Ludwigshafen Baudezernent Dillinger: „Der Fluch des Hochstraßensystems“

Soll möglichst bis 2029 durch eine ebenerdige, 860 Meter lange Stadtstraße ersetzt sein: die Hochstraße Nord. Hier mit Blick auf
Soll möglichst bis 2029 durch eine ebenerdige, 860 Meter lange Stadtstraße ersetzt sein: die Hochstraße Nord. Hier mit Blick auf die Kreisverwaltung und den Parkplatz an der Jaegerstraße.

Fragen & Antworten: Noch immer ist unklar, wie teuer und aufwendig die Sanierung der Hochstraße Süd (B 37) wird. Baudezernent Klaus Dillinger (58, CDU) zeigt sich bei einem Vortrag vor Unternehmern dennoch zuversichtlich und sagt: Der Zeitplan für die Hochstraße Nord (B 44) ist stabil. Ein Überblick über den aktuellen Stand bei den beiden Großprojekten.

Wann gibt es konkrete Fakten zur Hochstraße Süd?

Bis zum Jahresende sollen die Pläne für die Sanierung der 600 Meter langen Pilzhochstraße, eines Teilstücks der zwischen 1957 und 1968 erbauten B 37, fertig sein. Dass diese Fahrbahn im Vorfeld des Abrisses der Hochstraße Nord erneuert werden soll, sei von Anfang an Teil des Gesamtpakets gewesen. So wie viele andere Baustellen aktuell in der Region. „Vieles wurde um vier, fünf Jahre vorgezogen.“ Allerdings hätten die Prüfungen vor einem Jahr „statische Probleme ergeben“, sagt Dillinger. Die Stadt müsse damit leben, dass die damals Verantwortlichen sich für ein bundesweit einmaliges und „sehr spezielles Bauwerk“ entschieden hätten. Denn bei der Pilzhochstraße trage eine Stütze viel Beton – und das funktioniere angesichts der Belastung mit den heutigen Lkw nicht mehr. „Uns hat kein Büro eine Garantie gegeben, dass die Konstruktion noch lange hält“, betont Dillinger. Daher gilt seit einem Jahr das Lkw-Verbot, um „Gewicht von der Straße zu bringen“. Wie kann eine Lösung aussehen? Aktuell werde als Lösung ein Galeriebauwerk als Unterbrücke geprüft. „Im schlimmsten Fall würde sich die Fahrbahn dann auf diese neue Brücke legen“, erklärt Dillinger. Man erhofft sich dadurch Stabilität für die nächsten 30 Jahre. Wie lange die Arbeiten dauern und was diese Konstruktion kosten wird, könne er noch nicht sagen. Man müsse aufs Jahresende warten und hoffen, dass keine weiteren Überraschungen auftauchen. Läuft alles nach dem aktuellen Plan, beginnt die Sanierung Mitte 2020 und endet Ende 2022. Im Raum standen mal Kosten von 70 Millionen Euro, die aber offiziell nie bestätigt wurden. Wie sieht es mit dem Zeitplan für die Hochstraße Nord aus? Dillinger verweist trotz der Ungewissheit bei der Hochstraße Süd auf die Zeitpläne vom Frühjahr. Die seien weiterhin gültig. Die Bauzeit für den B 44 -Komplex betrage acht Jahre. Ab 2021 soll mit vorbereitenden Arbeiten wie der neuen Brücke über die Bahngleise sowie dem Abriss von Würfelbunker und Rathaus-Center-Nordmall begonnen werden. Der eigentliche Straßenabbruch der in den 1970er-Jahren entstandenen Trasse soll 2023 beginnen. Ab Ende 2023 erwartet Dillinger die rund vierjährige Phase mit größeren Verkehrsbehinderungen. „Die gibt es aber vor allem in den Stoßzeiten im Berufsverkehr“, sagt der Baudezernent. Die Stadt will die Probleme mit neuen ÖPNV-Angeboten und einem modernen Verkehrsleitkonzept abfedern. „Außerdem wird ja auf der B 44 immer eine Trasse je Richtung befahrbar bleiben“, betont Dillinger. Ab Mitte 2029 soll die neue Stadtstraße befahrbar sein. Haben sich die Kosten verändert? Dillinger verweist auf die bekannten 310 Millionen Euro. Steigerungen seien aber zu erwarten. Die Stadt sei froh, dass das Land (25 Prozent) und der Bund (60 Prozent) sich an den zuschussfähigen Kosten (rund 260 Millionen Euro) beteiligen. Man bemühe sich derzeit um eine Aufnahme einer Gleitklausel für Kostensteigerungen in die Verträge, sodass an der Stadt selbst 15 Prozent der Baukosten sowie die Planungsausgaben hängen bleiben. Aktuell laufen Planfeststellung und Ausführungsplanung. Was macht die Hochstraßen für die Wirtschaft bedeutend? Laut Dillinger gibt es in der Metropolregion 134.000 Unternehmen mit 770.000 Arbeitnehmern. Die Bruttowertschöpfung betrage 62 Milliarden Euro. Entsprechend wichtig sei eine funktionierende Infrastruktur. „Die Stadt Ludwigshafen bietet seit Jahrzehnten ein Hochleistungsstraßensystem für die gesamte Region.“ Die Hochstraße Nord (B 44) werde täglich von rund 40.000 Fahrzeugen genutzt. 40 Prozent davon seien Durchgangsverkehr, der von der A 650 nach Mannheim fährt. Auf der Hochstraße Süd (B 37) sind 52.000 Autos pro Tag unterwegs, davon sind 45 Prozent Durchgangsverkehr. Ist die geplante Stadtstraße leistungsfähig genug? Dillinger meint ja. Er verweist auf andere mehrspurige Straßen in Ludwigshafen wie die Saarland- oder die Brunckstraße, auf denen zum Teil mehr Verkehr fließe als auf der Hochstraße Nord. Die Stadtstraße sei so konzipiert worden, dass sie die gleiche Verkehrsmenge bewältigen kann wie die Hochstraße Nord. Aus städteplanerischer Sicht habe man sich auch bewusst gegen eine höhere Kapazität als 40.000 Fahrzeuge täglich entschieden, so Dillinger. „Da sollen ja Menschen wohnen und arbeiten. Die Straße ist mitten in der Stadt, da ist eine Grenze irgendwann erreicht.“ Die Straße werde vier Kreuzungen mit Ampeln sowie Fußgängerquerungen haben. Mit moderner Technik lasse sich der Verkehr steuern. „Was künftig nicht mehr geht, ist mit Tempo 70 über die Stadt zu brausen. Dann gilt eben Tempo 50.“ Die Modellberechnungen hätten gezeigt, dass der Zeitverlust bei der Stadtstraße im Vergleich zu heute bei „unter einer Minute liegen wird. Man kommt auch im Berufsverkehr problemlos durch“. Gibt es Alternativen zum Abriss? Nein, betont Dillinger. Schon vor zehn Jahren hätten Untersuchungen ergeben, dass eine Sanierung aus wirtschaftlichen Gründen nicht sinnvoll sei – und daher nicht zuschussfähig. Das Votum für eine Stadtstraße ist laut Dillinger auch mit Blick in die Zukunft sinnvoll: Ihr Unterhalt sei günstiger als die einer neuen Hochstraße. Was sagen Wirtschaftsvertreter? Dillinger hat seinen Vortrag vor dem Wirtschaftsrat der CDU gehalten. In der Diskussion mit Vertretern des unternehmerischen Berufsverbands wurde deutlich, dass es viele Sorgen um den Wirtschaftsstandort gibt. Eckart Sünner, Sprecher der Sektion Pfalz, erwartet durch die „Hochstraßenveränderungen sehr viel Ungewisses“. Letztlich müsse man „Vertrauen haben“ und Daumen drücken. Dillingers Erläuterungen hätten ihm die „Schwere der Aufgabe“ vor Augen geführt. „Unser Herz ist nicht leichter geworden.“ Wie bewertet Dezernent Dillinger den aktuellen Stand? Er gibt sich zuversichtlich: „Es ist unser aller Interesse, dass es klappt.“ Sollte die Planung der Hochstraße Süd jedoch eine Überraschung ergeben, „haben wir einen Notfallplan“. Handlungsbedarf bestehe, da für beide Hochstraßen keine Garantien vorliegen, dass diese auch in einigen Jahren noch stabil seien. Den Wirtschaftsvertretern machte er zudem klar: „Direkt nach der Hochstraße Nord geht es an der Pylonbrücke weiter. Das ist der Fluch des Hochstraßensystems.“

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