Ludwigshafen Entsetzlich komisch

Mann der Extreme: Matthias Egersdörfer im Schatzkistl.
Mann der Extreme: Matthias Egersdörfer im Schatzkistl.

„Vom Ding her“ hieß das vorige Programm des fränkischen Kabarettisten und Cholerikers Matthias Egersdörfer. „Ein Ding der Unmöglichkeit“ lautet der Titel seiner aktuellen Tournee. Da kann man schon mal durcheinanderkommen. Egersdörfer gastierte an zwei Abenden nacheinander im Mannheimer Schatzkistl.

Er betritt die Bühne, spricht wenige Sätze und bricht gleich wieder ab. „Das war jetzt der komplett falsche Anfang. Das war der Anfang vom letzten Programm.“ Egersdörfer erweckt absichtsvoll den Eindruck, er sei nicht ganz bei der Sache. Er scheint nachdenklich, setzt mehrfach an und hält immer wieder ein. Das neue Programm zu spielen, scheint ihm „Ein Ding der Unmöglichkeit“. Selbstzweifel nagen an ihm. War es überhaupt eine gute Entscheidung, „Spaßmacher“ zu werden, fragt er sich. Schließlich ernte er auch privat eher bedenkliches Stirnrunzeln als befreiendes Gelächter, wenn er sich äußere. Eigentlich wäre er doch viel lieber Sportlehrer geworden: „Im Frauengefängnis. Übergewichtige Weiber rumkujonieren, des hätt’ mir gefallen!“ Eine größere Bedeutung als das Kabarett oder der Sport besitze in seinem Leben aber ohnehin der Schlaf. „Man kann sagen, ich bin von Beruf müde“, erklärt der 48-Jährige. Ausführlichst schildert er seine langen Ruhezeiten auf der heimischen Chaiselongue und weiß: „In unserer Welt wär’ viel verhindert, wenn die Leute sich öfter mal aufs Sofa legen würden.“ Da sieht er auch den Gesetzgeber in der Pflicht: „Es braucht eine Sofa-Zwangsliegezeit.“ Ihm selbst scheint die Ruhe nicht sonderlich gutzutun. Woran er so denkt und was er sich alles ausmalt, wenn er wieder mal stundenlang daliegt und nicht einschlafen kann, ist so krude verstörend wie entsetzlich komisch, weil Egersdörfer sich vor seinem Publikum gnadenlos demaskiert und auf diese Weise all die verdrängten und vielfach verleugneten Schattenseiten des Menschseins auf die Bühne bringt. Noch wahrhaft poetisch und zärtlich klingen seine wortreichen Elogen aufs gute Essen, das ihm als „Gottesbeweis“ gereicht. „Salzknöchla“ (Eisbein), Saure Zipfel und bernsteinfarbene Würste, deren Geruch ihn ergreift wie eine Sinfonie von Richard Strauss, bis der Kabarettist die gesättigte Atmosphäre jäh mit ungezügeltem Fäkalhumor einreißt. Seine kleinteilig ausgestalteten Gewaltfantasien, seine unverhohlene Freude, sich am Leid anderer aufzurichten, seine wiederkehrenden Ausführungen über Sexualität, Tod und ekelhafte Körperausscheidungen und sein ungebremstes Eigenlob formen sich zu unverstellten Horrorstorys, die alle Schlechtigkeit der Welt spiegeln. Im zweiten Teil nehmen sie etwas überhand. Aber zum Lachen reizen sie durch die zahlreichen Um- und Abwege, die dieser große Monolog nimmt. Egersdörfer verläuft und verliert sich, freilich nur scheinbar, in den ausgedehnten Schilderungen abstruser Fantasien. Der Mittelfranke, als Michael Schatz Leiter der Spurensicherung im Nürnberger „Tatort“, zeigt sich auf der Bühne als Mann der Extreme. Im dezenten Nadelstreifen und Hemd, die letzten Haarsträhnen über die Glatze gekämmt, schwillt ihm immer wieder der Kamm. Und so wenig, wie er sich selbst von seiner Kritik ausnimmt, verschont er das Publikum: „Was lachen’s denn so blöd?!“

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