Ludwigshafen Blick über den Tellerrand

Bach am Sonntagmorgen ist eigentlich immer ein risikoloser Renner. Da strömen die Kenner und Liebhaber. Vollbesetzter Saal also bei der Violine-Cembalo-Matinee mit Mayumi Hirasaki und Christine Schornsheim im BASF-Gesellschaftshaus: Und das zu Recht. Hier ging es nicht um Glaubensfragen, sondern einfach „nur“ um Musik.

Dass selbstverständliches Miteinander-Musizieren und interpretatorische Finesse keine Gegensätze sind, haben Mayumi Hirasaki und Christine Schornsheim dem Ludwigshafener Kammermusik-Publikum glänzend vorgeführt. Die beiden Musikerinnen sind wie stille Großmächte auf dem weit verzweigten Gebiet der historisch orientierten Musizierpraxis. Wenn man so will, sind sie auch Generalistinnen mit Blick über den Tellerrand eines auf einen „Markenkern“ festgezurrten Spezialistentums. Mayumi Hirasaki, seit letzten Oktober Inhaberin einer Professur für Barockvioline und Barockviola an der Universität Mozarteum in Salzburg, hat nach ihrem Violinstudium die C-Prüfung für Kirchenmusiker abgelegt und dann noch an der Münchner Musikhochschule bei Christine Schornsheim Cembalo im Hauptfach studiert. Aus der auf alte Tasteninstrumente spezialisierten Lehrerin wurde dann eine Kammermusikpartnerin, und keiner soll sagen, dies sei einfach nur Zufall gewesen. Gemeinsam hat man sich (mit Bach-Bearbeitungen) bis ins 19. Jahrhundert vorgewagt, und auch das funktionierte prächtig. Nun also eine reine Bach-Matinee. Und die war musikalisch von jener um Showteile unbesorgten Selbstverständlichkeit, die nur Böswillige als untertrieben missverstehen könnten. Es gab zwei Sonaten für Violine und obligates Cembalo (Nr. 3 E-Dur und Nr. 6 G-Dur, BWV 1016 und 1019), die Sonate G-Dur für Violine und Basso continuo BWV 1021 sowie je ein Solostück. Bei Christine Schornsheim war das die D-Dur-Toccata BWV 912, fast ein wenig behaglich (aber fein durchsichtig) gespielt und erst im abschließenden Presto-Teil in aufgekratztere Zonen geratend. Mayumi Hirasaki wiederum nahm der notorisch „berühmten“ d-Moll-Chaconne alles Abgenudelte, verzichtete auf originelle oder originell tuende Zutaten und legte dafür ein auf Können und Einsicht beruhendes Werkbewusstsein an den Tag. Das ist nicht wenig, sondern das genaue Gegenteil davon, nämlich viel. Keine Frage, dass sich die individuellen Tugenden der Gäste in den Duo-Sonaten wiederfanden. Fast schien die alte Frage nach der Gleichberechtigung beziehungsweise Nachordnung des Tasteninstruments (nebenbei eine von Christoph Kern, dem Staufener Spezialisten für historische Tasteninstrumente, gebaute zweimanualige Kopie nach dem von Bach geschätzten Michael Miethe) in diesem Fall eine in ihrem Kern akademische oder wenigstens nachrangige. Nahtloses Zusammenspiel, unaufgeregte Präzision und bis in die letzte Verzierung ausgefeilte Interpretationen waren der Gewinn. In der G-Dur-Sonate wird ein ausgedehntes Cembalo-Solo von zwei chromatisch-dürren langsamen Sätzen eingerahmt. Schwierig? Bei Hirasaki und Schornsheim war es Selbstverständlichste von der Welt. Fast modern. Man saß und hörte fasziniert zu und mehr (und Besseres) war dazu nicht zu sagen.

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