Landau Dampfpfeife übertönt Pausengong

Mit leuchtenden Augen am Schaufenster

„Es ist ein unbeschreibliches Gefühl und Glück gewesen, wenn man als kleines Kind ein Blechspielzeug bekommen hat“, erinnert sich Bruno Holzinger (58) aus Steinweiler . „Mit Bewunderung für die Technik stand ich oft in den Sechziger Jahren mit den Eltern vor dem Schaufenster am ehemaligen Spielwarengeschäft Christmann in Landau.“ Die Begeisterung ließ auch Jahre später nicht nach, als der Steinweilerer bei jedem Besuch die Dampfwalze eines Freundes in dessen Vitrine bestaunte. „Er hat wohl meine heimlichen Blicke bemerkt und sie mir zum 45. Geburtstag geschenkt“, berichtet Holzinger. Auf Flohmärkten kaufte er später auch Fernsteuerungen, Gabelschlüssel und Einfülltrichter für seine Dampfwalze von Wilhelm Schröder & Co. Auch im Schaufenster der Firma Baron in Kandel waren in den 1960er Jahren oft Modelleisenbahnen und Dampfmaschinen ausgestellt, erzählt Alois Beck aus Hatzenbühl. „Mein Bruder und ich waren fasziniert davon. Aber es blieb ein Traum, so eine Dampfmaschine zu besitzen.“ Zumindest bis Weihnachten 1965: „Unter dem Tannenbaum stand eine Dampfmaschine!“ Mittlerweile weiß der 58-Jährige, dass die Mutter zunächst mit dem Geschenk nicht einverstanden war - „sie wollte was Gescheit’s kaufen“. Also fuhr der Vater heimlich mit dem Goggomobil nach Kandel, um die Maschine zu kaufen. Sein beruflicher Werdegang sei geprägt gewesen von Dampf und Maschinen, berichtet Alois Beck, der vor mehr als vier Jahrzehnten eine Ausbildung zum Kfz-Schlosser bei einer „großen Lkw-produzierenden Firma“ gemacht hat. Feuer und Dampf an Heiligabend Bei fünf Kindern in der Familie konnten seine Eltern nicht so viel Geld für ein Spielzeug ausgeben, berichtet Hermann Getto aus Kandel. „Deshalb musste ich mehrere Jahrzehnte warten, bis mein Wunsch erfüllt werden konnte.“ Irgendwann hatte Gettos Frau von seinem Kindheitstraum erfahren, eine Dampfmaschine zu besitzen und dem Familienvater 1993 zu Weihnachten eine Wilesco-Dampfmaschine geschenkt. Mittlerweile lässt der 67-Jährige mit seinen Enkeln die Maschine laufen, die davon genauso begeistert seien wie er selbst. Als „Großes Live-Kino“ beschreibt Michael Detzel aus Steinweiler die Vorführung der Dampfmaschine, die seine Zwillinge Caroline und Christoph an Heiligabend von ihrem Onkel geschenkt bekommen haben. „Es war ein besonderes Erlebnis, zu sehen, wie mit Feuer, dem erhitzten Wasser und dem daraus entstehenden Dampf eine Maschine in Bewegung gesetzt werden konnte – und durch den Antrieb der Kolben über Zahnräder und Getriebe wiederum andere Verbraucher angetrieben wurden.“ Die Generalsanierung der Maschine hatte ein Freund der Familie übernommen, jetzt laufe sie wieder „rund“, sagt Detzel. Aus Bausatz einen Dampftraktor gebastelt Lange im Besitz der Familie ist die Dampfmaschine von Felix Rillmann aus Bellheim. „Mein Papa hat sie 1975 von seinem Uropa bekommen“, erzählt der 14-Jährige. Sie sei betriebsbereit, in gutem Zustand und er habe viele Anbauteile und Extras wie Säge, Bohrer, Fallhammer und ein Nostalgie-Karussell dazu. Außerdem besitzt Felix einen neuen Dampftraktor, den er aus einem Bausatz selbst gemacht hat. Restaurieren und Tüfteln an den Apparaturen Sein Hobby nennt Thorsten Gillmann aus Bellheim das Tüfteln an seinen 16 Dampfmaschinen. In den 90er Jahren habe er seine erste Apparatur „in die Hände bekommen“. Diese Maschine stammt aus dem Jahr 1919 und war ein Demonstrationsobjekt in der Schule von Gillmanns Heimatstadt Meisenheim am Glan. Sein Großvater war Landhandelskaufmann und die Maschine soll als Pfand für Schulden irgendwann in dessen Besitz gelangt sein – „so ist es in der Familie überliefert“. „Mein Vater durfte mit dieser Maschine nicht spielen mangels Ahnung von der Sache“, berichtet der Bellheimer. Die Dampfmaschine wurde nicht oft benutzt und lief irgendwann auch nicht mehr einwandfrei. Vor zehn Jahren konnte Gillmann sie mit Hilfe eines Experten reparieren und zumindest mit Pressluft zum Laufen bringen. „Inzwischen habe ich weitere 15 Dampfmaschinen in teilweise desolatem Zustand erworben und betriebsfähig aufgearbeitet.“ Bei Ausstellungen des Kulturvereins Bellheim hat Thorsten Gillmann seine Apparaturen auch schon der Öffentlichkeit präsentiert. Robert Schuler aus Kandel restauriert ebenfalls Dampfmaschinen und -walzen. Der 75-Jährige besitzt eine Wilesco D16, eine Wilesco D20 und eine Wilesco D24. „Sie funktionieren alle, dazu habe ich noch verschiedene Antriebsmaschinen wie Betonmischer, Säge, Drehbank und eine Farbrolle“, erzählt Schuler. Ein Luftgewehr für eine Dampfmaschine Schon als Kind besaß Reimund Milde aus Germersheim drei Maschinen. „Ich habe oft damit gespielt, sie repariert und laufen lassen“, erzählt der 69-Jährige. Eine Kleinste lief wie am Schnürchen, die zweite war wartungsintensiv und die dritte – mit Verzierungen und stehendem Kessel die schönste von allen – konnte Milde „trotz aller Mühe nie in Gang bringen“. Irgendwann habe er sie gegen ein Luftgewehr getauscht und dieses später gegen einen Plattenspieler, erzählt Milde, der bis Ende der 1980er Jahre in Ostdeutschland lebte. Noch heute besitzt Reimund Milde aber eine Dampfmaschine, die er mehrmals im Jahr laufen lässt. Mit Minitechnik Schüler begeistert Die Dampfmaschine von Gerhard Beil, Bürgermeister in Rheinzabern, überlebte auf dem elterlichen Speicher. Gut 60 Jahre sei sie alt und häufig im Einsatz gewesen, „wenn im Geschichtsunterricht der Römerbadschule das Thema Industrielle Revolution aufs Tapet kam“. An dem Modell konnte der frühere Geschichtslehrer die Funktionsweisen von Kessel, Kolben, Ventile und Kraftübertragungen demonstrieren. Und die Schüler waren von der Minitechnik fasziniert, erinnert sich Beil. „Das Aha-Erlebnis prägte sich besonders ein, wenn die Kleine Dampfpfeife – wie früher die Arbeiter in den Fabriken – zur großen Pause rief und sogar den Pausengong übertönte.“ (naf) Die Serie Einmal im Monat fragen wir in der Serie „Gibt es das noch?“ nach Dingen, die vermeintlich aus dem Leben verschwunden sind. Wir bedanken uns für alle Leserzuschriften. Leider können wir nicht alle veröffentlichen und bitten um Verständnis. Der nächste „Gibt es das noch“-Aufruf erscheint am 9. März.

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