Ludwigshafen Einbruch ins Mainzelmännchen-Museum

„Die Stadt & das Mädchen“: Bernd Begemann in Ludwigshafen.
»Die Stadt & das Mädchen«: Bernd Begemann in Ludwigshafen.

Konzeptalben ibt es eigentlich nicht mehr. Doch Bernd Begemann hat es gewagt. Noch dazu mit Liedern, die aus vergangenen Jahren als Singer/Songwriter stammen. „Die Stadt & das Mädchen“ sei „ein romantischer Liederzyklus, aber keine Liebesgeschichte“, heißt es auf dem Programmzettel. Im Ludwigshafener Haus hat es dann noch weitere Songs und ein amüsantes Missverständnis gegeben.

Dass die Stücke unabhängig voneinander entstanden sind und ursprünglich nichts miteinander zu tun hatten, merkt man gar nicht. Denn Begemann hat es geschafft, sie in eine schlüssige Reihenfolge und einen dramaturgischen Zusammenhang zu bringen. „Die Geschichte einer Frau, erzählt von einem Zeugen“, steht noch auf dem Zettel. Es ist eine Coming-of-Age-Erzählung, die mit dem Aufbruch in die Großstadt beginnt. „Weg aus dem Tal und nach München“, damit fängt alles an. „Sie tat etwas, das man eigentlich nicht tut, sie fühlte sich unheimlich gut“, heißt es im ersten Song. Es folgen Selbstzweifel, formuliert in dem Titel „Vielleicht hatten deine Eltern recht.“ Begemann beobachtet scharf und beschreibt mit einer ironischen Distanz, und das hat er schon so gehalten, bevor es hip wurde. „Teil der lebendigen Stadtteilkultur“ ist dafür ein schönes Beispiel. Da reimt sich „Stadtteilkultur“ auf „freche Fransenfrisur“ und „Akupunktur“, und weil man sich engagiert, unterstützt man die „Kandidatur“ der nun wirklich in der Stadt angekommenen jungen Frau. Begemann wird begleitet von Kai Dorenkamp, Keyboarder von Begemanns Band „Die Befreiung“. Und der hat die Stücke eindrucksvoll arrangiert. Die Stimmung jedes Songs findet Ausdruck, die Themen kommen wirkungsvoll zur Geltung. Begemann zeigt sich hier als der Romantiker, der er immer schon war. Dazu gehört auch Abgründiges wie etwa „Die Nacht vor der Abtreibung“, einem Stück, das bewusst eine männliche Perspektive einnimmt und zur Diskussion stellt. Es ist eine moderne, urbane Romantik, die Begemann entwickelt und die ist meilenweit entfernt von dem Kitsch, der manchmal mit Romantik verwechselt wird. Das Bittere gehört dazu. Die Frau wird noch einmal verehrt in „Du wirst mein Süden sein“, doch der Zyklus findet kein eindeutiges Ende. „Sie gehört den Sternen“ könnte man durchaus als Hinauswachsen und Transzendieren des irdischen Weges interpretieren, was wieder höchst romantisch ist. Im zweiten Teil ging es weiter mit Stücken aus dem bisherigen Schaffen, und der Sänger griff zur E-Gitarre. „Wir spielen Lieder, die sie in dieser Version nie hören wollten“, witzelte Begemann. Und das stimmt natürlich nicht. So tolle Stücke wie „Unten am Fluss“ haben auch in der Duo-Version kein bisschen von ihrer Wirkung eingebüßt. Es wird sogar mitgesungen von der unerwartet kleinen Zuhörerschar. Nicht fehlen darf „Fernsehen mit deiner Schwester“. Da fragt Begemann, wer denn eine Fernsehserie nur aus Gefälligkeit mitgucke und welche. Jemand ruft „Criminal Minds“, Begemann kennt die US-Serie offenbar nicht, versteht „Kriminal Mainz“, improvisiert eine seiner typischen Abschweifungen und fabuliert über Verbrecher auf dem Mainzer Lerchenberg (gemeint ist das ZDF), über einen Einbruch ins Mainzelmännchen-Museum und den in seinen norddeutschen Ohren mutmaßlich fürchterlichen Dialekt in Mainz. Begemann kommt aus dem Kreis der Hamburger Schule, Musikern, die nach dem Abflauen der Neuen Deutschen Welle bei deutschen Texten geblieben sind, aber etwas weniger Gaga und etwas mehr Sinn versucht haben. „Die Stadt & das Mädchen“ ist sein 23. Album und 2018 erschienen.

x