Landau Landau: Dürfen Tafel-Kunden teure Autos fahren?

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Auch ein Hartz-IV-Empfänger darf ein Auto besitzen.

Hintergrund: Ein Facebook-Foto mit einem Mercedes vor der Landauer Tafel hat viele Menschen bewegt. Einige wollen wissen: Darf jemand mit dickem Schlitten bei der Hilfsorganisation vorfahren, um sich kostenlos mit Kartoffeln, Salat und Co. einzudecken? Bei Hartz-IV-Empfängern zum Beispiel wird ganz genau aufs Gefährt geachtet.

„Nix zu essen, aber Benz. Oder Essen bei Tafel holen und deshalb Benz.“ – „Ich wohn’ zwar in einer anderen Stadt, aber bei uns ist es genauso wie hier auf dem Bild. Die fahren mit Autos vor die Tafel oder parken um die Ecke.“ Das sind nur zwei von über 2000 meist polemischen Kommentaren, die jenes Foto hervorgerufen hat, das seit knapp zwei Wochen durchs Internet geistert und bei Facebook bereits über 32.000-mal geteilt wurde. Zu sehen ist darauf ein silberfarbener Mercedes, geparkt direkt vor der Landauer Tafel in der Friedrich-Ebert-Straße. Auch mehrere Leser haben der RHEINPFALZ geschrieben, dass sie dienstags und donnerstags während der Öffnungszeiten häufig „dicke Autos“ vor der Ausgabestelle sichteten. Ist das okay?

Bedürftigkeit nachweisen

Kerstin Baudisch lacht. Die Vorsitzende des Trägervereins der Tafel kennt die Debatte. Auch wenn inzwischen feststeht, dass der Mercedes auf dem Foto nicht der 79-jährigen Frau gehört, die von der Tochter mit dem silberfarbenen Wagen zur Tafel gefahren worden war, so gibt es schon Kunden, die mit hubraumstarkem Gefährt zur Lebensmittel-Ausgabe fahren. „Wir sind da auch nicht so glücklich“, gibt Baudisch zu. Die Vorsitzende verweist auf die Richtlinien: Zur Tafel dürfen alle kommen, die nachweisen können, dass sie bedürftig sind. Und diese Nachweise müssten einmal im Jahr erbracht werden. „Oder auf Nachfrage“, erklärt Baudisch. Sollten die Tafel-Verantwortlichen den Verdacht schöpfen, dass jemand plötzlich einen Job und damit keinen Anspruch mehr auf Gratis-Lebensmittel hat, „dann wird er von uns angesprochen“. Ob es Betrug bei der Landauer Tafel gibt? „Schwarze Schafe gibt es überall“, sagt Baudisch mit einem Schulterzucken. „Doch wer kommt schon freiwillig hierher und holt sich abgelaufenes Zeug?“ Ihr sei nicht bekannt, dass seit der Gründung der Tafel im Jahr 2001 schon einmal jemand wegen Betrugs aus der Kundenkartei geflogen sei.

Personalisierte Kundenkarte

Wer Brötchen, Salat und Co. abholen möchte, braucht eine personalisierte Kundenkarte. Und die bekommt nur, wer amtliche Dokumente vorzeigen kann. Dazu gehören zum Beispiel die Bescheide für Arbeitslosengeld I beziehungsweise II; Letzteres ist besser bekannt als Hartz IV. Auch Asylbewerber, Senioren mit wenig Rente sowie Sozialhilfe- und Grundsicherungsempfänger können Gratis-Lebensmittel erhalten. Auf Anfrage teilt die Stadtverwaltung mit, dass in Landau zurzeit rund 460 Menschen, die dauerhaft nicht erwerbsfähig sind, Grundsicherung bekommen, darunter knapp 250 Leute über 65 Jahre. Jeder von ihnen habe einen Vermögensfreibetrag in Höhe von 5000 Euro. Darüber hinaus gebe es fast 200 Asylbewerber, die vom Sozialamt unter anderem Geld erhielten. Bei ihnen liege die Vermögensgrenze bei 200 Euro, heißt es aus dem Rathaus.

Auch alte Schlitten können schön sein

Auch Michael Dopke, Geschäftsführer des Jobcenters Landau-Südliche Weinstraße, hat die hitzige Schlitten-vor-der-Tafel-Diskussion verfolgt. Er stellt zunächst einmal klar, dass ein Hartz-IV-Empfänger zwar ein Auto haben könne, doch dürfe dieses einen bestimmten Zeitwert nicht überschreiten. Mit Blick auf vermeintliche Luxuskarren wie etwa den silberfarbenen Mercedes gibt er zu bedenken, dass alte Fahrzeuge bei entsprechender Pflege „auch ganz schnell wieder gut aussehen“. Da könne dann schon mal Neid aufkommen. Bevor jemand Hartz IV (416 Euro im Monat) erhalte, werde ganz genau auf dessen Vermögen geachtet, berichtet Dopke. Pro vollendetem Lebensjahr stehe zum Beispiel jedem arbeitslosen Single zunächst ein Freibetrag von 150 Euro zu. Hinzu komme noch ein Freibetrag in Höhe von 750 Euro für allgemeine Anschaffungen wie zum Beispiel Kühlschrank oder Fernseher. So liegt der Vermögensfreibetrag für einen 30-Jährigen bei 5250 Euro, für einen 50-Jährigen bei 8250 Euro, wie Dopke vorrechnet. „Als Vermögen nicht zu berücksichtigen ist ein angemessenes Kraftfahrzeug“, heißt es im entsprechenden Gesetzestext.

Gesetzliche Regelungen

Doch was heißt „angemessen“? Es gibt einen Freibetrag von 7500 Euro: Wenn der aktuelle Marktwert des Autos oder Motorrads abzüglich der Schulden diese 7500 Euro nicht überschreite, dann sei das Fahrzeug angemessen, erklärt Dopke. Heißt: Hat ein 30-jähriger Arbeitsloser ein Auto im Wert von 15.000 Euro, wird der Hartz-IV-Antrag abgelehnt, da das Vermögen (15.000 Euro minus 7500 Euro Kfz-Freibetrag) über dem Freibetrag von 5250 Euro liegt. Ein 50-Jähriger hingegen bekäme bei einem 15.000-Euro-Wagen Hartz IV, da dessen Freibetrag höher wäre als sein Vermögen. Sehr viele Fahrzeuge der Antragsteller seien über Banken finanziert, weiß Dopke. „Es gibt aber auch geleaste Fahrzeuge, die einem nie selbst gehören.“ Doch wie man mit 416 Euro im Monat die Raten begleichen solle, das wisse er nicht, sagt Dopke mit fragendem Blick.

Bei Betrug: Staatsanwaltschaft

Bei einem Antrag auf Arbeitslosengeld II werde genau geprüft, ob jemand ein Auto habe. Sollten trotz der Auskunft „Nein“ noch Zweifel bestehen, geht das Jobcenter dem nach. „Dann kommt zum Beispiel die Zulassungsstelle ins Spiel“, erläutert Dopke. „Und wir lassen uns Kontoauszüge zeigen.“ Vielleicht tauche ja irgendwo die Kfz-Steuer auf. „Bei Betrug wird dann gleich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.“ Diesen Schritt müsse das Jobcenter in Landau jedoch höchstens fünfmal im Jahr gehen. „Mobilität gehört nun mal dazu“, sagt der Geschäftsführer. Für viele Jobs brauche man schließlich ein Auto – erst recht, wenn man im Kreis wohne, keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen könne und eine lange Anfahrt habe. Wie viele der rund 5270 erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger in Landau und dem Kreis SÜW ein Fahrzeug haben, kann das Jobcenter allerdings nicht sagen. „Dazu haben wir leider keine Zahlen.“ Dopke weist aber darauf hin, dass Arbeitslose ohne fahrbaren Untersatz beim Autokauf mit bis zu 1000 Euro und für den Führerschein mit 1200 bis 1500 Euro unterstützt würden. „Aber nur, wenn ein Job in Aussicht gestellt wird.“

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