Rheinpfalz „Die deutsche Sprache ist mittelschwer“

Herr Fandrych, herzlichen Glückwunsch zum Konrad-Duden-Preis. Haben Sie sich mehr über die Auszeichnung oder über das Preisgeld von 12.500 Euro gefreut?

Es ist die Ehrung, die im Vordergrund steht. Die hat mich sehr gerührt und überrascht. Welches Preisgeld damit verbunden ist, wusste ich zunächst überhaupt nicht. Was bedeutet Ihnen die Person Konrad Duden? Die meisten Menschen verbinden mit ihm ja seine Rolle als Rechtschreibautorität. Er hat aber viel mehr für die Entwicklung der deutschen Sprache getan, als die Orthographie zu vereinheitlichen. Er war Pädagoge, Lehrer und Direktor mehrerer Gymnasien und hat dafür gesorgt, dass eine einheitliche Sprache in Institutionen unterrichtet werden konnte. Dass der Preis nun mir verliehen wird, der sich auch mit der Vermittlung des Deutschen beschäftigt, freut mich daher besonders. Bitte beschreiben Sie doch mal Ihr Forschungsgebiet etwas genauer. Es geht darum, sich bei der Vermittlung der deutschen Sprache ganz wesentlich auch an den Bedürfnissen der Lernenden zu orientieren. Für einen bestimmten beruflichen Kontext muss man die Sprache auch auf eine bestimmte Weise lernen. Geht es da um mehr als Fachbegriffe? Ja. Ein Beispiel: Wer nach Deutschland kommt, um als Pflegekraft zu arbeiten, muss lernen, wie man einen Pflegebericht schreibt, wie man sich Patienten oder Angehörigen gegenüber einfühlsam und höflich ausdrückt, und er muss bestimmte grammatische Mittel verwenden können, den Konjunktiv zum Beispiel: „Könnten Sie?“ oder „Möchten Sie?“ Sind das nicht Grundlagen, die jeder Mensch braucht? Manche Grundlagen braucht sicher jeder. Aber wer zum Beispiel in Deutschland studieren möchte, muss lernen, komplexe Fachtexte zu verstehen und zwischen den Zeilen lesen zu können. Für Menschen, die auf der Flucht hierher gekommen sind, ist es zunächst wichtig, sich schon mit ganz einfachen Mitteln so gut wie möglich zu verständigen. Ein hochaktuelles Thema – mit dem Sie sich aber schon seit vielen Jahren beschäftigen. Wie ist es denn dazugekommen? Ich habe in München begonnen, Germanistik und Geschichte zu studieren. Dort gab es schon seit Ende der 1970er-Jahre ein eigenes Institut für Deutsch als Fremdsprache. Die Begegnung mit Menschen aus dem Ausland hat mich schon früh interessiert – und dann auch die Begegnung mit Menschen im Ausland. Ich habe drei Jahre in Mexiko gearbeitet und zehn Jahre in London. Ich wollte immer mehr lernen über die Welt. Als jemand, der Englisch und Spanisch spricht und der sich wissenschaftlich mit der deutschen Sprache beschäftigt, können Sie beurteilen, ob es stimmt, was man immer hört: Ist die deutsche Sprache wirklich so eine schwere Sprache? Anfangs muss man gewisse Hürden überwinden. Zum Beispiel muss man schon früh lernen, wie man Adjektive dekliniert. Das ist erst einmal schwerer als Englisch, das anfangs sehr leicht wirkt, aber auch seine Tücken hat, wenn es in die Tiefe geht. Wenn man die Systematik des Deutschen einmal verstanden hat, lernt es sich eigentlich sehr gut. Ich würde sagen, unter den europäischen Sprachen ist die deutsche Sprache mittelschwer. Welche sind denn die schwersten? Finnisch und Baskisch gelten unter den europäischen Sprachen als besonders schwer. Sie betreuen einen Masterstudiengang in Kooperation mit der Universität Kairo, in dem Deutschlehrer ausgebildet werden. Ist die Nachfrage dafür groß? Sehr groß. Wir kommen gar nicht nach. Viele Menschen in arabischen Ländern möchten für ihren Beruf, ihr Studium oder ihre Promotion Deutsch lernen. Englisch ist immer noch mit Abstand am beliebtesten, aber dann kommt schon relativ schnell Deutsch. Die deutsche Sprache hat sich ja durch die Globalisierung sehr verändert. Sehen Sie das als Problem? Durch die Globalisierung und die elektronischen Medien. Ich sehe da keine unmittelbare Gefahr. Die Sprache entwickelt sich weiter, manches wird sich auch wieder verflüchtigen. Sie würden sich also nicht als dogmatischen Verfechter des reinen Deutsch bezeichnen? Nein. Die Sprache verändert sich nun einmal, und an vielen Stellen lassen sich Begriffe nicht ersetzen. Als mir jemand mal angekündigt hat, mir eine „E-Post“ zu schicken, habe ich eine halbe Minute gebraucht, um zu verstehen, was er meint. Ich finde es oft überflüssig, sich aufzuregen. Das kann ja auch eine Bereicherung sein. Für einen Begriff wie „Inshallah“ gibt es doch gar keine deutsche Übersetzung. Das stimmt, der kann je nach Kontext sehr viel bedeuten. Ich habe ihn auch schon in meinen aktiven Wortschatz aufgenommen.

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