Rheinpfalz Deshalb sterben Clubs in Heidelberg aus

Wo es eine Universität gibt, sollte es auch ein Nachtleben geben. Die meisten Studenten wollen nicht nur lernen. Gemeinsames Fei
Wo es eine Universität gibt, sollte es auch ein Nachtleben geben. Die meisten Studenten wollen nicht nur lernen. Gemeinsames Feiern setzt bei vielen jungen Leuten ungeahnte Kräfte frei.

Heidelberg lockte Künstler wie Nirvana an, als noch kaum jemand die Band kannte. Den Schwimmbad-Club, der ihnen eine Bühne bot, gibt es nicht mehr. Dass Städte wie Leipzig, Dresden oder Weimar aufholen, könnte Folgen haben für die Studentenstadt.

Sie sind noch wach und feiern, wenn die meisten schon in den Federn liegen. Doch Nachtschwärmer sind auch immer abhängig vom Angebot in einer Stadt. In einer Studentenstadt wie Heidelberg sollten junge und jung gebliebene Leute eigentlich auf ihre Kosten kommen, sollte man meinen. Nachdem bereits über Jahrzehnte beliebte Szene-Läden wie der Schwimmbadclub oder das Storchennest die Schotten für immer dicht gemacht haben, klagen nun auch andere Konzertstätten-Betreiber.

Im Stich gelassen

„Das Clubsterben ist mittlerweile in Heidelberg angekommen“, sagt Hannes Seibold, Geschäftsführer von der Halle02. Nicht vom jungen Publikum, sondern von Politik und Verwaltung fühle man sich im Stich gelassen. Deshalb setzen sich die Clubladenbesitzer vom Cave54 bis zur Villa Nachttanz nun zusammen, um sich für eine finanzielle Unterstützung durch die Kommune stark zu machen. An den Besucherzahlen liege es nicht, dass mittlerweile auch das Kosmodrom und die Nachtschicht der Vergangenheit angehören. „Es waren weniger wirtschaftliche Gründe, die Unlust unter den Betreibern wächst“, sagt Seibold. Ein Grund sei der in den letzten Jahren immer größer gewordene bürokratische Aufwand. Brandschutz-Regeln und steigende Mieten sind beispielsweise ein Kostenfresser. Dass Schichtpläne mittlerweile penibel dokumentiert werden, geht vielen Clubbetreibern ebenfalls auf die Nerven. Seibold: „Früher konnte man das alles an den Kühlschrank pinnen. Jetzt habe ich ungelogen einen ein Meter hohen Papierstapel bei mir liegen.“

Wandel der Musikindustrie

Der wohl triftigere Grund, warum den Partyhochburgen manchmal gar nicht mehr nach Feiern zumute ist, ist der Wandel der Musikindustrie. Die Zeiten, in denen Bands und Solokünstler hauptsächlich vom Verkauf ihrer CD- und LP-Alben lebten, sind längst passé. Das Internet ist zum Selbstbedienungsladen geworden. Zu spüren bekommen das am Ende die Clubs und Konzerthallen. Die Gagen für Live-Auftritte sind teurer geworden, vor allem die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema) sahne ordentlich ab. Zu diesem Ergebnis kamen auch zwei Studien des Kulturamts Heidelberg und des Verbandes Eventkultur Rhein-Neckar.

Bei Veranstaltern bleibt wenig hängen

Ob es ein kleines Konzert mit 50 Besuchern ist oder über 1500 Gäste kommen: „Bei den Veranstaltern selbst bleibt meist wenig hängen, und manchmal legen wir sogar noch drauf. Es ist ein Risiko geworden“, betont Seibold. Deshalb schwebt ihm als Teillösung das „Hamburger Modell“ vor: In der Nord-Metropole übernimmt die Stadt zumindest die Gema-Gebühren. 200.000 Euro jährlich könnten in einen Pool fließen, von dem alle Clubs gleichberechtigt profitieren sollen. Denn gerade das Wagnis mache auch den Reiz und die Vielfalt der Musikspielstätten aus. „Wir wollen ja gerade dem unbekannten Act die Chance geben, statt die sichere, aber kommerzielle 90er- Revival-Party zu feiern“, erklärt Rico Riedmüller vom Cave54. Schräger Synthesizer-Sound, alternativer Indie-Rock: Die bunte Mischung fern des Mainstreams ist seit Jahrzehnten der Stempel der Heidelberger Clubszene. Eine Szene, in der Betreiber stets ihr Händchen für die Stars von morgen beweisen. Im Schwimmbadclub spielten in den 1990er-Jahren Nirvana und die Fantastischen Vier, als sie noch niemand kannte. Jetzt sind von dem einstigen Club in der Nähe des Zoos nicht einmal mehr die Trümmer übrig. Dabei pumpt die Stadt jährlich viel Geld ins kulturelle Leben: 40 Millionen Euro beträgt der Etat für Theater und andere kulturelle Institutionen. Daher wundern sich die Musikstätten-Betreiber, warum sie stets unter dem Radar verschwinden. „Wir bieten auch eine Form von Kultur: 40.000 Studenten leben in der Stadt, wie konsumieren sie Kultur?“, so Seibold. Er hofft nicht nur auf monetäre, sondern auch auf ideelle Unterstützung. Damit nicht der nächste kultige Club dicht macht, und die Musik- und Partywelt Heidelbergs eintönig und austauschbar wird. „Leipzig, Dresden oder Weimar holen auf. Am Ende gehen uns auch Studenten verloren“, warnt der Halle02-Geschäftsführer. Und das wäre auch für die Kommune ein böses Erwachen.

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