Ludwigshafen Eine Stadt im Theaterfieber

Die Multihalle im Herzogenriedpark wird zum Schauplatz für „Mannheim 2.480 oder die subjektive Sicherheit“.
Die Multihalle im Herzogenriedpark wird zum Schauplatz für »Mannheim 2.480 oder die subjektive Sicherheit«.

Die Rede ist natürlich von den „Räubern“. Friedrich Schillers Drama um die Rivalität zwischen den Brüdern Franz und Karl Moor, das am 13. Januar 1782 in Mannheim uraufgeführt worden ist – ein Ereignis, das Schiller auf einen Schlag berühmt machte und ohne das sich ein Theaterfestival vermutlich nicht zehn Tage lang, vom 20. bis 30. Juni, mit der Frage beschäftigen würde, inwiefern Schiller für die Gegenwart relevant ist und wie seine Gedanken zur Zeit auf die gesellschaftlichen Probleme und Debatten heute übertragbar sind. „Die Räuber“ also. Sie kommen im Programm der 20. Internationalen Schillertage gleich zweimal vor. Einmal als „reale Fiktion im Mannheimer Stadtraum“, wie Laurenz Rachke und Kajetan Skurski als Studio Beisel ihre Inszenierung untertitelt haben. Karl und Franz sind darin ein erfolgreiches Duo, das in seinem Büro „Moor&more“ an Ideen für die digitale Zukunft arbeitet. Das Start-up soll die Kommunikation revolutionieren, und das Publikum bekommt die Chance, live dabei zu sein. In kleinen Gruppen bewegt es sich an den Spielort und nimmt dort entweder Karls oder Franz’ Perspektive ein. Nicht minder radikal versprechen die „Räuber“ in der Inszenierung des Schauspiels Köln zu werden. Ersan Mondtag, ein junger, an deutschen Bühnen gerade sehr gefragter Regisseur, hat die Männerrollen mit Frauen besetzt und die Frauenrollen mit Männern. Für seine bildgewaltigen Arbeiten wird er ebenso gehypt wie kritisiert – das Mannheimer Publikum kann sich am 24. Juni ein eigenes Bild machen. „Die Schiller-Produktionen stehen im Mittelpunkt, werden aber durch viele weitere Theater- und Kunstprojekte ergänzt“, sagte Christian Holtzhauer, Schauspielintendant und künstlerischer Leiter der Schillertage. Diesen Weg wolle er für die drei Ausgaben des Festivals, die in seinem fünfjährigen Vertragszeitraum liegen, weiter beschreiten. Für den 45-Jährigen, dessen erste Spielzeit am Nationaltheater mit den Schillertagen zu Ende geht, ist die Aufgabe, ein Festival zu konzipieren, nichts Neues gewesen: Fünf Jahre lang war er vor seiner Mannheimer Station künstlerischer Leiter des Kunstfests Weimar. Ein Festival nannte er einen „temporären Ausnahmezustand“, das im besten Fall Menschen zusammenbringe, die sonst nicht zusammenkämen. „Fieber“ heißt das Motto der 20. Internationalen Schillertage in Anspielung auf Schillers Arzt-Beruf und auf die Malaria-Krankheit, mit der er sich in Mannheim infizierte. Programmhefte und Plakate mit acht verschiedenen, jeweils aus vier Fotos zusammengesetzten Motiven, werben seit gestern dafür. Eines davon zeigt die Spielkarte mit der Herzdame, zwei Freundinnen auf Shoppingtour, ein blutverschmiertes Messer und einen eingesperrten Mann. Erraten? Es geht um „Maria Stuart“, Schillers Königinnendrama. Claudia Bauer inszeniert es für das Nationaltheater. Mit der Eigenproduktion eröffnen die Schillertage am 20. Juni. Mit Alexander Eisenachs Düsseldorfer „Don Karlos“-Inszenierung kommt ein weiteres hochkarätiges Gastspiel nach Mannheim (22. Juni). Und „Kabale und Liebe“ darf auch diesmal nicht fehlen: Am 23. Juni gastiert das Staatsschauspiel Dresden mit dem „bürgerlichen Trauerspiel“ in der Inszenierung des georgischen Regisseurs Data Tavadze. „Kabale und Liebe“ sei das „mannheimerischste“ Stück Schillers, hier geschrieben und mit zahlreichen Bezügen zur Stadt versehen, sagte Holtzhauer. In genau jene Stadt hinein möchte das Nationaltheater auch wirken: mit zahlreichen Produktionen und Aktionen, die nicht im eigenen Haus oder im Festivalzentrum „NTM-Arena“ vor dem Haus stattfinden. So wird zum Beispiel die deutsche Erstaufführung von „Tram 83“ nach dem Roman von Fiston Mwanza Mujila in der Disco Zwei gezeigt, einem Club in T 6. In der Abendakademie ist die Videoinstallation „Guilty Landscapes“ von Dries Verhoeven zu erleben, im Eintanzhaus der internationale Theaterabend „Odissea“. Ein fester und beliebter Bestandteil der Schillertage sind die „Schill-Outs“, kostenlose Konzerte an jedem Abend. Neu ist die Location: Nicht mehr im Foyer des Nationaltheaters, sondern draußen spielen Bands und legen DJs auf. David Kirchner zum Beispiel, ein recht bekannter Mannheimer Musiker, oder Jungstötter, das Projekt des aus Landau stammenden Sängers Fabian Altstötter. „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ heißen Schillers Briefe, in denen er sich mit der Kunst auseinandersetzt. 27 Autoren sind vom Nationaltheater eingeladen worden, sie für unsere Zeit fortzuschreiben. Das Ergebnis kann man in Lesungen bei den Schillertagen hören und als Buch kaufen. Es soll pünktlich zum Festivalbeginn im Heidelberger Verlag Das Wunderhorn erscheinen. Im Netz www.schillertage.de

Das Schauspielhaus Düsseldorf zeigt „Don Karlos“.
Das Schauspielhaus Düsseldorf zeigt »Don Karlos«.
Verantwortet seine ersten Schillertage: Schauspielintendant Christian Holtzhauer.
Verantwortet seine ersten Schillertage: Schauspielintendant Christian Holtzhauer.
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