Neustadt Am Ende bleibt die Hoffnung

Jazzsängerin Nicole Metzger übernahm den Solopart bei Carola Bischoffs pfälzischer Erstaufführung des Grössler-Requiems.
Jazzsängerin Nicole Metzger übernahm den Solopart bei Carola Bischoffs pfälzischer Erstaufführung des Grössler-Requiems.

«Neustadt-Hambach.»Mit Trommelschlägen begann am Sonntagabend in der Hambacher Pauluskirche die Aufführung von Ralf Grösslers Jan-Hus-Requiem „Wahrheit in Flammen“. Ein Trommelfeuer aus mit Händen und Füßen geäußertem Beifall stand als Dankeschön des begeisterten Publikums am Ende des Konzerts. Das war zum einen dem Werk selbst zu verdanken, zum anderen der ebenso einfühlsamen wie ausdrucksstarken Interpretation aller Beteiligten unter der künstlerischen Leitung Carola Bischoffs.

Die Erwartungshaltung in der vollbesetzten Pauluskirche ist hoch. Ralf Grösslers Requiem für den auf dem Konstanzer Konzil 1415 als Ketzer hingerichteten Jan Hus, den böhmischen Wegbereiter der Reformation, erlebt an diesem Abend seine Erstaufführung in der Pfalz. Für den von Grössler geforderten Doppelchor hat Carola Bischoff die „Kantorei an der Pauluskirche“ und die „Pfälzische Kurrende“ zu einem Großen Chor zusammengestellt, für den Solopart die international bekannte Neustadter Jazzsängerin Nicole Metzger gewonnen, und auch das „Orchester an der Pauluskirche“ ist im Einsatz. Als Carola Bischoff nun ihren Platz am Dirigentenpult einnimmt, wird es still in der Kirche, ganz still. Eine einsame Trommel ist zu hören, und während der Trommler langsam durch den Mittelgang schreitet, hebt das Orchester zu einer Klage an, im Hintergrund immer begleitet von den leiser werdenden Klängen der Trommel. Das Szenario hat etwas Martialisches. Die Spannung im Kirchenschiff ist beinahe greifbar und löst sich erst mit dem Einsetzen des Großen Chors mit der Bitte um „requiem aeternam“, die ewige Ruhe, die dumpfe, weiche Paukenschläge begleiten. Die Stimmung schlägt um, die Musik wird zum Jazz, die Bitte um ewigen Frieden durch Gospelklänge und die überzeugende, ergreifende Interpretation Nicole Metzgers gleichzeitig zu einem Hoffnungsträger, denn auf die Gläubigen wartet das ewige Licht, den Weg dahin macht ihnen der Glaube an Jesus leichter. Betont wird der Gospelcharakter dadurch, dass diese Passagen in Englisch gesungen werden. In die strenge kirchliche Gottesdienstordnung führt das Lateinische zurück: „Requiem, requiem“, wiederholt der Chor und bringt so, unterstützt vom Puls der Pauke wie von einem Herzschlag, Gedanken und Emotionen wieder zur Ruhe. Schon mit dieser kurzen Sequenz machen Komponist und Ausführende deutlich, dass sich auch festgelegte liturgische Abläufe sehr wohl neu interpretieren und mit besonderen Inhalten füllen lassen. Interpretiert, in seinem Fall die Bibel, hat auch Jan Hus. Er musste das auf dem Scheiterhaufen büßen. Kein schönes Ende, auch wenn Jan Hus dabei einen Choral gesungen haben soll. Auch diese Diskrepanz zwischen post mortem geehrten „Heldentum“ und dem Schrecken des gewaltsamen Todes bringt Grösslers erst im Januar letzten Jahres in Wildeshausen uraufgeführtes Requiem zum Ausdruck. So wie im „Kyrie“, dem „Herr, erbarme dich“. Carola Bischoff interpretiert es mit ihren Instrumentalisten und Vokalisten wie einen Hilfeschrei der Menschen, die beispielsweise aufgrund falscher Zeugen und Verleumdung ihr Leben lassen müssen. Die Grausamkeit, die ihre Suche nach Wahrheit beendet, lässt sich nicht ausschalten. Mit einer Melodie wie ein orientalischer Tanz oder die musikalische Begleitung einer Schlangenbeschwörung umrankt Grössler Eugen Eckerts Text des Tractus „Die Flammen züngeln schon“: verführerisch schön und brandgefährlich. In der darauf folgenden Sequenz „Dies irae“ inszeniert der Chor die Aufgebrachtheit einer wütenden Volksmenge, und das Orchester lässt das Jüngste Gericht musikalisch zu einem Höllenspektakel werden. Dazwischen wie ein Trost der kleine Chor und die Solistin mit einer Stelle der Offenbarung, dass Gott alle Tränen abwischen wird. Das Offertium, der Gesang zur Segnung von Brot und Wein, erinnert an einen feierlichen Schreittanz zum Darbringen von Opfergaben, bevor ein dumpfer werdendes Schlagzeugsolo die idyllische Szene unterbricht. Einen von nichts getrübten „locus amoenus“ gaukelt die Musik auch mit dem „Agnus dei“ vor. Das Solo darin, wie ein Duett zwischen Jazzsängerin und Oboe gestaltet, klingt aus wie Hirtenmusik mit Vogelsang und Blätterrauschen. Einen heiteren Tenor hat Grössler auch für den Schlusschor gewählt: Stellenweise choralhaft, noch einmal unterbrochen von einem Jazz-Solo, macht er voller Freude und Helligkeit als Walzer Hoffnung darauf, dass letztendlich doch die Wahrheit siegen wird. Insofern ist dieses Requiem für Jan Hus wiederum auch ein Requiem für alle, die heute noch für ihre Überzeugung verfolgt und getötet werden und ein flammender Appell für die Wahrheit.

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