Ludwigshafen Die Gefahr lauert überall

Evolution heißt das Stück, das heute Premiere feiert.
Evolution heißt das Stück, das heute Premiere feiert.

«Mannheim.» Schon ein falscher Schritt kann das Berufsende bedeuten. Tänzer müssen höllisch aufpassen, dass sie sich nicht ernsthaft verletzen. Ein Beinbruch bedeutet eine mehrmonatige Pause, ein Kreuzbandriss ist schon fatal. Schwerwiegende Blessuren können verheerende Folgen für die Laufbahn eines professionellen Tänzers haben. Und da die Karriere eines Tänzers ohnehin nur wenige Jahre dauert, gehen sie mit sehr wachsamen Augen durch ihr Leben. „Deshalb muss ich auch einen Plan B haben“, sagt Rubén Julliard: „Und der Plan B ist genauso wichtig wie Plan A.“ Rubén Julliard ist Tänzer am Nationaltheater in Mannheim – einer von 18. Der 27 Jahre alte Franzose kam im September aus Montréal nach Mannheim. Heute ab 19.30 Uhr gehört Julliard zum Ensemble, das das Tanzstück „Evolution“ aufführt. Es ist eine anspruchsvolle Aufführung, denn sie besteht aus höchst individuellen Choreographien. „Das ist für Tänzer eine Herausforderung“, sagt Julliard. Für ihn heißt es dann auch, topfit zu sein. Es heißt, mehr zu machen, als nur zu proben. Wobei schon die bis zu dreistündigen Proben intensiv und hart sind. Julliard geht – wie die anderen Tänzer auch – mehrmals die Woche ins Fitness-Studio. Dort trainiert er individuell. Eine Stunde dauert seine Einheit. Julliard stemmt Hanteln, stärkt den Rücken, den Bauch in verschiedenen Ausführungen sowie Schwierigkeitsgraden. Nicht von ungefähr kommt der häufig so bewunderte perfekt definierte Körper eines Tänzers. „Wenn ich nicht fit bin, dann fühle ich mich nicht wohl“, betont Julliard. „Die Arbeit hier ist hart, aber herzlich. Das wollte ich so“, sagt Julliard. Er wollte schon immer Tänzer werden. Rubén Julliard hat vier Schwestern und einen Bruder. Er kommt aus Südfrankreich. In Cannes studierte er bei Rosella Hightower und zwischendurch ein Jahr am „Conservatoire National supérieur de musique et danse in Lyon“. Es war ein beschwerlicher Weg dorthin. Julliards Bruder tanzte – und inspirierte ihn. Rubén spielte Fußball, turnte und war Leichtathlet. Er musste sich dann entscheiden zwischen Turnen und Tanzen. Er war 14 Jahre alt und wollte tanzen, aber seine Eltern hatten Vorbehalte. Deshalb, erzählt Julliard, sei er eines Sommers heimlich zur Direktorin in Cannes gegangen und offenbarte ihr seinen Wunsch: „Drei Monate später bekam ich die Zusage.“ Nach seinem Studium ging Julliard dann nach Kanada. Von 2011 bis 2019 tanzte bei Les Grands Ballets Canadiens de Montréal. Dort wurde er 2013 zum Halbsolisten und 2015 zum Solisten ernannt. Seit September nun ist er in Mannheim, zusammen mit Tänzern aus Russland, Japan, Italien, den USA. Die Internationalität im Ensemble verbunden mit der regionalen Kultur und Lebenswart gefallen Julliard. Seine Frau ging mit ihm nach Mannheim. „Hier in Deutschland ist alles so nah“, sagt Julliard. Es ist nicht nur die Nähe im Vergleich zum großen Kanada, es ist auch die hohe Qualität der Tanzkunst in Deutschland, die Julliard dazu bewegte, Kanada vorübergehend zu verlassen. Deutschland, Frankreich und England sind die führenden Tanznationen in Europa. Für seine Karriere ist es förderlich, in Deutschland eine Anstellung gefunden zu haben. Denn viele Möglichkeiten gibt es nicht. Der Konkurrenzkampf ist hart. Und: Tänzer hören meist im Alter zwischen 30 und 35 Jahren auf. Der Verschleiß ist enorm. Knie, Hüfte und Rücken sind die neuralgischen Punkte. Das heißt, ein Tänzer muss, so gut es geht, an diesen Schwachstellen intensiv arbeiten. Rubén Julliard hat einen konkreten Lebensplan im Kopf. Er will später zurück nach Kanada und dort Art Director oder Leitender Choreograph werden. Schon jetzt bringt er sich ein, komponiert eigene Musik und entwickelt dazu eine Choreographie. Rubén Julliard ist ein bodenständiger, geerdeter junger Mann. Eine Frohnatur, die mit offenen Augen und interessiert durchs Leben geht. Er liebt seinen Beruf. „Tanzen ist sportliche Kunst“, sagt Julliard: „Es ist nicht nur die Aufführung, es sind die Emotionen, das Gefühl, das wir den Zuschauern geben.“ Julliard ist eben ein ganz normaler, äußert sympathischer Mensch. Ein Mensch mit niedlichen Schwächen. Tänzer müssen, wie alle Leistungssportler, auf ihre Ernährung achten. Das tun sie eigenverantwortlich. Rubén Julliard isst in Mannheim zweimal so viel wie in Kanada, sagt er. Das hat mit den Anforderungen und dem hohen Anspruch des Nationaltheaters zu tun. Ab und an schraubt Julliard den Anspruch bei seiner Ernährung nach unten. „Ich gehe dann mal zu Mc Donalds“, gibt er zu: „Das tut der Seele gut.“

Kraft und Ausdauer braucht ein Tänzer, im Bild Rubén Julliard beim Training im Fitness-Studio.
Kraft und Ausdauer braucht ein Tänzer, im Bild Rubén Julliard beim Training im Fitness-Studio.
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