Rheinpfalz Die Spargelwaage geht jetzt wieder ganz genau

Geeichter Blick: Amtsleiter Jürgen Klenk bei der Arbeit.
Geeichter Blick: Amtsleiter Jürgen Klenk bei der Arbeit.

«Mannheim.»Während andere frühere Behördennamen wie Arbeitsamt oder Postamt längst in Vergessenheit geraten sind, strahlt das Wort Eichamt immer noch Seriosität aus. Und das nicht ohne Grund, denn auf die Gewissenhaftigkeit dieser Einrichtung im Mannheimer Industriegebiet Fahrlach müssen sich alle Verbraucher verlassen können.

Das stilisierte „E“ an der Glasfront des Eingangsportals wirkt majestätisch. Es steht symbolisch für ein Amt, an dem niemand vorbeikommt. Ein Dutzend Mitarbeiter sind dort zuständig für Mannheim und Heidelberg sowie für die Landkreise Neckar-Odenwald und den Rhein-Neckar-Kreis. Amtsleiter Jürgen Klenk nimmt gerade eine Spargelwaage entgegen. Sie ist völlig verschmutzt, aber Klenk verzieht keine Miene: „Das ist meistens so, alle kommen auf den letzten Drücker. Optik spielt selten eine Rolle“, sagt der erfahrene Tester augenzwinkernd. Über 9500 Mal im vergangenen Jahr haben seine Inspektoren Eichungen aller Art vorgenommen. Selbst „Undercover“ stehen 250 Schwerpunktkontrollen zu Protokoll. Die Aufgaben des Eichwesens reichen gewissermaßen von der Wiege bis zur Bahre. Im Haushalt, im Straßenverkehr, beim Gesundheitswesen oder beim täglichen Einkaufen – die Behörde hat stets ihre Finger im Spiel. Oder besser gesagt: am Messgerät. Ob man das Licht einschaltet oder den Wasserhahn aufdreht, der Verbrauch von Strom, Gas oder dem unverzichtbaren Nass darf nur mit geeichten Uhren abgerechnet werden. Und an Tankstellen wird das Amt im Verbraucherschutz tätig: Die Eichung der Volumenzähler in Zapfsäulen schützt den Fahrzeugführer vor Manipulationen und der richtige Reifenluftdruck vor Pannen. Abgasmessgeräte erfassen die Konzentration bei Benzin- und Dieselmotoren beim Tüv. „Auch zum Schutz der Umwelt herrscht auf diesem Sektor seit über 30 Jahren Eichpflicht“, sagt Jürgen Klenk nicht ohne Stolz. Wer nicht im eigenen Auto unterwegs ist, wird trotzdem von Klenks Team behütet. Alle Taxis der Rhein-Neckar-Region müssen vom Eichamt ihre Fahrpreisanzeiger absegnen lassen, die Mietwagenfirmen ihre Kilometerzähler. Weniger beliebt bei Verkehrsteilnehmern: die Überwachung der Geschwindigkeit durch Polizei und Ordnungsbehörde – natürlich nur mit regelmäßig gewarteten und geeichten Blitzern. Die meisten Produkte im Supermarkt werden heute in Fertigpackungen angeboten. Die Eichbehörde Mannheim, die dem Regierungspräsidium Tübingen unterstellt ist, spielt auch hier „Big Brother“ zum Schutz der Verbraucher. Sie versucht stichprobenartig, die Einhaltung der Füllmengen direkt bei der Herstellung zu garantieren. Ihr eigenes Labor untersucht akribisch die in der Region hergestellten Produkte und greift bei beanstandeten Mogelpackungen durch, die eine größere Füllmenge vortäuschen. Wie hoch die ausgesprochenen Strafen sind, bleibt unveröffentlicht. Da die acht Eichämter des Landes Baden-Württemberg aber kostendeckend arbeiten, müssen die Kassen gelegentlich laut klingen. Die mit Abstand größte Anzahl von Beschwerden gibt es beim Verkauf von loser Ware auf Märkten. Der Grund: Oft wird das Verpackungsmaterial mitgewogen und zum Grundpreis der Ware dazugerechnet. Auf ein Jahr gerechnet kämen auf diese Art und Weise Millionenbeträge zusammen. „Wer Käse für zwei Euro kauft, wird die zwei Gramm Einwickelpapier, die auf den Preis kommen, leichter verkraften als einer, der sich Fleisch für 50 Euro das Kilo verpacken lässt. Doch wenn alle Waagen geeicht sind, wird auch niemand in Versuchung geführt“, kennt Klenk die Tricks seiner Pappenheimer. Abseits des täglichen Butter-und Brot-Geschäfts sichern technische Fortschritte auch künftig die Jobs des 42-jährigen Mannheimer Chefs und seiner Außendienstler. Rasche Verbesserungen in der Medizintechnik geben den Takt vor. Blutuntersuchungen in Labors, Diagnosen und Therapien in Arztpraxen sowie Tumorbehandlungen in Kliniken sind ohne von Eichämtern freigegebene Messgeräte gar nicht mehr denkbar. Das stilisierte „E“ dürfte also auf absehbare Zeit seine Symbolkraft erhalten. Übrigens, der ehrliche Spargelbauer mit der verschmutzten Waage muss an diesem Morgen 70 Euro für das Prüfsiegel bezahlen. Dafür hat er jetzt wieder zwei Jahre eine optimal eingestellte Apparatur.

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