Ludwigshafen Bloß nicht altmodisch werden

Erzählt aus Sicht der Jugend: Ingrid Noll.
Erzählt aus Sicht der Jugend: Ingrid Noll.

Die 83-jährige Schriftstellerin Ingrid Noll hat für die Jugend, die unter dem Motto „Fridays for Future“ für eine bessere Klimapolitik demonstriert, großes Verständnis. In ihrem neuen Roman „Goldschatz“ ruft die Weinheimer Autorin selbst eine Wohngemeinschaft ins Leben, die der Wegwerfgesellschaft beweisen möchte, dass es auch anders geht. Noll las aus ihrem Krimi in der ausverkauften Thalia-Buchhandlung am Mannheimer Paradeplatz.

„Zwischendurch gab es mal eine Generation, in der wollten alle BWL studieren“, bedauert Ingrid Noll. „Da finde ich es sehr schön, wenn sie jetzt wieder ein bisschen aufmüpfig werden, aufbegehren und was Gutes erreichen wollen.“ Mit „Goldschatz“, führt die 83-Jährige aus, habe sie das Experiment gewagt, aus der Sicht junger Leute zu schreiben. Ihre Ich-Erzählerin Beatrix, kurz Trixi, ist erst 20 Jahre alt, könnte also ihre Enkelin, ja, Urenkelin sein. „An unserer Uni sehen viele Studierende aus wie Banker, rundherum adrett, topgepflegt, langweilig, brav“, beobachtet Trixi in Heidelberg, „keine Spur von Opposition, keine leidenschaftlichen Diskussionen.“ Sie selbst möchte anders sein und besonders Verzicht auf übertriebenen Konsum leisten. Mit ein paar gleichgesinnten Freunden gründet sie die Initiative „Gegenstrom“, der es bald zugute kommt, dass ihr ein marodes Haus überlassen wird, dem dereinst der Abriss droht. „Es handelte sich um ein bäuerliches Anwesen am Rande der Stadt, wo man bereits fast alle Fachwerkhäuser durch moderne Einheitskästen ersetzt hatte“, heißt es im Roman. „In Weinheim, wo ich auch wohne und wo ich mir das gut vorstellen kann“, ergänzt Ingrid Noll bei ihrer Lesung. „Sie haben allerhand Rosinen im Kopf oder, sagen wir mal, Ideale. Sie wollen alles anders machen, aber das klappt halt nicht immer so“, sagt sie über die Öko-Aktivisten in ihrem 15. Roman. Für die Renovierung des Anwesens fehlt ihnen das Geld, bis sie in der Scheune fast 50 alte Goldstücke finden. Leider ist auch ein kauziger alter Nachbar hinter dem Goldschatz her. Die jungen Leute, die dem Mammon und dem Konsum doch widerstehen wollten, vergessen darüber zusehends ihre hehren Ideale. Es kriselt in der Wohngemeinschaft – mit tragischen Folgen. „Altmodisches musste ich mir verkneifen“, berichtet Noll in Anbetracht des Alters ihrer jüngsten Romanhelden. Doch als dreifache Mutter und vierfache Großmutter sei ihr durchaus bewusst, dass die jungen Leute heute andere Gewohnheiten hätten als früher „und die Jüngsten sozusagen mit dem Smartphone am Ohr geboren werden“. Wie eine junge Frau von heute wirkt Trixi dennoch nicht. Ebenso wenig wie ihr WG-Genosse Oliver, wenn er „Mein kleiner grüner Kaktus“ von den Comedian Harmonists anstimmt. Andererseits kann man der Autorin, die in Mannheim selbst zwei Liedzeilen singt, durchaus zugutehalten, dass sie gar nicht erst versucht, den Ton der Jugend einzufangen, sondern ihre Geschichte genauso erzählt, wie sie bislang alle ihre Krimis erzählt hat. Geradlinig, in einer schlichten, von kurzen Sätzen und vielen Dialogen geprägten Sprache, die es nicht nötig hat, sich anzubiedern. So hält es Ingrid Noll auch mit den Geschenken an ihre Kinder und Enkelkinder. „Ob sie wollen oder nicht – sie kriegen alle ein Buch zu Weihnachten“, sagt sie in Mannheim. Für sie selbst sei es nämlich in der Kindheit das Größte gewesen, nach der Schule nach Hause zu kommen, „sich aufs Sofa zu schmeißen und zu lesen“.

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