Ludwigshafen Die Mutter der närrischen Kompanie

Bei der Miljöh-Sitzung der KG-Eule am Samstag war Simone Landwehr (rechts) als Senioren-Rättin im Einsatz, die Lydia Kraus (link
Bei der Miljöh-Sitzung der KG-Eule am Samstag war Simone Landwehr (rechts) als Senioren-Rättin im Einsatz, die Lydia Kraus (links) fürsorglich im Friesenheimer Untergrund empfängt.

Seit sie denken kann, wirbelt sie über die Bühne: Simone Landwehr, in der närrischen Szene auch bestens bekannt unter ihrem Mädchennamen Unfricht, ist seit 40 Jahren leidenschaftliche Fasnachterin – zunächst als aktive und hochdekorierte Tänzerin, längst aber auch als kreative und begeisterungsfähige Trainerin. Kürzer zu treten würde der 45-Jährigen nicht mehr so schwer fallen. Aufhören kommt für sie längst noch nicht in Betracht.

Jahr für Jahr sind die Besucher der legendären Party der Friesenheimer Karnevalgesellschaft Eule im BASF-Casino gespannt, welche Choreografie sich die Chefin der Schautanz-Truppe für die neue Kampagne ausgedacht hat. An diesem Abend hat das neue Programm Premiere. Dem fiebern auch die akribisch geschminkten und detailverliebt verkleideten Tänzerinnen entgegen, bekommen sie doch erstmals eine Rückmeldung, wie sehr sich die wochenlangen Proben gelohnt haben. In der Vergangenheit hat sich Simone Landwehr des Öfteren von Musicals wie „König der Löwen“, „Tanz der Vampire“ oder „Aladin“ zu einer närrischen Adaption inspirieren lassen, heuer hat sie sich wieder einmal die komplette Handlung ausgedacht. Mit einem Besuch in der Unterwelt, bei den „Ratten von Friesenheim“, hat sie überdies Mut zu einem anrüchigen Sujet bewiesen. Die Rechnung der erfahrenen Regisseurin ging auf. „Die Mädels haben von Anfang mitgezogen, und das hat mich bestärkt, mal einen solchen unkonventionellen Pfad einzuschlagen“, erzählt die Ehefrau des Eule-Vorsitzenden Andreas Landwehr, die sich in dieser Inszenierung die Rolle der Ratten-Großmutter auf den Leib geschrieben hat. Nicht weil sie sich schonen wollte in der fast zehnminütigen Choreografie. Aber als Seniorin in der Truppe kennt sie ihren Platz und ihre Rolle. Dass die Mutter der sechs Jahre alten Emilia konditionell jedenfalls mühelos mithalten kann, ist jahrzehntelangem und kontinuierlichem Training zu verdanken. Es begann wenige Monate nach dem Fasnachtssonntag 1977. Da schaute die gerade vier Jahre alt gewordene Simone mit großen Augen auf den bunten Umzug, der sich durch die Innenstadt schlängelte. Als der prunkvolle Wagen der „Rheinschanze“ an ihr vorbeirollte, stand der Entschluss fest: Ich will auch Fasnachterin sein. Landwehrs erste Trainerin Beatrix Brönner erkannte in dem gelenkigen und bewegungsfreudigen Kind rasch das schlummernde tänzerische Potenzial. In den ersten drei Jahren lebte das Nachwuchstalent dieses noch mit seinem Kindertanzpartner Patrick Brönner aus. Das Paar wurde auf Anhieb und mehrfach Pfalzmeister in seiner Altersklasse, qualifizierte sich für die Deutsche Meisterschaft. In Simone Landwehr wuchs mehr und mehr der Wunsch nach Solo-Auftritten als Tanzmariechen. Maßgeblich gefördert von ihren damaligen Trainerinnen Heide Reitz und deren Tochter Martina (ihrerseits erfolgreiches Tanzmariechen bei den „Obbarer Dambnudle“), gewann sie bei ihrer Premiere im Dezember 1982 prompt das legendäre Gardetanzturnier des Karnevalvereins Hans Warsch Oggersheim in der Eberthalle und qualifizierte sich damit für die Deutsche Meisterschaft in Kassel, von der sie mit der Silbermedaille zurückkehrte. Mit diesem Erfolg begann ein jahrelanger Hype um das Aushängeschild der Ludwigshafener Fasnacht. Zig Pfalzmeistertitel und Auftritte bei Deutschen Meisterschaften folgten. An die 60 Pokale in ihrem Besitz erzählen davon – für Solo-Tänze oder im Duett mit Patrick Brönner und später Thomas Magin. „Tanzen ist für mich Träumen mit den Beinen, dann tauche ich ein in eine andere Welt.“ Bis Mitte der 90er-Jahre trat die Oggersheimerin, die Anfang der 90er-Jahre auch noch ins Kostüm des Maskottchens des 1. FCK geschlüpft war, für die Rheinschanze an, danach (und bis vor fünf Jahren) für die von ihrem Bruder Steffen Unfricht gegründete Stadtgarde und seit 20 Jahren für die Friesenheimer Eule. „Was ich erreichen wollte, wollte ich immer aus eigenem Antrieb, niemand hat mich gezwungen“, meint Simone Landwehr im Rückblick. „Im Gegenteil, meine Eltern haben mich unterstützt, wo sie nur konnten, haben mich unzähligen Trainingsstunden und Auftritten gefahren.“ Bereits Ende der 80er-Jahre wollte die damals 16-Jährige ihr Talent nicht nur für sich behalten, sondern es als Trainerin weitergeben. Seit 13 Jahren ist Landwehr im Besitz einer C-Lizenz mit Schwerpunkt auf karnevalistischem Tanzsport. Mit Sabrina Schieß, Lydia Kraus und Fenja Kattermann hat die gelernte Fachwirtin für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft bei den Friesenheimer Karnevalisten mittlerweile talentierte Co-Trainerinnen, die ihrerseits die diversen Jugendgarden liebevoll betreuen. Zu den Jungtänzerinnen bei den Kadetten zählte auch Tochter Emilia, die kurz nach der Hochzeit mit Ehemann Andreas 2011 zur Welt gekommen ist. Der große Traum vom Titel einer Stadtprinzessin ist Simone Landwehr wegen der seinerzeitigen Querelen zwischen dem Großen Rat und abtrünnigen Vereinen wie der Eule zwar verwehrt geblieben. Zu royalen Ehren ist sie in der 111 Tage langen Kampagne 2005/06 dennoch gekommen, als die Stadtgarde und die Eule sie zu ihrer Jubiläumsprinzessin gekürt hatten. Unvergessen ist ihr Auftritt im vollen Ornat am schmutzigen Donnerstag vorm Speyerer Amtsgericht. Wegen dienstlicher Verpflichtungen musste Landwehr ihre Zeugenaussage in voller Abendgarderobe machen. Wenn’s der Wahrheitsfindung dient.

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