extrem wichtig.“ Hat er dann keine Angst davor, abzuheben und nicht mehr so genau mitzubekommen, was daheim los ist? Kartes überlegt kurz, kommt dann aber zu einer klaren Meinung und Einschätzung. Nein, die Angst habe er nicht, sagt er. Und kann seine Position direkt begründen: „Ich nutze die Zeit im Wahlkreis für ganz viele Gespräche. Das werde ich so intensiv weiterführen. Da spüre ich, was die Menschen wollen.“ Dass Redebedarf besteht, sehe er an seinen Sprechstunden: „Die sind immer voll.“ Dieses Ohr an der Basis zu haben und vor Ort das Leben zu gestalten, das macht für Torbjörn Kartes die Kommunalpolitik aus. Als ganz großen Erfolg seiner zehnjährigen Stadtratszeit bezeichnet er die Entwicklung am Rhein. „Als ich mit dem Bus noch ins Gymnasium gefahren bin, kam ich täglich an Containern vorbei. In der Innenstadt ist man ja quasi auf eine Mauer zugelaufen.“ Entstanden sei daraus ein Quartier, so Kartes, auf das die Stadt stolz sein könne und das sehr wertvoll sei. „Dass ich in den zehn, 15 Jahren den Bau der Rhein-Galerie und die Entwicklung des Rheinufers Süd bis zur Parkinsel mitgestalten konnte, macht mich sehr zufrieden“, sagt der 39-Jährige. Geschätzt habe er an der Ratsarbeit immer den offenen Umgang untereinander. „Es gab harte Diskussionen in der Sache, aber wenig persönlich Verletzendes.“ Die Arbeit in der Fraktion sei auch vom Bemühen um ein gutes Ergebnis für Ludwigshafen geprägt. Dazu zählten intensive Debatten, akribisches Aktenstudium und Besichtigungen vor Ort. Mit den Entscheidungen zum Rathausturm, zum Berliner Platz und zu den Hochstraßen stehe die Stadt vor wegweisenden „und anstrengenden Zeiten“. Die Herausforderungen bezeichnet Kartes als „riesig“. Er selbst sehe sich in der Pflicht, in Berlin seinen Beitrag zu leisten – etwa bei der Frage, ob es Zuschüsse gibt. Stichwort Berlin: Dort trifft er einmal pro Woche seinen früheren Stadtratsfraktionsvize Christian Beilmann, der jetzt auch in der Hauptstadt arbeitet, zur Joggingrunde. Der sportliche Ausgleich sei sehr wichtig, sagt Kartes. „Aber auch der Austausch mit einem Außenstehenden.“ Ein Fest zum Stadtratsausklang mit der Fraktion hat er noch nicht geplant. „Erst mal ist Wahlkampf.“ Kartes will sich auf alle Fälle einbringen. „Ich gehe mit den Kandidaten von Haustür zu Haustür.“ Denn er bleibe der kommunalen Familie ja verbunden. Die Serie Gleich mehrere gestandene Politiker verlassen nach der Kommunalwahl am 26. Mai aus unterschiedlichen Gründen den Stadtrat. Einige von ihnen stellen wir in den nächsten Wochen immer dienstags vor.

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