Ludwigshafen Die russische Seele singt

Zum zweiten Mal war jetzt das Rachmaninow Quartett aus der russischen Stadt Sotschi während einer Europa-Tournee in Ludwigshafen zu Gast. Das Konzert in der Lukaskirche stand im Zeichen des langjährigen Engagements des Vereins Kultur-Rhein-Neckar für den deutsch-russischen Austausch. Es wurde mit enthusiastischen Ovationen gefeiert.

Erstklassige, vorwiegend junge kammermusikalische Vereinigungen sind alles andere als eine Seltenheit im gegenwärtigen klassischen Musikbetrieb. Sie tummeln sich vielmehr sehr zahlreich auf den Konzertpodien. Mit den meisten von ihnen kann das 1978 in der Staatsphilharmonie Sotschi gegründete Rachmaninow Quartett auf jeden Fall mithalten. Seinen heutigen Namen trägt das Ensemble seit 1995, nachdem es Rachmaninows Enkel bei einem Besuch in Sotschi autorisiert hat. Bei seinem Konzert in Ludwigshafen, dem zweiten nach einem ersten Auftritt vor zwei Jahren, stand das der mittleren Alterskategorie zuzuordnende Ensemble für zwingende kammermusikalische und instrumentalistische Ansprüche ein. Die beiden Geiger Misha Tisarevsky (Primarius) und Alexey Petrovsky, Bratschist Sergey Tsedrik und Cellist Vladimir Shokhov sind souveräne Könner mit ausgeprägten virtuosen Reserven. Letztere prägten die brillante Darbietung von Tschaikowskys erstem Streichquartett und dabei ganz besonders dem Parforceritt des Finales, das stellenweise durch liebenswürdige Akzentuierungen sogar ausgesprochen elegant daherkam. Nicht zu vergessen außerdem die durch bogentechnische Bravour erreichte rhythmische Prägnanz des dritten Satzes. Für die Qualität des Rachmaninow Quartetts sprach auf jeden Fall der durchweg ebenso ausgewogene wie intensive kammermusikalische Dialog zwischen den Instrumenten. Hinzu kam freilich die feine Tonqualität. Nicht zu verschweigen bleibt allerdings, dass der Klang, besonders jener der ersten Violine, im ersten Stück des Programms, Mozarts Streichquartett in d-Moll, KV 421, etwas zu sanft und süß anmutete. Mozart wurde da mitunter ein wenig weichgespült. Etwas markantere Akzentuierungen wären ebenfalls vorstellbar gewesen. Außerdem hatte es das Ensemble bei Mozart manchmal eilig. Um so überzeugender wirkten dagegen bei Schostakowitschs viertem Quartett der dichte sonore Sound, die höchst feinfühlige, differenzierte, sanglich geprägte Umsetzung der melancholischen Instrumentallyrik des langsamen Satzes und die pulsierende rhythmische Spannung des dritten. Und von bestechender Schönheit war der Ausklang des Schostakowitsch-Quartetts in flüsterndem, dahinsterbendem Pianissimo. Da ging es um auskomponiertes Verstummen. Zum Schluss des Abends konnte sich dann die russische Seele mit bedingungsloser Hingabe aussingen und eindrucksvolle Virtuosenstreiche ausüben. Ausgeklungen ist der Abend in der Lukaskirche mit einem launigen Weihnachtsgeschenk: mit dissonanten Variationen über „Stille Nacht, heilige Nacht“.

x