Rhein-Pfalz Kreis Die sanfte Peitsche

Seine Leidenschaft für die sanften Bewegungen des Tai Chi wurde in China geweckt. Helmut Spindler zeigt Interessierten am Badewe
Seine Leidenschaft für die sanften Bewegungen des Tai Chi wurde in China geweckt. Helmut Spindler zeigt Interessierten am Badeweiher, wie sie Bewegungen wie die Peitsche oder den Affen richtig ausführen.

«Neuhofen.»In China wird Tai Chi im Freien praktiziert. Und in Neuhofen will Helmut Spindler es auch draußen, nämlich am Badeweiher Steinerne Brücke anbieten. Noch steht der 64-Jährige allein am Ufer, doch ab 5. Juni bietet er jeden Dienstagmorgen um 9 Uhr gemeinsames Üben für alle Interessierten an. „Einfach vorbeikommen und ausprobieren“, empfiehlt er.

Helmut Spindler steht auf der Wiese am Badesee in Neuhofen und macht langsame, weit ausholende Bewegungen. Ein junger Mann auf einer Bank schaut interessiert zu. „Ist das Tai Chi?“, fragt er. „Ja“, antwortet Spindler. „Das ist das klassische Tai Chi Chuan im Yang Stil.“ Schon seit seiner Jugend interessiert sich Spindler für die chinesische Kultur. Bei einer seiner Chinareisen in den 1990er-Jahren fielen ihm Menschen in einem Park auf, die langsame, fließende Bewegungen machten. „Mir kam das Wort Schattenboxen in den Sinn, obwohl dieser deutsche Ausdruck überhaupt nicht passt“, erzählt er. Später habe er dann erfahren, dass die Menschen Tai Chi machen. Sein Interesse war geweckt. „Wie es der Zufall so will, habe ich dann von Tai-Chi-Kursen im Franziskaner Kloster in Dietfurt im Altmühltal gehört“, sagt der pensionierte protestantische Pfarrer. Er habe gar nicht gewusst, wie viel Glück er hatte, einen der heiß begehrten Kursplätze zu bekommen. Später habe er dann erfahren, dass er dort die besten Lehrer hatte: Petra und Toyo Kobayashi. Die beiden brachten Tai Chi in den 1970er-Jahren nach Deutschland. Spindler holt aus zu einem Exkurs über Tai Chi und erzählt die Legende des daoistischen Mönchs Chang San-Feng, der im zwölften Jahrhundert als Einsiedler lebte. Er beobachtete den Kampf zwischen einer Schlange und einem Kranich. Die Schlange wich den harten, schnellen Stößen des Kranichs immer wieder aus, bis dieser erschöpft aufgab. Aus dieser Beobachtung entwickelt Chang San-Feng die Prinzipien der „inneren Kraft“ des Tai Chi Chuan. Lange Zeit wurde Tai Chi nur als Familientradition weitergegeben. In den Westen, vornehmlich in die USA, kam Tai Chi durch Zheng Man Ching, einem Schüler des Meisters Yang Cheng Fu, der eine Kurzform des Bewegungsprogramms entwickelt hat und dabei auf die gesundheitlichen Aspekte Wert legte. Mao Zedong hat dagegen Tai Chi als Veranstaltung für die Massen in China populär gemacht. „Daraus hat sich die Peking-Form entwickelt, das ist es, was man in den Parks, Schulen und Hallen sieht. Es ist als Gesundheitsprophylaxe für Milliarden von Chinesen gedacht“, erklärt Spindler. Er selbst unterrichtet seit drei Jahren die sogenannte Yang-Form, die seine Lehrmeister, die Kobayashis, in China von einem anderen Schüler Yang Cheng Fus gelernt haben. „Ich beherrsche die Langform, die 20 Minuten dauert, aber ich unterrichte die etwa acht Minuten dauernde Kurzform“, erzählt er und beschreibt Tai Chi: langsame, fließende Bewegungen mit Gewichtsverlagerung. Die Übungen sind knie- und gelenkschonend, stabilisieren den Kreislauf und regen die inneren Organe an. Der Bewegungsablauf, den Spindler täglich mindestens eine halbe Stunde selbst übt, setzt sich aus 37 verschiedenen Figuren zusammen, die Namen wie Abwehr des Affen, Peitsche, Kranich oder Wolkenhände haben. „Wer Tai Chi macht, braucht keinen Physiotherapeuten und im Alter keinen Rollator“, sagt Spindler. Wer es ausprobiert, sollte schon ein wenig Geduld haben. In China gebe es ein Sprichwort: Man sollte zwei Jahre Tai Chi üben, um zu entscheiden, ob Tai Chi für einen geeignet ist. So lange dauere es auch in etwa, bis man die achtminütige Kurzform beherrsche. In Neuhofen startet Spindler mit Tai Chi ein Experiment: Er findet die Bewegung im Freien sehr gesund, in China wird Tai Chi auch im Freien praktiziert, warum also nicht in Neuhofen am Badeweiher? Eine Kursgebühr hat er nicht festgelegt, kostenfrei soll es auch nicht sein. „Ich wäre einfach froh, wenn es irgendwie honoriert würde.“

x