Landau/Bockenheim Erste Zoo-Kiebitze werden ausgewildert

Die kleine Kiebitze werden beringt, damit sie besser zugeordnet werden können, wenn man ihnen in freier Wildbahn begegnet.
Die kleine Kiebitze werden beringt, damit sie besser zugeordnet werden können, wenn man ihnen in freier Wildbahn begegnet.

Der Kiebitz ist in Rheinland-Pfalz vom Aussterben bedroht. Spontan beteiligt sich der Zoo Landau an einem Artenschutzprojekt zu dessen Rettung und brütet elf Jungvögel aus. Drei von ihnen haben die erste Etappe zur Auswilderung geschafft.

Am Montagnachmittag herrscht Aufregung in der Außenvoliere auf dem Gelände der Landauer Zooschule. Mit lautstarkem Piepsen protestieren wenige Wochen alte Kiebitze dagegen, von Menschenhänden festgehalten zu werden und Ringe an den Beinchen angelegt zu bekommen. Sie können ja nicht wissen, dass die Aktion der Vorbote für ihre Auswilderung ist – und durch die Ringe dann Erkenntnisse gewonnen werden sollen, die zum Überleben ihrer Art beitragen.

Doch wie ist der Zoo überhaupt zu den Kiebitzen gekommen? Denn die von Jens-Ove Heckel geleitete Einrichtung beteiligt sich bisher vorwiegend an Artenschutzprojekten in fernen Weltregionen: Davon profitieren der Humboldt-Pinguin in Chile, der Prinz-Alfred-Hirsch auf den Philippinen und die Regenwälder in Ghana. Die Tür des Zoos für den in Mitteleuropa brütenden und in Afrika überwinternden Kiebitz öffnete sich jedoch, als sich Gerardo Unger Lafourcade, der Leiter des Kiebitzprojekts der Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz (GNOR), im Frühjahr hilfesuchend an Jens-Ove Heckel wandte.

In Rheinland-Pfalz sind die Tiere vom Aussterben bedroht.
In Rheinland-Pfalz sind die Tiere vom Aussterben bedroht.

13 Eier angenommen

Der promovierte Tierarzt und Vorsitzende der Zoologischen Gesellschaft für Arten und Populationsschutz ließ sich schnell für die Idee von Unger Lafourcade begeistern, Eier von verlassenen Kiebitz-Nestern in Landau auszubrüten, um die Jungvögel dann auszuwildern. „Wir kennen uns von Begegnungen bei Veranstaltungen des Verbandes der Zoologischen Gärten“, erklärt Heckel seine spontane Bereitschaft, 13 Kiebitz-Eier aufzunehmen. „Bei einer Untersuchung stellte sich heraus, dass ein Ei unbefruchtet war“, teilt der Zoodirektor mit. Also lagen schließlich zwölf Eier im Brutschrank der Einrichtung.

„Bis Ende April waren aus den Kiebitz-Eiern elf Junge geschlüpft. Bei einem Ei gab es eine Entwicklungsstörung“, sagt Heckel. „Wir haben die Pullis, wie die Jungvögel dieser Art genannt werden, ihrem Alter entsprechend in drei Gruppen mit einmal drei und zweimal vier Individuen eingeteilt. Die Pullis werden gruppenweise ausgewildert“, erklärt er. Um die Fütterung der Jungen mit Insekten, Mehlwürmern und Krebstieren hat sich vor allem Tierpflegerin Doreen Balzereit gekümmert.

 Dieter Hoffmann, Thomas Dolich vom GNOR und Zoo-Mitarbeiterin Doreen Balzereit bei der Beringung.
Dieter Hoffmann, Thomas Dolich vom GNOR und Zoo-Mitarbeiterin Doreen Balzereit bei der Beringung.

Alle Junge beringt

Kurz bevor die ältesten drei Kiebitz-Junge flügge werden, haben am Montag alle elf Pullis die Ringe der Vogelwarte Radolfzell angelegt bekommen. Als ehrenamtliche Vogelberinger übernahmen Ute und Dieter Hoffmann sowie GNOR-Vizepräsident Thomas Dolich die Aufgabe. „Anhand der Ringe kann man die Kiebitze später identifizieren“, sagt Dieter Hoffmann. Die Ringnummern seien mit Ferngläsern gut abzulesen, falls der Kiebitz über eine Wiese laufe. Auch für den Fall, dass ein Vogel tot gefunden wird, helfe der bei der Vogelwarte registrierte Ring, etwas über die Zugwege und Todesursachen der Kiebitze zu erfahren.

In den nächsten Tagen ist jedoch klar, wo die drei ältesten Pullis sind: In einer neun Quadratmeter großen und zwei Meter hohen Voliere auf einem Grundstück des Unternehmens Südzucker zwischen Bockenheim und Obrigheim. Kurt Belzer, derzeit Leiter des Kiebitzprojekts für den in Elternzeit weilenden Unger Lafourcade, sagt: „Wir haben mit Hilfe des Zoos am vergangenen Freitag die Voliere dort aufgebaut, um die Jungvögel besser zu schützen, solange sie noch nicht fliegen können.“

Sie haben die Kiebitze zum Auswildern nach Bockenheim gebracht (von links): Kurt Belzer, Landeskoordinator des Kiebitz-Schutzpro
Sie haben die Kiebitze zum Auswildern nach Bockenheim gebracht (von links): Kurt Belzer, Landeskoordinator des Kiebitz-Schutzprojekts der GNOR, Jens-Ove Heckel und Thomas Dolich.

Grundstück ideal

Gleich nach der Beringung am Montag ist GNOR-Mitarbeiterin Heike Gonschior mit den drei Kiebitzen aus dem Zoo zu der ökologischen Ausgleichsfläche von Südzucker gefahren. Dort haben Kurt Belzer und Jens-Ove Heckel die drei Pullis aus den Transportbehältern in die Voliere entlassen. „Alle drei sehen gut aus. Tiere pflegen können wir eben als Zoo“, sagt der Direktor augenzwinkernd über den ersten Schritt zur Auswilderung.

„Voraussichtlich am Wochenende können die drei jungen Kiebitze fliegen, dann öffnen wir die Voliere“, kündigt Belzer an. Bis dahin will er zweimal täglich nach den Kleinen schauen, auch um ihnen Futter und Wasser zu bringen. „Das drei Hektar große Grundstück ist für Kiebitze ideal: spärlicher Bewuchs, mehrere Wasserstellen und viele Insekten“, blickt Heckel schon auf die zweite Etappe der Auswilderung voraus. Die Fläche nahe des Südzucker-Werks Offstein wurde vor wenigen Wochen zum Schutz der Kiebitze vor vierbeinigen Beutegreifern wie Fuchs und Waschbär umzäunt. Mehr als zehn Brutpaare der Vogelart haben die GNOR-Mitarbeiter auf der Fläche und deren Umfeld schon gezählt.

In dieser Voliere bei Bockenheim bleiben die Jungvögel, bis sie fliegen können.
In dieser Voliere bei Bockenheim bleiben die Jungvögel, bis sie fliegen können.

Nicht über den Berg

„Wir hoffen, dass sich die Zoo-Kiebitze von ihren Artgenossen in freier Wildbahn abschauen, wie sie überleben können“, sagt Belzer. Geplant ist, auch die weiteren acht Kiebitze aus Landau nach Bockenheim zu bringen. Der ursprüngliche Plan der Auswilderung in Harthausen bei Speyer wurde ad acta gelegt, nachdem dort vor rund zwei Wochen binnen zwei, drei Tagen ungefähr 20 junge Kiebitze aus ungeklärten Gründen verschwanden, wie Thomas Dolich mitteilt. Wobei mehrere der dortigen Brutpaare schon wieder neue Gelege gebildet haben. „Kiebitze sind hart im Nehmen“, sagt Unger Lafourcade. Aber eben mit knapp 120 Brutpaaren im ganzen Bundesland noch längst nicht über den Berg, fügt er hinzu.

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