Ludwigshafen „Da muss man kein AfD-Schild hochhalten“

Regisseurin Katrin Plötner sieht viele Bezüge zur Gegenwart.
Regisseurin Katrin Plötner sieht viele Bezüge zur Gegenwart.

Er war Sozialist und Schriftsteller, kämpfte für eine gerechtere Gesellschaft und für ein neues, politisches Theater. In „Hoppla, wir leben!“ taucht Ernst Toller tief ein in die Geschichte der Weimarer Republik, die mit einer Revolution begann und im Faschismus endete. Und ein bisschen erzählt er hier auch von sich selbst. Am Mannheimer Nationaltheater inszeniert Katrin Plötner das Stück fürs Schauspielhaus.

Als Ernst Toller dieses Stück schrieb, hatte er einen Weltkrieg, eine Revolution, eine gescheiterte Räterepublik und fünf Jahre Festungshaft hinter sich. Das alles musste verarbeitet werden, dazu die Gegenwart einer jungen Republik, die sich in fragiler Bedrohungslage befand. „Hoppla, wir leben!“ ist eine bittere Abrechnung mit einer Zeit, die Utopien sterben ließ und Gewalt und Krieg heraufbeschwor. Die Uraufführung 1927 in Berlin durch Erwin Piscator bescherte Toller kurzzeitigen Erfolg als Bühnenautor. Aber mit der Machtübernahme der Nazis wurde der Jude und linkssozialistische Revolutionär 1933 aus Deutschland ausgewiesen. 1939 erhängte er sich in New York mit einem Strick, den er seit Jahren im Koffer mit sich herumtrug. Katrin Plötner ist begeistert von dem Stück. Die junge Regisseurin inszeniert es für die große Bühne des Schauspiels. „Toller nimmt hier vorweg, was in den 30er- und 40er-Jahren geschehen ist“, sagt sie. „Dass in einer Demokratie, die unter Druck gerät, nicht die Linke siegt, sondern die Rechte“. Die Parallelen zur Gegenwart sind für die 33-Jährige offensichtlich. „Da muss man kein AfD-Schild hochhalten.“ Karin Plötner stammt aus Berlin, Stadtteil Köpenick. „Reiche-Leute-Gegend, 25 Prozent haben AfD gewählt, obwohl es den Leuten dort doch gut geht“. Die Regisseurin sieht auch die heutige Republik von rechts bedroht wie damals die Weimarer. Als man sie für eine Inszenierung anfragte, hat sie, wie sie es immer macht, mehrere Stücke vorgeschlagen, darunter „Hoppla, wir leben!“. Ihr Regiestudium hat sie am Mozarteum in Salzburg absolviert. Dann Assistenzen am Residenztheater in München bei Regieprominenz wie Dimiter Gotscheff, Michael Thalheimer und Martin Kusej, aber auch bei Vertretern der jüngeren Generation wie Tina Lanik und Dusan David Parizek. Ihre Inszenierung von Heiner Müllers „Hamletmaschine“ brachte ihr erste größere Aufmerksamkeit. Seither inszeniert sie vor allem im Süden: St. Pölten, Linz, Regensburg, Augsburg, Würzburg, Karlsruhe. „Ich hab’ mich in der Provinz von Süden nach Norden hochgearbeitet“, sagt Katrin Plötner fröhlich. Inzwischen hat sie es bis Frankfurt und Mannheim geschafft. Ihre Heimatstadt Berlin war noch nicht dabei. „Aber in Potsdam war ich schon. Da konnte ich wieder zu Hause wohnen.“ Sie hat Gegenwartsstücke inszeniert, aber auch Bühnenklassiker von Shakespeare, Lessing, Büchner und Brecht. „Ich bin ein Fan von großen, dicken, wuchtigen Klassikern, an denen ich mich abarbeiten kann“, sagt Katrin Plötner. „In alten Stücken kann man wie in einem Steinbruch wühlen, Gegenwartsdramatik ist da eindeutiger, das mag ich nicht ganz so gerne.“ Jetzt wühlt sie sich also durch den Toller-Steinbruch, immerhin gut 100 Seiten Text, mit Nebenrollen 60 Figuren, kurze Szenen an wechselnden Orten, Filmeinspielungen. In Mannheim wird es nur neun Schauspieler geben, zieht man die beiden Hauptrollen ab, bleiben sieben Darsteller übrig, die jeweils drei bis sieben Figuren in fliegendem Wechsel spielen. Als Bühnenbild hat sich Toller ein Gerüst mit drei Etagen gewünscht, in dem mittels Lichtregie schnell zwischen den Szenen gewechselt werden kann. Piscator erfüllte ihm den Wunsch. Auch in Mannheim wird es Anspielungen auf die Piscator-Bühne der Uraufführung geben, eine sechs Meter hohe Metalltreppe, dazu expressionistische Malerei und Wahlplakate der Weimarer Republik im Großformat. „Das wird sehr monumental“, verspricht Katrin Plötner. „Der Einzelne wirkt da sehr verloren auf der großen Bühne, scheint auf verlorenem Posten zu sein.“ Im Zentrum steht Karl Thomas, der viele Gemeinsamkeiten mit Toller aufweist. Auch Karl war bei der Revolution von 1919 in München dabei, wird nach der durch Militär und rechte Freikorpsverbände niedergeschlagenen Räterepublik beinahe hingerichtet und acht Jahre lang eingesperrt. Dann kehrt er in ein Land zurück, das er nicht mehr versteht. Die Kameraden von einst haben sich arrangiert, sind Minister geworden wie sein alter Freund Wilhelm Kilman oder arbeiten in der Gewerkschaft. „Toller hat die Figuren des Stücks in unterschiedliche Richtungen entwickelt und belässt jedem sein Recht auf diesem Weg“, sagt Katrin Plötner. Nur Karl Thomas kann sich nicht anpassen. „Der ist komplett aus der Zeit gefallen und treibt auf den Selbstmord zu.“ Stark findet die Regisseurin auch Tollers Frauenfiguren: „Das sind moderne Frauen, politisch aktiv und selbstständig handelnd. Am Theater ist das auch heute noch nicht selbstverständlich.“ Termine Premiere am Samstag, 27. April, um 20 Uhr im Schauspielhaus. Weitere Vorstellungen am 2., 11. und 24. Mai.

Ein monumentales Bühnenbild, wie es sich Ernst Toller für sein Stück über die Endzeit der Weimarer Republik gewünscht hat.
Ein monumentales Bühnenbild, wie es sich Ernst Toller für sein Stück über die Endzeit der Weimarer Republik gewünscht hat.
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