Rhein-Pfalz Kreis Bibelgespräche sind durchaus noch „up to date“, meinen drei Geistliche im Interview

Martin Grimm, protestantischer Pfarrer in Limburgerhof.
Martin Grimm, protestantischer Pfarrer in Limburgerhof. Foto: Grimm/frei

Interview: Bibelgespräche – das klingt erst einmal nicht gerade spannend. Und sind solche noch Angebote noch „up to date“? Ja, meinen Pastoralreferentin Doris Heiner und die Pfarrer Andreas Buchholz und Martin Grimm im Gespräch. Sind das doch wunderbare Gelegenheiten für Gläubige aller Generationen und Konfessionen, über das Leben und den Glauben in der heutigen Zeit zu sprechen, zu streiten und auch daran zu zweifeln.

Die Bibelgespräche, die am Sonntag beginnen, stehen in diesem Jahr unter den Motto „Vergesst nicht…“ und beschäftigen sich mit dem Deuteronomium, dem 5. Buch Moses. Können Sie für den nicht so bibelfesten Leser kurz die Bedeutung erläutern?
Martin Grimm: Das Buch ist die Zusammenfassung der ersten vier Bücher Moses. Darin soll der nächsten Generation die Tradition des Volkes Gottes weitergegeben werden. Das ist auch das zentrale Thema der Bibelwoche – sich mit Traditionen auseinanderzusetzen: Wie führen wir sie weiter und wie müssen wir sie gegebenenfalls anders weitergeben.

Wie kann es in unserer sich immer schneller ändernden Zeit gelingen, Traditionen zu bewahren und dennoch mit der Zeit zu gehen?
Andreas Buchholz: Gerade dafür kann das Deuteronomium ein gutes Beispiel sein. Das Volk Israel steht vor einem großen Umbruch in seiner Geschichte. Ein neuer Abschnitt beginnt und es ist noch ganz offen, wie es werden wird. Jetzt soll noch einmal das Wichtigste hervorgehoben und zeitgemäß formuliert werden, damit Menschen ihren Glauben daran festmachen können. So schenkt der Glaube Zuversicht und Vertrauen dort, wo nicht gleich Antworten auf alle Fragen gegeben werden können. Und zurzeit werden große Frage besprochen – wie das Klima oder die Polarisationen in der Bevölkerung. Dafür brauchen wir gemeinsame Lösungen. Wichtig damals wie heute ist der die Gemeinschaft verbindende Gedanke. Genau daran fehlt es häufig in unserer Zeit. Dafür könnten die Bibelgespräche ein Impuls sein.

Wie definieren Sie Tradition?
Doris Heiner: Tradition im Zusammenhang des Buches Deuteronomium ist für mich vor allem die Verbindung zu Gott, der auch das Leben mitgestaltet. Zum Beispiel, dass man in der Gemeinschaft aufeinander achtet, überhaupt die Menschen achtet – selbst die Feinde.

Grimm: Tradition heißt aber auch Werte. Man muss sich mit den Werten, die aus der Vergangenheit kommen, auseinandersetzen und auch damit, wie man sie lebt und wie man sie heute weiterführt.

Haben die Menschen heute überhaupt noch Werte?
Grimm: Man ist schnell dabei, zu behaupten, die Leute hätten keine Werte mehr. Das stimmt nicht. Man muss sie nur wahrnehmen. Den Menschen sind Frieden, Respekt und Achtsamkeit voreinander schon sehr wichtig.

Ein Gesprächsabend steht unter dem Titel „Treue zu Gott“. Bin ich treu, wenn ich brav meine Kirchensteuer zahle und ab und zu zur Kirche gehe?
Grimm: Mit dem Zahlen von Kirchensteuer hat es erst einmal nichts zu tun, sondern damit, wie man sein Leben mit Gott lebt. Aber eben auch, wie ich mich in die christliche Gemeinschaft einbringe.

Heiner: Für mich bedeutet Treue zu Gott, mein Leben an Gott festmachen – also dass, was ich erlebe, mit Gottes Maß zu messen, zum Beispiel wie ich mit den Menschen umgehe. Aber auch, wie ich meinen Beitrag zur Gemeinschaft leiste, denn diese braucht auch Mittel. Dafür sind ja die Kirchensteuern da.

Oft wird argumentiert: „Um an Gott zu glauben, brauche ich die Kirche nicht“? Ärgert Sie das?
Grimm: Nun, das Wesentliche daran ist ja erst einmal, dass derjenige, der so argumentiert, an Gott glaubt und eine Beziehung zu Gott hat.

Buchholz: Schon Martin Luther hat gesagt, dass jeder sich vor seinem Gott verantworten kann. Und das geht natürlich auch ohne Kirche. Es sind aber letztlich zwei verschiedene Säulen, auf denen alles steht: der persönliche Glaube an Gott, das Vertrauen an ihn und auch die Zweifel – also die persönliche Schiene. Und dann ist da die Kirche, die versucht, den Glauben zu verantworten und weiterzuentwickeln. Die Kirche versucht auch Angebote zu entwickeln, um den Glauben in Gemeinschaft leben zu können. Dafür braucht sie Solidarität, für die wir immer wieder werben. Letztlich aber muss das jeder für sich entscheiden.

Der Abschlussgottesdienst hat den Titel „Wähle das Leben“. Ein starker Satz, der aber, je nach dem, in welcher Lebenslage ich mich befinde, leicht oder eben schwer sein kann. Warum dieser Titel? Und wie kann jeder daraus etwas mitnehmen?
Heiner: Es ist eine Stelle aus dem Buch Deuteronomium, die eine Empfehlung an das Volk Israels mit seiner wechselhaften Geschichte ist – mit Gott das Leben zu wählen. Egal, in welcher Situation wir sind. Und gerade dann, wenn es uns nicht so gut geht, sollten wir uns nicht irritieren lassen und uns an Gott festmachen. Es ist gerade heute wichtig, dass wir Halt haben.

Die Bibelgespräche werden in der Regel von älteren Menschen besucht. Sind solche Angebote noch „up to date“?
Buchholz: Ja, das stimmt, es kommen vorwiegend ältere Menschen. Ich habe es aber auch oft erlebt, dass die Menschen eine Zeit lang weniger mit der Kirche zu tun haben, aber dann wiederkommen. Etwa wenn ein Kind getauft wird. Oft auch, wenn die Familienphase abgeschlossen ist. Das ist auch in Ordnung. Ich selbst habe auch eine Weile wenig Kontakt zur Kirche gehabt und bin durch einen Impuls von außen wieder dorthin gekommen – und bin dann sogar Pfarrer geworden. Beide Kirchen tun viel, um mit jungen Gläubigen in Kontakt zu kommen – etwa über soziale Medien oder mit der Messdiener- oder der Konfirmandenarbeit. Die Bibelgespräche als ökumenisches Angebot sind eine gute Gelegenheit, generations- und konfessionsübergreifend mit unserer Glaubensbotschaft in Kontakt zu kommen.

Interview: Doreen Reber

Die Termine

Am Sonntag, 19. Januar, beginnen die Ökumenischen Bibelgespräche 2020 der Glaubensgemeinschaften in Limburgerhof, Neuhofen, Waldsee und Otterstadt. Es sind in sich abgeschlossene Abende, zu denen jeder eingeladen ist. Los geht es am Sonntag um 19 Uhr, mit dem Ökumenischen „Taizé-Gebet“ mit Pastoralreferentin Doris Heiner und Pfarrer Andreas Buchholz in der katholischen Kirche Waldsee, Kirchstraße. Am Montag, 20. Januar, heißt es „Gott zieht voran“ im Dietrich-Bonhoeffer-Haus Altrip, Ludwigstraße 13, mit Pfarrer Alexander Ebel. Thema des Abends am Dienstag, 21. Januar, mit Pastorin Gabriele Harder-Thieme im Gemeindehaus der Mennoniten, Limburgerhof, Kohlhof 2a, ist „Ich bin dein Gott“. Pfarrer Martin Grimm lädt für Mittwoch, 22. Januar, zum Gespräch über „Treue zu Gott“ ins Albert-Schweitzer-Haus Limburgerhof, Albert-Schweitzer-Straße 7a, ein. Um „Dankbarkeit“ geht’s am Dienstag, 28. Januar, mit Kaplan Thomas Ott im katholischen Pfarrheim Limburgerhof, Dekan-Finck-Platz 1. Und Mittwoch, 29. Januar, lautet das Thema von Pastor Jörg Lüling in der Evangelisch-freikirchlichen Gemeinde Neuhofen, Benzstraße 3, „Segen und Fluch“. Über „Mitmenschlichkeit“ möchte Dekan i.R. Hans Scheffel im protestantischen Gemeindezentrum Otterstadt, Huttenstraße 1, reden. Der ökumenische Gottesdienst am Sonntag, 2. Februar, 18 Uhr, unter dem Motto „Wähle das Leben“ mit Pastoralreferentin Barbara Jung-Kasper und Pfarrer Ralph Gölzer in der katholischen Kirche Neuhofen, Goethestraße 2, ist der Abschluss der Bibelgespräche.

Andreas Buchholz, Pfarrer der protestantische Gemeinde Waldsee-Otterstadt.
Andreas Buchholz, Pfarrer der protestantische Gemeinde Waldsee-Otterstadt. ArchivFoto: krx
Doris Heiner, Pastoralreferentin in der Pfarrei Hl. Christophorus Waldsee.
Doris Heiner, Pastoralreferentin in der Pfarrei Hl. Christophorus Waldsee. Foto: Heiner/frei
Das Rote Meer teilt sich vor Moses – hier gespielt von William Houston in der US-TV-Serie „Die Bibel“. Um das fünfte Buch Moses,
Das Rote Meer teilt sich vor Moses – hier gespielt von William Houston in der US-TV-Serie »Die Bibel«. Um das fünfte Buch Moses, den Propheten, geht es in den Bibelgesprächen. Foto: VoX/frei
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