Landau „Bürger wollen keine Weltpolizei“

Der Südpfälzer SPD-Bundestagsabgeordnete Thomas Hitschler ist Mitglied im Verteidigungsausschuss. Er hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Brief vom 25. Juni zu einer Regierungserklärung aufgefordert.

Merkel möge eine gesellschaftliche Debatte darüber beginnen, wie Deutschland seine Verantwortung in der Welt künftig wahrnehmen soll. Wirtschaftlicher Erfolg und internationale Anerkennung gingen einher mit Erwartungen an die Bundesrepublik, sich stärker zu engagieren. Ob und wie sich das auf die Rolle der Bundeswehr auswirke, will Hitschler breit diskutiert wissen. Eine Antwort hat er allerdings noch nicht bekommen. Herr Hitschler, wo haben Sie gedient? Gar nicht. Ich wurde ausgemustert wegen meiner Knie. Das kam wohl vom Fußballspielen. Wie stehen Sie zur Abschaffung des allgemeinen Wehrdienstes durch den früheren Verteidigungsminister zu Guttenberg und zur Entwicklung hin zur reinen Berufsarmee? Das ist auf jeden Fall ein schwieriger und übereilter Weg mit vielen Folgeproblemen. Deutschland hat und braucht eine Parlaments-Armee und den Staatsbürger in Uniform, aber es ist eine Riesenherausforderung, jedes Jahr 60.000 Bewerberinnen und Bewerber zu bekommen, von denen dann auch wirklich 6000 zur Bundeswehr gehen. Wir stehen da in hartem Wettbewerb mit der Wirtschaft um die klügsten Köpfe der Generation Y. Wie kann die Bundeswehr diesen Kampf gewinnen? Die bei der Bundeswehr angebotenen Berufe müssen jeweils eine gute Perspektive bieten, dass sie auch dann noch attraktiv sind, wenn man an anderer Stelle mehr Geld verdienen kann. Was heißt das konkret? Die Krippe allein kann’s ja wohl nicht sein. Nein, die Krippengeschichte von Verteidigungsministerin von der Leyen war eine sehr verzerrte Darstellung. Vor allem deshalb, weil die Kindertagesstätte am Standort ja gar nichts Neues ist. Ich stelle mir zum Beispiel ein Personalentwicklungskonzept vor. Man muss den Interessenten eine Perspektive nicht nur für zwei, vier oder zehn Jahre bieten, sondern auch darüber hinaus. Die Leute sollten möglichst lang an einem Standort bleiben und sich ständig weiterbilden können. Gleichzeitig braucht die Bundeswehr auch die beste verfügbare Technik. Und auch die Stube, also die Unterkunft, muss in Ordnung sein. Da müssen wir die Rahmenbedingungen verbessern, denn im Auslandseinsatz leben die Soldaten zu dritt in einem Container, aber daheim gibt es immer noch die Stube für sechs Mann, obwohl die Richtlinie ,Kaserne 2000’ etwas anderes aussagt. Wie sieht das in der Region aus? Mein Eindruck von Germersheim ist, dass es dort einen großen Sanierungsstau gibt, für den keiner vor Ort etwas kann. Das sieht sehr stark nach 60er-Jahren aus. Unter anderem zu dieser Thematik bin ich mit den zuständigen Stellen in Kontakt. Da muss dringend etwas geschehen. Bundespräsident Gauck hat kürzlich gefordert, dass die Bundeswehr sich stärker an internationalen Militäreinsätzen beteiligt. Stimmen Sie zu? Hat er das so gefordert? Es kam so rüber, aber Gauck, Verteidigungsministerin von der Leyen und Außenminister Steinmeier haben von mehr Verantwortung in der Welt gesprochen. Wie so etwas aussehen kann, müssen wir mit der Gesellschaft diskutieren. Man wird zum Schluss kommen, dass das nicht zwangsläufig mehr Militäreinsätze bedeutet, sondern zunächst mehr Krisenprävention, mehr Diplomatie und Entwicklungshilfe, allerdings mit der Option, dies auch durch die Bundeswehr abzusichern. Stichwort Syrien: Da schauen wir seit vielen Monaten einem Völkermord zu, der angeblich militärisch nicht zu verhindern ist. Da gibt es einen gewissen Widerspruch. Ich meine, die Weltgemeinschaft hat die Chance zu intervenieren seinerzeit verpasst, um den Konflikt einzudämmen. Wir sehen ja gerade: Die Lage in Syrien bedroht den gesamten Nahen Osten, denken sie an die Terrorgruppe Isis im Irak, an Israel und die Palästinenser, an die fürchterliche Situation der Flüchtlinge. Ich fürchte, dass an diesem Pulverfass die Lunte schon brennt. Nun entscheidet ein Bundespräsident nicht über die Zukunft der Bundeswehr, schon gar nicht allein. Wie kann das Thema breit diskutiert werden? Deshalb habe ich die Bundeskanzlerin gebeten, sich mit einer Regierungserklärung zu positionieren. Dann sind wir raus aus den elitären Hinterzimmern und können Gewerkschaften, Kirchen und alle anderen gesellschaftlich relevanten Gruppen und interessierte Bürger in einen Dialog einbeziehen. Ich bin sicher, dass wir dann zu dem Ergebnis kommen, dass unsere Bevölkerung keine deutsche Weltpolizei will, aber dass wir gemeinsam Verantwortung übernehmen, damit Krisen gar nicht erst entstehen können oder sie im Notfall eindämmen. Wie stehen Sie zu bewaffneten Drohnen? Die Frage stellt sich für mich in Deutschland gar nicht. Es geht hier nicht darum Menschen anzugreifen, wie das zum Beispiel die USA in Pakistan tun. Bei uns geht es um die Neubeschaffung einer Aufklärungsdrohne. Wir haben keinen Bedarf an bewaffneten Drohnen. Für die Luft-Boden-Unterstützung haben wir den Kampfhubschrauber Tiger, die Tornado-Jagdbomber und den Eurofighter. Grundsätzliche ethische Bedenken gegen Drohnen habe ich nicht; gegen vollautonome Waffensysteme und den amerikanischen Drohnenkrieg allerdings schon. Wird das Thema von Verteidigungsministerin von der Leyen angemessen behandelt? Ich hätte mir ein paar Monate Zeit gewünscht, um die Diskussion über Drohnen in aller Ruhe und umfassend zu führen. Ich nehme zu ihren Gunsten an, dass es ihr dabei einfach nur um eine Frage der Wirtschaftlichkeit geht und sie es deshalb so übereilt angeht. Wer sich heute bei der Bundeswehr verpflichtet, muss an Auslandseinsätzen in Krisengebieten teilnehmen. Sie sind kinderlos, aber könnten Sie Ihrem Sohn eine Bundeswehrkarriere empfehlen? (Pause) Ja, wenn wir die Rahmenbedingungen so schaffen, wie ich das beschrieben habe. Ja, dann könnte ich das.

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