Ludwigshafen Eine Geschichte in Bildern

Lassen die Theaterszenen mit einfachsten Mitteln entstehen: Sarah Mehlfeld (links) und Lisa Balzer in „Akim rennt“.
Lassen die Theaterszenen mit einfachsten Mitteln entstehen: Sarah Mehlfeld (links) und Lisa Balzer in »Akim rennt«.

„Akim rennt“ von der Compagnie toit végétal erzählt von einem kleinen Jungen, der bei der Bombardierung seines Dorfes seine Familie verliert und zum Flüchtling wird. Das Thema ist derzeit inflationär auf den Bühnen, aber was die Gruppe daraus gemacht hat, ist einzigartig. Sie war für den Ikarus-Preis 2017 nominiert, zu vielen Festivals – auch in Mannheim zur Imaginale 2018 – eingeladen. Nun gastierte sie im Studio des Theaters im Pfalzbau.

Die meisten Stücke für Kinder haben ein Bilderbuch als Vorlage. Hier jedoch ist das Bilderbuch das Stück. Die belgische Kinderbuch-Autorin und Illustratorin Claude K. Dubois erhielt für „Akim rennt“ den deutschen Jugendliteraturpreis 2014. Das Buch sieht aus wie ein Skizzenblock, indem es Blätter mit flüchtig erscheinenden Schwarzweiß-Zeichnungen aneinanderreiht. In einige wenige sind knappe Texte eingedruckt. Das wirkt wie ungestaltet und unterkühlt, weil es sich der Vorstellung widersetzt, die man gemeinhin von einem Bilderbuch hat. Genau dies macht „Akim rennt“ eindringlich und berührend. Akim lebt in einem Dorf an einem Fluss. Eines Tages kommen Bombenflugzeuge. Die Bewohner rennen in Panik durcheinander, viele stürzen zu Boden, verletzt oder tot. Akims Haus ist nicht mehr, ebenso seine Familie. Milizen marschieren ein und machen die Überlebenden zu Gefangenen. Nach einer Weile des Leidens gelingt ihnen die Flucht. Akim marschiert in dem Flüchtlingszug mit. Sie werden über einen Fluss gesetzt und in ein Flüchtlingslager aufgenommen. Da kümmern sich freundliche Helfer um den verängstigten Jungen. Seine Mutter wird gefunden, und er sinkt ihr in die Arme: ein Moment des Glücks. Ein solches Buch kann man nicht einfach so auf der Bühne nacherzählen. Einige Künstler aus dem Ruhrgebiet und aus Berlin taten sich zusammen, um eine angemessene Umsetzung zu entwickeln. Ihre für diese allererste Produktion gegründete Gruppe nannten sie Compagnie toit végétal (begrüntes Dach). Claude Dubois habe das als Erkennungszeichen für ihr Haus angegeben, als sie die Autorin in Belgien besuchten, sagte Sarah Mehlfeld nach der Vorstellung. Sie arbeitet zusammen mit Christina Hillinger und Thomas Jäkel im Konzept-Team und agiert mit Lisa Balzer auf der Bühne, begleitet von Gitarrist Jörg M. Butter. Die beiden Frauen schieben die Bilder ein, die auf eine Leinwand projiziert werden. Die Bilder erzählen die Geschichte zu Musik und Geräuschen, aber ohne Text. Sie werden von den beiden Frauen auf einfachste Weise inszeniert. Die Bewegung der Hand, die ein Bild einschiebt, wegzieht, umblättert, darüber streicht, sagt mehr als viele Worte. Dazu kommen wenige elementare Materialien. Am Anfang wird ein Fensterausschnitt eingeschoben, durch den man Akim in der Wohnung am Tisch sitzen sieht. Durch Blasen beginnt die Wäsche auf der Leine zu flattern, wenn Akim mit anderen Kindern am Fluss spielt. Die Gitarre heult auf. Schwarze Papierschnipsel regnen auf die Zeichnung herab. Das verkohlte Papier deckt alles zu. Es wird beiseite geblasen und geschoben. Rennende und niedergestreckte Menschen werden sichtbar, mit Sand überdeckt, wieder frei gelegt. Als Zeichen der Gefangenschaft schiebt sich ein Stück Stacheldraht ein. Aus einer Flasche wird Wasser auf eine Zeichnung gegossen und mit den Fingern bewegt als Fluss, über den die Flüchtlinge setzen. Geräusche und schrille Musik signalisieren Bedrohung. Wenn die Musik still und leise wird, spürt man die Angst des verlassenen Kindes. Als es sich an die wiedergefundene Mutter klammert, atmet man erleichtert auf. Wer im Frieden lebt, kann uns nur schwer eine Vorstellung machen, wie fürchterlich der Krieg von denen erlebt wird, die ihm ausgeliefert sind.

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