Lokalsport Südpfalz Interview: „Die Realität hat uns alle eingeholt“

Karl Schlimmer
Karl Schlimmer

Der Fußball-Regionalverband Südwest hat beschlossen, den Spielbetrieb nicht vor dem 27./28. Februar – soweit eine Vorbereitungszeit von vier Wochen gegeben ist – wiederaufzunehmen. Karl Schlimmer (65) aus Klingenmünster führt seit acht Jahren den Kreis Südpfalz.

Herr Schlimmer, wie sieht Ihr Job in Zeiten von Corona aus?
Es geht alles etwas entspannter zu. Es kommen statt 20 und mehr nur vier bis fünf E-Mails am Tag. Die späten Anrufe oder solche am Wochenende haben nachgelassen. Ich telefoniere mit Vizepräsident Jürgen Veth und Klaus Karl, meinem Kollegen im Kreis Rhein-Mittelhaardt. Mit den Vertretern der Geschäftsstelle wird ebenfalls fernmündlich konferiert. Ansonsten läuft alles über Videokonferenzen. Das gilt auch für die Pamina-Organisation.

Die Tätigkeit als Kreisvorsitzender ist kaum mit Berufsleben vereinbar, oder?
Das ist fast unmöglich. Ich sehe mir in der Regel jede Woche noch zwei Spiele an und komme auf ein Zeitfenster von über 30 Stunden. Es hängt natürlich viel davon ab, was an den Spieltagen los ist. Ich bin häufig der Knotenpunkt zwischen meinen Staffelleitern und der Verbandsgerichtsbarkeit auf der einen und den Vereinen auf der anderen Seite.

Otto Rassenfoß ist gestorben. Wie kann der Verlust im Kreis kompensiert werden?
Otto fehlt natürlich menschlich sehr. Mit seiner offenen und ehrlichen Art kam er bei den Vereinen gut an. Das versuche ich weiterzuleben. In Süleyman Bostanci haben wir einen Nachfolger gefunden. Er ist bestens integriert und macht bisher einen tollen Job. Er ist ein Glücksfall für uns.

Werden Sie noch einmal um das Amt kandidieren?
Ja, aber dies wird meine letzte Periode sein, falls ich gewählt werde. Wir müssen den Kreisausschuss sukzessive verjüngen, diesen Prozess will ich begleiten. Mit der Berufung von Bostanci und Christina Ferrini haben wir mit der Verjüngung begonnen. Für das Berufungsamt „Gesellschaftliche Verantwortung“ suchen wir noch eine junge Person. Ich habe da schon ein paar Kandidaten im Kopf.

Ihr Stellvertreter Dieter Bäcker will aufhören. Ihr Gremium steht?
Ja. Ansonsten stehen alle Mitglieder des Kreisausschusses wieder zur Verfügung. Die Nachfolge hatten wir intern schon besprochen, da ja der Kreistag bereits in diesem Jahr hätte stattfinden sollen, aber wegen Corona ausgefallen ist. Mit Rüdiger Werling steht ein Mann zur Verfügung, der mit Herz und Blut Fußballer ist und ein enges Verhältnis zu den Vereinen pflegt. Aus diesem Grund habe ich ihm meinen Sitz im Verbandsspielausschuss überlassen. Dieter Bäcker will ich für den Bereich Breiten- und Freizeitsport bei der Stange halten. Die Zusammenarbeit mit ihm war und ist sehr gut. In drei Jahren wollen wir zusammen in den „Ruhestand“ gehen.

Im Pokal wurden wegen Corona nur noch die ersten Mannschaften zugelassen. Das gab einen Proteststurm, oder?
Der Modus trug bereits ab der ersten Runde zur Qualitätssteigerung bei. Hohe zweistellige Ergebnisse kamen nur noch ganz selten vor. Doch es gab noch eine zweite Änderung. Wir haben bis ins Achtelfinale die Paarungen nach regionalen Gesichtspunkten gesetzt. Neben kürzeren Anfahrtswegen führte dies zu einem gesteigerten Interesse. Es gab mehrere Paarungen mit bis zu 350 Zuschauern, dem Corona-Höchstmaß.

Die Teilung der Klassen rief Kritik hervor, vor allem von Lugs Präsidenten Winfried Schäfer...
Seine Kritiken sind in der Regel fundamentiert und nachvollziehbar. Er lebt wie ich den Fußball. Er war betreffs Corona einfach zuversichtlicher als ich. Die Realität hat uns aber alle eingeholt. Ich glaube, dass mittlerweile alle froh sind, dass wir dies im Sommer so beschlossen haben. Grundsätzlich finden nun weniger Partien statt, das ist familienfreundlicher. Wir haben fast ausschließlich Lokalderbys. Auf der anderen Seite sind die Vereine auf die Einnahmen bei den Heimspielen angewiesen. Vielleicht ist die jetzige Konstellation auch ohne Corona eine Option, wenn man noch eine Finalrunde anschließt.

Sie sind selbst Schiedsrichter. In der Zukunft gibt es vielleicht nicht mehr genug?
Ich beobachte das mit großer Sorge. Meine Befürchtung ist groß, dass wegen Corona noch mehr ältere Referees aufhören werden. Dies würde zu einem weiteren Qualitätsverlust führen, der die Verantwortlichen vor große Herausforderungen stellt. Es muss mehr in die Aus- und Weiterbildung investiert werden. Ein richtiger Ansatz ist das Patensystem. Die monatlichen Sitzungen müssen attraktiver gestaltet werden, damit die Unparteiischen mehr daraus mitnehmen.

Was sind die größten Herausforderungen für den Amateurfußball?
Es gilt, die finanziellen Probleme der kleineren Vereine in den Griff zu bekommen. Die Kluft zwischen dem Profibereich und darunter liegenden Klassen darf nicht noch größer werden. Die Machtkämpfe zwischen DFL und DFB tragen dazu nicht bei, dies geht zu Lasten der Amateure. Ich hatte vor vielen Jahren den Antrag formuliert, auf das Sonntagsspiel in der Bundesliga zu verzichten. Mittlerweile haben wir zwei oder drei Partien am Sonntag.

Zur Person

Karl Schlimmer (65) wohnt in Klingenmünster. Er hat zwei erwachsene Töchter und zwei Enkel. Als gelernter Bauzeichner ging er zur Polizei, in den 35 Jahren bis zu seinem Ruhestand war er bei der Verbandsgemeinde Bad Bergzabern beschäftigt. Als Spieler und Trainer feierte er Meisterschaften und Pokalsiege, vor allem mit dem SV Klingenmünster und der SpVgg Bad Bergzabern. Seit rund vier Jahrzehnten ist er im Sport ehrenamtlich tätig. Seit acht Jahren ist er Vorsitzender des Fußballkreises Südpfalz. Er hört gerne Musik, besucht Konzerte, liest viel. Einen guten Rotwein verschmäht er nicht.
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