Rhein-Pfalz Kreis Blickpunkt: Neue Straßenbahnen für Ludwigshafen und Rhein-Pfalz-Kreis

Gutes Vorbild: Bei der Rhein-Haardtbahn funktioniert die Zusammenarbeit über die Grenzen der Kommunen hinweg.
Gutes Vorbild: Bei der Rhein-Haardtbahn funktioniert die Zusammenarbeit über die Grenzen der Kommunen hinweg.

Kein Hirngespinst, sondern eine spannende Sache: Auch Straßenbahnexperten halten viel von einem Trassenausbau in den Landkreis hinein. RNV-Geschäftsführer Martin in der Beek und RNV-Aufsichtratsvorsitzender Klaus Dillinger unterstützen Landrat Clemens Körner, der den alten Plänen neue Impulse gegeben hat. Ob aus der Idee Realität wird, werden die nächsten Schritte zeigen. Der Ball rollt. Mehr Bahnen fahren vielleicht in acht Jahren.

«Ludwigshafen.» Die Idee hat eingeschlagen. Dabei ist sie streng genommen keine neue, sondern ein recht alter Hut. In Neuhofen etwa wird in regelmäßigen Abständen der Straßenbahn-Traum geträumt. Eine Trasse für die Gleise wird seit Jahren frei gehalten. Es werden sogar Baugebiete entlang der möglichen Bahnstrecke geplant. Doch regelmäßig ist der Traum auch wieder geplatzt. Wie Seifenblasen. Landrat Clemens Körner (59, CDU) hat allerdings gerade neue aufsteigen lassen. Schillernd und vielversprechend. Bislang schweben sie – beschwingt vom Rückenwind, den Körner erhält. Die Ludwigshafener Parteien haben dem Landrat ihre Unterstützung zugesagt. Die Kreis-Grünen wollen die Idee politisch mittragen. Und die Experten der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) sind bereit, sie umzusetzen. Wenn alles dafür spricht. Die nächsten möglichen Schritte haben RNV-Geschäftsführer Martin in der Beek (52) und Ludwigshafens Baudezernent Klaus Dillinger (57, CDU), der zugleich RNV-Aufsichtsratsvorsitzender ist, im RHEINPFALZ-Gespräch erklärt. Es scheint, die Seifenblasen werden zu Bällen. Die Sache kommt ins Rollen.

Am runden Tisch

Bevor allerdings Bahnen rollen, ist es noch ein weiter Weg. An dessen Anfang steht ein runder Tisch, um den sich am 20. Juni alle versammeln, die daran interessiert sind, das Bahnangebot über Ludwigshafen hinaus in den Landkreis hinein zu erweitern. Landrat Körner wird daran sitzen, RNV-Vetreter – darunter auf jeden Fall Martin in der Beek und Klaus Dillinger. Letzterer wird als Baudezernent auch die Interessen der Stadt vertreten. Zum Gespräch einfinden werden sich Körner zufolge zudem Rheinauens Verbandsbürgermeister Otto Reiland (CDU), Mutterstadts Bürgermeister Hans-Dieter Schneider (SPD) und Vertreter des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN). „Ralf Marohn kann leider nicht dabei sein“, sagt Körner. Aber, dass der Neuhofener FDP-Ortsbürgermeister für einen Bahnanschluss ist, stehe ja bereis fest. Möglicherweise werde auch Dannstadt-Schauernheims Verbandsbürgermeister Stefan Veth (CDU) zum Treffen kommen, meint Körner. Im Prinzip gehe es ja darum, alle Vertreter der an einem Straßenbahnanschluss interessierten Gemeinden zusammenzutrommeln. Wie künftige Trassen aussehen und wie weit sie sich in den Rhein-Pfalz-Kreis erstrecken, sei schließlich noch völlig offen.

Unterwegs auf drei Trassen

Das sehen auch Martin in der Beek und Klaus Dillinger so. Deshalb sind die beiden dafür, mit einer Machbarkeitsstudie zu visualisieren, wo entlang künftig Trassen für Straßenbahnen gebaut werden können – und welche sich rechnen. Im Prinzip sind drei Routen denkbar. Route 1: Von Rheingönheim geht es geradeaus durch den Stadtteil, über den Westrand („Im Kappes“) und den Wildpark nach Neuhofen. Dort kann Schluss sein, muss aber nicht. Auch Waldsee könnte noch angebunden werden. Die bestehende Linie 6 könnte dafür ausgebaut werden. Route 2: Von Oppau fährt eine Bahn in Richtung Pfingstweide und möglicherweise bis nach Frankenthal. Nach Oppau ist bislang die Linie 7 unterwegs. „Und sie stoppt leider gerade da, wo es für die Leute interessant wird“, sagt in der Beek. Aktuell hat er vor allem die Verlängerung in Richtung Pfingstweide im Blick. Ebenfall möglich wäre die Anbindung an Frankenthal. Doch gebe es keine Signale aus der Nachbarstadt. In der Beek sieht den Druck auch deshalb nicht so hoch, weil Frankenthal ans S-Bahn-Netz angeschlossen ist. Es bleibt aktuell also bei der Stadt-Landkreis-Vision und so kommt Route 3 ins Spiel: Eine ganz neue Strecke, die vom Stadtzentrum in die Gartenstadt, über Maudach und Mutterstadt bis vielleicht sogar nach Dannstadt-Schauernheim führen könnte.

Ganz schön berechnend

Diese Ideen kosten erst mal nichts. Machbarkeitsstudien schon. Mit 50.000 Euro rechnet in der Beek für eine Route. Macht ungefähr 150.000 Euro für alle drei. Darin enthalten sind erste Vorschläge, wie die Trassen verlaufen könnten. Und eine erste Kosten-Nutzen-Kalkulation. Schließlich kann man neue Bahntrassen nur bauen, wenn das Geld dafür da ist. Und wenn man dann Millionen in neue Verkehrsmittel investiert, sollten sie auch genutzt werden. Die Machbarkeitsstudie ist ein zarter Anfang. „Wenn diese zeigt, in dem Vorhaben stecken Chancen, geht es weiter“, sagt in der Beek. Spezialisten mit ausgefeilten Programmen unterstützen dann die RNV dabei, herauszufinden, wie viele Bürger ein neues Bahnangebot interessieren könnte, wer potenzielle Bahnkunden sind und wohin es sie zieht. Denn auch die Umlandbeziehungen der Kreisdörfer spielen bei der Planung eine wichtige Rolle. Körner bringt es auf seine Art auf den Punkt: „Was bringt es zum Beispiel, eine Bahn von Ludwigshafen nach Waldsee fahren zu lassen, wenn sich herausstellt, dass die Waldseer lieber nach Speyer wollen?“ Berücksichtigt werden in solchen Studien auch immer Umweltaspekte. „Inwieweit reduziert sich der Schadstoffausstoß, wenn eine Bahn fährt“, erklärt in der Beek. Kurzum: Es gibt eine ganze Menge zu bedenken und zu berechnen, will man Bahnen in den Kreis fahren lassen. Um möglichst rasch Antworten auf all diese Fragen zu bekommen, will die Runde am 20. Juni die Machbarkeitsstudien auf den Weg bringen und muss dabei die erste Finanzierung schon mal klären. Das ist auch gleich ein Hinweis, wie gut die angestrebte Zusammenarbeit tatsächlich klappt. In der Beek hofft, dass die Ergebnisse in etwa einem halben Jahr vorliegen. Dann wisse man schon deutlich mehr und könne sich an die weiteren Themen machen – denn die eigentliche Arbeit beginnt erst. Mit Studien, Zuschussanträgen und den exakten Kostenfragen.

Auf der Suche nach Geld

Klar ist: Das Projekt muss überzeugen. Zum Beispiel Bürger, die von einer Trasse betroffen sein könnten. Oder Grundstückseigentümer, die Land dafür zur Verfügung stellen sollen. Doch vor allen Dingen gilt es, Geldgeber zu gewinnen. Deshalb geht es mit den Machbarkeitsstudien zunächst nach Mainz und Berlin. Immer vorausgesetzt natürlich, die Experten kommen zu dem Schluss, dass ein Straßenbahnprojekt im Kreis Sinn ergibt. Ein wichtiger Topf füllt sich über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Die Bundesregierung will ihn schrittweise auf eine Milliarde Euro im Jahr aufstocken. Und Landrat Körner möchte ihn anzapfen. „Wenn es regnet, muss man den Löffel raushalten“, lautet sein Motto. Martin in der Beek und Klaus Dillinger wollen mitmachen. Voraussetzung ist, dass das Vorhaben, das sie planen, mindestens 50 Millionen Euro schwer wird. Um kleinere Projekte soll sich das Land kümmern, findet der Bund. Kommt man mit einem Straßenbahnvorhaben in das Programm, übernimmt der Bund 60 Prozent der förderungsfähigen Kosten. Das Land 25 Prozent. Bleiben für die Beteiligten vor Ort noch 15 Prozent. Fördermittel, für die es sich laut Dillinger zu kämpfen lohnt. „Es gibt ja Stimmen, die fragen, warum wir uns das auch noch aufhalsen – zum Hochstraßenabriss. Doch nicht nur Straßen dürfen im Fokus stehen. Auch der ÖPNV muss weiterentwickelt werden. Und zwar über ein paar Schienenwechsel und -ertüchtigungen hinaus“, sagt der Dezernent. Die aktuelle Debatte hat also nur indirekt mit der Hochstraße Nord zu tun. Die drohenden Probleme auf den Straßen wirken wie ein Türöffner, generell geht es den Dreien aber darum, den Verkehr in der Region neu aufzustellen. In der Beek sieht einen Zeitraum von etwa acht Jahren als realistisch an – „wenn alles wie gewünscht klappt“, wie er gleich einschränkt. Acht Jahre habe man etwa gebraucht, um die Stadtbahn Nord in Mannheim in die Tat umzusetzen. Die Erfahrungen dort machen dem RNV-Geschäftsführer aber Mut: „Wir haben jetzt schon die Fahrgastzahlen erreicht, die wir für die 20er-Jahre erwartet hatten.“ Dillinger verweist auf ähnliche Projekte bundesweit: in München, Berlin, Hamburg, aber auch in Mainz/Wiesbaden laufen Bemühungen, kommunenübergreifend neue ÖPNV-Anbindungen zu schaffen. Man sitze nicht allein im Boot – müsse also überzeugend auftreten, um an Geld zu kommen. Klar sei, dass Straßenbahnen attraktiver seien als Busse: „Denn die stehen im Zweifel ja auch im Stau“, sagt in der Beek. Was mit Blick auf den Abriss der Hochstraße zu tun ist, steht derweil auf einem anderen Blatt. Das Ausbaukonzept der RNV liegt vor – mit einer Verdichtung des Takts und zusätzlichen Angeboten (etwa bei Bussen) soll die Situation entschärft werden. Die Kosten liegen auch hier im zweistelligen Millionenbereich.

Der Realitätscheck

Dass es sich lohnt, einen langen Atem zu haben, zeigt in der Beek zufolge die schon angesprochene Stadtbahn Nord in Mannheim. 2007 haben die Gespräche dafür angefangen. Seit 2016 rollt sie. Gut acht Jahre dauert es also, bis ein großes Straßenbahnprojekt umgesetzt ist. Dass sie jetzt schon so gut genutzt werde, freue ihn auch deshalb, weil es in der Planungsphase extrem viele Diskussionen gegeben habe – auch mit Bürgern um den Trassenverlauf. „Wir sind dran geblieben und haben Pläne noch mal verändert. Jetzt läuft es“, sagt in der Beek. Klaus Dillinger führt noch die Mainzelbahn als erfolgreiches Bahnprojekt in der weiteren Region an. „Aller Orten erfährt die Straßenbahn eine Renaissance“, sagt der Ludwigshafener Baudezernent. Was Dillinger und in der Beek aus Erhebungen noch wissen: Die Leute fahren lieber Bahn statt Bus. Und sie sind gerne auf direktem Wege unterwegs – umsteigen kommt nicht gut an.

Nur nicht bummeln

Dann lieber bummeln, als zur Anschlussbahn hetzen? Das jetzt auch nicht gerade. Nein, bummeln ist keine Lösung, finden in der Beek und Dillinger. Bei langen Streckenverläufen sollten die Bahnen schon mal Fahrt aufnehmen können. „Alle unsere Stadtbahnen können bis zu 80 Stundenkilometer pro Stunden fahren“, sagt in der Beek. Bei einer Strecke von Ludwigshafen nach Dannstadt werde deshalb so geplant, dass die Trasse nicht nur durch enge Dorfstraßen geht, sondern auch mal an den Randlagen der Orte vorbei. Ein guter Hinweis für alle Maudacher, die wohl schon jetzt Bedenken tragen, dass eine Bahn durch ihre Dorfgassen rattern könnte. Damit es nach Dannstadt – um bei dem Beispiel zu bleiben – keine Tagesreise wird, wird bei der Haltestellenplanung auf Effizienz geachtet. An jeder Wiesenblume wird nicht gestoppt. Die Kunst der Planung bestehe also darin, nicht einzelne Orte abzuhängen, sondern sie attraktiv anzubinden. Dabei dürfe man die Bürger nicht zu sehr belasten und müsse darauf achten, dass die Trassen nicht durch enge Ortskerne laufen. Auch wegen des Tempos. „Die Reisezeit muss stimmen, aber die Leute dürfen auch keinen zu weiten Weg zum Halt haben“, sagt Dillinger.

Bahnfahren beim Abriss

Wenn die Hochstraße Nord zurückgebaut wird, wird das neue Straßenbahnangebot nicht realisiert sein, sagt Dillinger. Beide Projekte würden parallel und unabhängig voneinander entwickelt werden. Allerdings: Mit dem Hochstraßenabriss und dem Bau der neuen Stadtstraße seien ja noch nicht alle Baustellen beseitigt. „Es geht weiter“, sagt Dillinger. Er verweist auf andere große Sanierungsaufgaben, die kommen – und die die Situation auf den Straßen ebenfalls nicht verbessern. Daher müsse man sich heute schon Gedanken machen, wie man die Hebel so umlegen kann, dass die Region langfristig profitiert. Das sei ja nicht zuletzt auch aufgrund der Debatte um die Stickoxid-Belastung eminent wichtig. Der Straßenbahnverkehr könne in der Umweltbilanz ein wichtiger Faktor sein. Und ein zentraler Standortvorteil: Denn Orte mit Bahnanschluss seien begehrter bei Bürgern und Unternehmen.

91-111158369.JPG
Clemens Körner
Clemens Körner
Klaus Dillinger
Klaus Dillinger
Martin in der Beek
Martin in der Beek
x