Speyer Zwischen Disney und 1001 Nacht

Aus Waldsee zur Speyerer Krippe gepilgert (von links): Christian Weick mit seinen Söhnen Lukas und Paul und deren Opa Peter Weic
Aus Waldsee zur Speyerer Krippe gepilgert (von links): Christian Weick mit seinen Söhnen Lukas und Paul und deren Opa Peter Weick.

Es ist sehr kalt an diesem Nachmittag im Dom. Viele Besucher behalten lieber Mützen und Handschuhe an. Die Szenerie, die sich ihnen darbietet, ist jedoch alles andere als kühl: Die Weihnachtskrippe vermittelt den Betrachtern Wärme. Die detailreiche Darstellung der Geburtsszene ist auch mitten im Januar noch eine der am meisten angesteuerten Stellen in der Kathedrale. Was führt die Menschen hierher?

Es ist ein sehr gemischtes Publikum, das sich an diesem Sonntag vor der neu aufgebauten Krippe im Dom einfindet. Sämtliche Altersklassen, Familien mit Kindern, Pärchen, ältere Leute. Eine Gemeinsamkeit: ihre staunenden Augen. Schnell werden die Handys gezückt. Die Unterhaltungen laufen in gedämpfter Lautstärke ab, fast so, als fürchte man, das zarte Jesuskind in der Krippe zu wecken. Besonders die Elefanten haben es Marina Hefti (60) aus Saarbrücken angetan. Ganz zufällig ist sie an diesem Tag in den Dom gekommen und wusste gar nicht, was sie hier erwartete. „Eine märchenhafte Darstellung, wie aus 1001 Nacht“, schwärmt sie. Die Szenerie sei sehr liebevoll gestaltet, lobt sie. „Allerdings ist der etwas grelle, mit farbigen LEDs gestaltete Sternenhimmel mir doch zu arg Disney“, setzt sie hinzu. Weitere Besucher bestätigen: Auch für sie wirke die Beleuchtung zu künstlich. Die Familie Weick aus Waldsee, Vater, Opa und zwei Jungs, analysiert genau das Dargestellte. Lukas (4) und Paul (3) mögen die Schafe am liebsten. „Oh, sogar ein Babyschaf“, entdeckt Lukas hocherfreut. „Die Elefanten sind auch cool“, sind sich die zwei einig. „Und die Wildtiere, die gibt’s aber auch im Wildpark.“ Die Kinder sind das erste Mal dabei und entsprechend aufgeregt. Papa Christian und Opa Peter kommen fast jedes Jahr an die Krippe. Sie bewunderten vor allem die handwerkliche Kunst, die in dieser Arbeit steckt, betonen sie. Ein Mutter-Tochter-Gespann ist aus Speyer gekommen: Patricia Lieder („Ü 50“) und Tochter Madeleine („Ü 20“). Als Ur-Speyerer fühlen sich die beiden dem Dom verbunden und schauen sich wenn möglich jedes Jahr die Krippe an, wie sie berichten. „In diesem Jahr gefällt sie uns sogar noch viel besser“, so Patricia Lieder. „Sie ist nicht so überladen, daher reduziert auf die eigentliche Botschaft.“ Dass das Bistum im Dezember gegenüber den Vorjahren die Begrünung verändert hat, lobt sie ebenfalls: „Das ist passender zur dargestellten Region.“ Bei der Beleuchtung scheiden sich die Geister: Der Mutter gefällt sie, die Tochter empfindet sie als zu kalt und für die Szenerie eher unpassend. „Wir haben nie eine schönere Krippe gesehen“, sagen Karin Lippke und Reinhard Diehl aus Bensheim. Sie seien vor allem davon angetan, dass hier gleich mehrere Sinne angesprochen werden. Aus ihrer Sicht rundet der plätschernde Bachlauf die Gestaltung ab. Beide empfinden jedoch die Hintergrundmalerei – eine weitere Neuerung in diesem Jahr – als zu grell und nicht passend zum Landschaftsaufbau. Dem schließt sich Norbert Herrmann (65) aus Landau an: „Die etwas grelle Farbgebung passt eher in den 1910er- bis 1920er Stil.“ Er sei Krippensammler, berichtet er, und nicht nur das: Für seine Tochter, die jedes Jahr neben ihrem Restaurant in Külsheim im Main-Tauber-Kreis eine Kapelle mit Krippen ausstatte und Krippen-Wettbewerbe veranstalte, kaufe er die schönsten Stücke auf Flohmärkten vornehmlich im Elsass auf. In Speyer sei er jedes Jahr, um die Installation im Dom zu bewundern. Der Südpfälzer geht ein Stück weiter, und schon rücken die nächsten Betrachter vor und suchen das Jesuskind. Termin Die Krippe kann man noch bis zum 2. Februar zu den Öffnungszeiten des Doms bewundern: montags bis freitags, 9 bis 17 Uhr, samstags, 9 bis 18 Uhr, sonntags, 12 bis 17 Uhr. Während der Gottesdienste sind keine Besichtigungen möglich. Die Serie Für diese Serie, eine Momentaufnahme aus dem Alltag, sind wir jede Woche gezielt in der Stadt unterwegs.

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